Dogman 2023
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DogMan (2023)

Dogman 2023
„DogMan“ // Deutschland-Start: 12. Oktober 2023 (Kino) // 22. Februar 2024 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Im blutgetränkten Drag-Outfit und mit der Ladefläche seines Wagens voller Hunde wird Douglas (Caleb Landry Jones) eines Nachts von der Polizei aufgegabelt. In Untersuchungshaft erzählt er der von der Polizei beauftragten Psychologin Evelyn (Jojo T. Gibbs) nach und nach seine Lebensgeschichte und wie er in der Situation gelandet ist, in der er aufgefunden wurde. Sein Lebensweg ist gezeichnet von Gewalt und Ausgrenzung, sodass Douglas schnell zum Schluss kommt, sich eine Familie aus Hunden zu suchen. Eine Familie, die ihm treu ist und die ihn beschützt und eine Familie, für deren Schutz er Grenzen überschreitet.

Wir und der Hundemann

Wenn Luc Besson als Regisseur für eine Sache steht, dann ist das vermutlich, nicht die dezenteste Arbeit zu machen; schrille Designs, bunte Farben, Schießereien. Und auch sein neuester Film, DogMan, ist da keine Ausnahme. Intensive Nahaufnahmen, von Farben oder Schattierungen stark texturierte Bilder und harte Schnitte. Rein inszenatorisch fühlt sich DogMan an wie ein Actionfilm aus dem Lehrbuch, ständig auf Spannung, ständig unter Strom. In manchen Momenten des Films kommt das wirklich gut zu tragen, einige dramaturgische Höhepunkte profitieren wirklich. In anderen wirkt es aber antiklimaktisch und unpassend. Eine teilweise unpassende Inszenierung ist nicht gut, aber noch kein Todesurteil, wenn es gelungenes Writing gibt, das das Ganze auffangen kann. Allerdings ist gerade das die noch viel größere Baustelle in DogMan.

Mitunter liegt das an den vielen Expositionsdialogen, die entsprechend dem narrativen Konzept des Films zwar irgendwo vorkommen müssen, aber das ganz einfach zu oft tun. Die Figuren erzählen zu viel, zu lang und zu unnatürlich. Grundsätzlich hat der Film einen seltsamen erzählerischen Rhythmus, springt zwischen den Genres hin und her und schafft es ironischerweise nur selten, Spannung zu halten. Dafür erzählen sich die Figuren Dinge zu oft mit einer der Situation völlig unangemessenen Coolness, nur um dann im nächsten Moment regelrecht zusammenzubrechen. Das führt dazu, dass der Film den Zugang zu seinen Figuren erheblich erschwert und viele der emotionalen Momente dadurch überhaupt nicht funktionieren.

Dazu kommt, dass abgesehen von Hauptfigur Douglas sämtliche Nebenfiguren ziemlich blass und eindimensional wirken und in vielen Fällen stark überzeichnet sind. Oft wirken sie sogar wie lästiges Beiwerk. Natürlich kann man argumentieren, dass das aus Douglas‘ pessimistischer und antihumanistischer Sicht nur konsequent ist. Doch es eröffnet sich bei dieser Sichtweise ein anderes Problem. Der Film ist nämlich nicht wirklich aus Douglas‘ Sicht erzählt, sondern wir hören diesem zu, wie er seine Geschichte erzählt. Wir sind quasi mit Evelyn im Raum und erfahren Stück für Stück ausschließlich das, was Douglas selbst über sich preisgibt. Wir wissen stets weniger als Douglas. Es gibt keinen ungefilterten Zugang zu seinen Gedanken. Wir beobachten ihn nur, werden nicht zu ihm und behalten dadurch immer ein gewisses Maß Distanz zu ihm. Wir sind ihm ebenso fremd wie die sonstigen Figuren. Auch für uns ist Douglas weiter der Außenseiter, der merkwürdige Hundemann. Und entsprechend funktioniert es natürlich nicht, wenn der Film einfordert, sich in Douglas‘ Perspektive zu begeben. Was bleibt, ist eine seltsam beobachtende Zwischenposition, in der wir stets auf Distanz zur Hauptfigur gehalten werden, gleichzeitig aber viel zu wenig von den sehr passiven Nebenfiguren mitbekommen, als dass die beobachtende Rolle gut funktionieren würde.

