
Schon seit Jahren sind Jakob (Nikolai Kinski) und Amelia (Laurine Prince) ein Paar, haben ein gemeinsames Kind, sind angesehen. So richtig glücklich sind sie aber nicht, die Luft in ihrer Ehe ist raus. Es braucht neue Impulse, so viel ist schnell klar. Einen solchen erhoffen sie sich, als sie eine Techno-Party besuchen und sich doch mal ein wenig gehenlassen können, auch der eine oder andere Flirt ist drin. Zwar passiert dort nicht viel, aber die beiden haben zumindest wieder Lust bekommen, neue Erfahrungen zu machen. Als Jakob kurze Zeit später von einem streng geheimen Maskenball erfährt, könnte dies tatsächlich die Gelegenheit sein, mehr aus sich zu machen. Dabei wissen sie noch nicht, was sie dort erwartet …
Adaption des bekannten Buchs
Fast genau hundert Jahre ist es her, dass Arthur Schnitzler seine Traumnovelle veröffentlichte, zunächst kapitelweise, später als Buch. Seinerzeit waren die Reaktionen etwas gemischt. Die Kritiken waren zwar positiv, das Publikum ignorierte die Geschichte um ein gutbetuchtes Ehepaar, das sich sexuellen Gelüsten hingibt, jedoch. Später erlange das Werk doch noch mehr Berühmtheit, sei es als Schullektüre oder auch durch Eyes Wide Shut, der letzte Film des legendären Regisseurs Stanley Kubrick. Bei diesem war die Resonanz zwar ebenfalls von einer gemischten Natur. Dennoch, man muss sich das erstmal trauen, eine neue Version zu drehen und sich damit auch mit dem starbesetzten Rausch zu messen, den der Filmemacher als Vermächtnis zurückgelassen hat.
Regisseur und Drehbuchautor Florian Frerichs (Das letzte Mahl) ist dieses Wagnis eingegangen und hat seine eigene Version der Vorlage angefertigt. Große Stars gibt es bei der deutschen Independent-Produktion keine, allenfalls Detlev Buck in der Nebenrolle eines Kostümdesigners sticht da hervor. Es ist auch nicht so, als könnte Traumnovelle vergleichbare Schauwerte anbieten. Versucht hat es Frerichs zwar, besonders bei den Szenen, wenn es zum Maskenball geht. Da wird dann beispielsweise mit Farben gearbeitet, hinzu kommen bemerkenswerte Kostüme. Dennoch, man darf da keine zu hohen Erwartungen haben. Mit dem Budget, das hier zur Verfügung stand, lassen sich keine Szenen wie bei Babylon – Rausch der Ekstase drehen, weshalb derartige Vergleiche nicht viel bringen.
Grenzüberschreitung ohne Spannung
Wenn ein solches Geld fehlt, bräuchte es aber etwas anderes, um sich sonst zu behaupten. Und so ganz klar wird nicht, was das hier sein könnte. Die Geschichte um ein Paar, das aus Langeweile heraus eigene Abgründe ertastet und Grenzen überschreiten möchte, ist zwar durch die Ansiedlung in der High Society sicherlich keine, in der sich viele wiederfinden werden. Traumnovelle hat aber durchaus Ansätze, die sich verfolgen lassen, wenn es um Selbstbehauptung geht, um Identität sowie Erwartungen, die erfüllt werden müssen. Nur bleibt der Film dabei immer an der Oberfläche, ist selbst eine Maske, hinter der niemand hervortritt. Er schafft es nicht, wirklich etwas Substanzielles aus dem Stoff zu machen.
Dann und wann gibt es schon kleine Ausrufezeichen bei dem Erotikthriller, der 2024 das Filmfestival von Oldenburg eröffnet hat. Da wird dann beispielsweise aus einer Prostituierten eine Frau, die ganz modern bei Only Fans auftritt. Aber auch die Visionen, wenn das Leben zu einer Bühne wird – genauer einer Opern-Bühne –, stechen ein wenig hervor. Im Großen und Ganzen bleibt von Traumnovelle aber nicht so wahnsinnig viel hängen. Für die beiden Hauptfiguren mögen das existenzielle Erfahrungen sein, wenn sie sich ins Nachtleben stürzen und Neues ausprobieren. Das bedeutet aber nicht, dass dies für ein Publikum spannend ist. Tatsächlich zieht sich der Film auch ein wenig, kommt bei der Suche nach dem Abgrund kaum vom Fleck. Innerhalb der deutschen Kinolandschaft ist das Ergebnis sicherlich ungewöhnlich, Vergleichbares sieht man selten. Man kann sich aber darüber streiten, ob der Film damit auch eine wirkliche Bereicherung darstellt.
OT: „Traumnovelle“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Florian Frerichs
Drehbuch: Florian Frerichs
Vorlage: Arthur Schnitzler
Musik: Tuomas Kantelinen
Kamera: Konstantin Freyer
Besetzung: Nikolai Kinski, Laurine Price, Detlev Buck, Nora Islei, Bruno Eyron, Sharon Kovacs
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