Das beste Werkzeug des Menschen

Das vermutlich größte Problem des ganzen Films ist aber sein grundsätzliches Konzept, mit Hunden umzugehen. Denn diese funktionieren hier derart als Allzweckwerkzeug, dass nicht nur Lassie ihnen neidisch hinterhergucken würde, sondern auch, dass es fast lachhaft ist. Perfekte Orientierung in New York City? Auf jeden Fall! Das Ausführen mehrerer komplexer Handlungsabläufe in unbekannter Umgebung nach nur einem kurzen Befehl? Kein Problem! Eigenständiges und taktisch präzises Ausschalten von bewaffneten Eindringlingen? Na klar! Selbst wenn man es schafft, die eigene Ungläubigkeit dabei stets auszusetzen, sodass man sich nicht an der Schwachsinnigkeit von allem stört, ist das Ganze Gift für die ohnehin schon durchgewirbelte Atmosphäre des Films. Denn musikalisch wie inszenatorisch ist DogMan eigentlich immer ziemlich düster und ernst, wie erwähnt auch gerne mal etwas zu sehr. Leider ist davon aber nicht mehr viel übrig, wenn ein von Douglas durch die halbe Stadt geschickter Hund zwei Nebenfiguren etwas symbolisiert und diese dann in bester Kinderserienmanier „Er will uns etwas sagen“ von sich geben.

Familie und Performanz

Trotz dieser teils erheblichen Probleme in Sachen Writing und Atmosphäre ist DogMan aber nicht völlig unbrauchbar. Neben den vereinzelt wirklich toll inszenierten Momenten sind auch die Themen, die der Film anschneidet, durchaus spannend. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem die Fragen nach Identität und Zugehörigkeit. Aber auch häusliche Gewalt und das Versagen des Sozialstaats werden angeschnitten. Zu den letzteren beiden hat der Film dabei aber nichts Konkretes zu sagen, sondern stellt eigentlich nur fest, dass es diese Probleme gibt und Handlungsbedarf besteht. Mit welcher Systematik sie sich äußern oder was man dagegen tun könnte, bleibt offen.

Konkreter wird es beim Thema Identität. Denn nachdem es durch die schwere Zugänglichkeit zur Hauptfigur einige Zeit so wirkt, als würde Drag zu einem Symptom von Traumabewältigung stilisiert und als Symbol des Außenseitertums genutzt, biegt DogMan in eine allgemeinere und durchaus interessante Diskussion über Performanz ab. Inwiefern gibt es ein performantes und ein wahres Ich? Verstecken wir uns nur hinter dem Bild, das wir nach außen hin abgeben wollen? Und was ist Kultur, wenn nicht nur institutionalisierte Performanz? Ausgehend von den unterschiedlichen Lebenssituationen, in denen sich sein Protagonist bewegt, findet DogMan zwar unterschiedliche Antworten auf diese Fragen, ist insgesamt aber überraschend optimistisch und konstruktivistisch.

Entsprechend passt es auch, dass der Film wie kaum ein anderer dafür einsteht, sich seine eigene Familie zu suchen und sich zur Not von der biologischen loszusagen. Natürlich fehlt es dem Ganzen angesichts der dargestellten familiären Situation ein wenig an Nuance, zumal das Lossagen Douglas zu zwei Dritteln abgenommen wird. Trotzdem beeindruckt DogMan in dieser Hinsicht mit seiner Konsequenz und mit seinen Aussagen dazu, was Familie bedeutet, nämlich Zusammenhalt. Vom philosophischen Kino sind wir dennoch weit entfernt, denn nicht nur wirken die regelmäßig auftauchenden Vergleiche zwischen menschlichem und hündischem Sozialverhalten etwas platt und pseudotiefsinnig, insgesamt will DogMan einfach zu viel Genrefilm sein und lässt seinen Themen zu wenig Luft, um sich frei zu entfalten.

Credits

OT: „DogMan“
Land: Frankreich, USA
Jahr: 2023
Regie: Luc Besson
Drehbuch: Luc Besson
Musik: Éric Serra
Kamera: Colin Wandersman, Adrien Bertolle
Besetzung: Caleb Landry Jones, Jojo T. Gibbs, Christopher Denham, Grace Palma, Marisa Berenson, Michael Garza

Bilder

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DogMan (2023)
fazit
Zwar bietet „DogMan“ einige spannende thematische Ansätze, reiht sich letzten Endes aber ebenfalls in die eher schwache Filmografie Luc Bessons in diesem Jahrtausend ein. Erzählerisch und atmosphärisch zu durcheinander, mitunter wirklich schlecht geschrieben und vor allem sich zu sehr auf ein eher schlecht funktionierendes Gimmick verlassend, kann „DogMan“ nur wenig überzeugen.
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