Talk to Me
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Talk to Me
„Talk to Me“ // Deutschland-Start: 27. Juli 2023 (Kino) // 8. Dezember 2023 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Seit sich Rhea (Alexandria Steffensen), die Mutter von Mia (Sophie Wilde), vor einiger Zeit selbst getötet hat, herrscht zwischen Mia und ihrem Vater Max (Marcus Johnson) eine bedrückte Stimmung. Um ihm und der bedrohlichen Frage – hat sie sich wirklich aus Versehen getötet? – aus dem Weg zu gehen, verbringt sie viel Zeit bei ihrer Freundin Jade (Alexandra Jensen), ihrem jüngeren Bruder Riley (Joe Bird) und der Mutter Sue (Miranda Otto). Mittlerweile sehen sie immer mehr Videos, die viral gehen, in denen Partygäste scheinbar von Geistern besessen sind. Was ist das für ein obskures Spiel? Eines Abends schleichen sich Mia, Jade und ihr jüngerer Bruder aus dem Haus. Auf einer Party ist es dann so weit und Mia sitzt vor einer seltsamen Keramikhand. Sie wird an den Stuhl festgebunden, eine Kerze wird angezündet und Mia sagt die Worte: Talk to me.

Tolle Schauspieler

Mit Talk to Me liefern die Brüder Danny und Michael Philippou, die auf ihrem erfolgreichen YouTube-Kanal RackaRacka bereits einige Horror-Comedy-Videos veröffentlicht haben, ein handwerklich gelungenes Spielfilmdebüt. Der Film findet einen guten Rhythmus zwischen Schockelementen, einer nachvollziehbaren Figurenentwicklung, emotionalen Fragen und mysteriösen Elementen.

Der gesamte Cast harmoniert miteinander, wobei Sophie Wilde hervorzuheben ist, die der Hauptfigur Mia Leben einhaucht und die das Publikum nie verliert. Ein paar vorhersehbare Momente, gerade für erfahrene Horrorfilmfans, die hier ein paar Genre-Versatzstücke finden werden, gibt es zwar schon, diese sorgen aber weniger für Frust als vielmehr für einen positiven Dachte-ich-es-mir-doch-Effekt.

Themenreich

Die Brüder zeichnen ein authentisches Porträt von Freundschaft, Familie und von den Gefahren von Social Media-Trends. Aber auch schwere Themen wie Tod und Sterbehilfe finden Räume in diesem Horrorfilm, der auch mit brachialen und blutigen Szenen nicht geizt. Trotz der Vielfalt entwickeln die Regisseure eine gute Balance, um jedem Thema Raum und Pointen zu geben. Bei dem Familien-Thema sind zum Beispiel die unterschiedlichen Stimmungsbilder spannend. Einmal das Haus des Vaters, auf der anderen Seite das Haus von Sue. Auch der Umgang mit den Freunden untereinander wirkt glaubwürdig und selbst die Figuren, die erst wie typische Antagonisten in einem ebenso typischen Horrorfilm wirken, entpuppen sich dann im Laufe des Films doch als ambivalente Figuren, die interessant geschrieben sind.

Das Thema Sterbehilfe, das unter anderem mit einem angefahrenen Tier visualisiert wird, wird später mit einem ähnlichen Bild weiterformuliert beziehungsweise hier schließen die Regisseure einen Kreis. Das verleiht dem Film eine zusätzliche Struktur. Schaulust. Filmen und hochladen. Klicks und Views generieren. Wenn die Figuren das Phänomen filmen, dann unter anderem ja deshalb, weil es etwas Besonderes ist. Gleichzeitig ist es ein interessanter Punkt, dass mit jeder Party weitere Geisteranrufungen gefilmt werden und so aus dem Besonderen allmählich etwas werden könnte, an das die Figuren sich wieder gewöhnen könnten. Das alleine bietet sicher schon Stoff für Diskussionen.

Auf dem Beifahrersitz

Man merkt dem Horrorfilm an, dass dahinter ein Team steckt, das nicht daran interessiert war, dem Publikum die nächste ideenarme Aneinanderreihung von Jumpscares, klischeehaften Dialogen und „Der Spiegel klappt zu und da steht plötzlich jemand“-Momenten vor die Füße zu werfen. Man merkt dem Werk eine Idee an, denn er schreitet fokussiert auf sein Finale zu. Am Wegesrand findet er gute Pointen – oder Räume für Interpretationen.

Nachdem die Protagonistin das Ritual das erste Mal hinter sich gebracht hat, gibt es eine Szene, in der sie erzählt, wie sie sich bei dem Ritual gefühlt hat. Spannend ist, dass es ihr keine Angst gemacht hat. Sie hat sich gut gefühlt und wie auf dem Beifahrersitz ihres Lebens sitzend. Sie war nicht Herrin ihrer Lage, konnte die Verantwortung für ihr Leben für einen Moment zur Seite legen. Es klingt vielleicht weit hergeholt, aber in gewisser Weise geht es dem Publikum im Kino ähnlich, dass eine Weile nur dasitzt, während die noch fremden Figuren allmählich ihre Geschichte erzählen.

Überzeichnung

Es gibt da eine zugleich befremdliche wie geniale Szene, in der dieses Ritual in einer Montage gezeigt wird. Jeder sagt mal „Talk to me“, jeder darf mal die Geister sehen, sie auf den Fahrersitz lassen. Als wäre die Keramikhand ein Joint, der herumgereicht wird. Diese Szene untermalt die Überzeichnung.

Man könnte ja sagen, warum läuft keiner davon, nachdem er das Ritual begonnen hat und schaurige Manifestationen sieht? Stets sind Handykameras auf das skurrile Ereignis gerichtet. Am Anfang glauben sie noch, dass es sich nur um ein Fake handelt, als sie Videoaufnahmen von der Party-Beschwörung sehen. Das heißt, bis zu einem gewissen Punkt trennen die Figuren noch das Übernatürliche und die Realität, stellen die Echtheit der Videos in Frage. Doch nach der Konfrontation, dem ersten Schockmoment, wenn man selbst erkennt, dass es echt ist, ist man Teil dessen geworden.

Gerade im Prolog ist das Video-Drehen auf die Spitze getrieben, wenn wirklich niemand Hilfe anbietet, alle wie Schaulustige filmen und erst bei der brachialen Gewalt, die wenig später einsetzt, sich davon lösen können.

Die Keramikhand

Der Mythos selbst kommt dabei etwas zu kurz, das Geheimnis bleibt zu verschlossen, zu oberflächlich. Mit der „Der Freund eines Freundes kennt jemanden…“-Formel wird eine Hintergrundgeschichte vielleicht etwas zu genrekonventionell abgefrühstückt und zu einer klassischen Urban Legend. Zwar gibt es ein paar Anhaltspunkte, aber hier wären etwas mehr Informationen bestimmt spannend gewesen.

Wenn man diesen Punkt weiterdenkt, fallen auch ein paar Fragen auf: Warum googelt keiner das Phänomen? Warum versucht nie jemand die Keramikhand zu zerbrechen, um den Bann dadurch möglicherweise zu brechen? An dieser Stelle könnte man zurecht einwerfen: Warum sollte man das Geheimnisvolle hier überhaupt entzaubern? Guter Punkt. Tatsächlich werden diese Fragen auch durchgewunken, da man viel zu sehr im Sog des Horrorfilms ist.

Trotzdem gab es noch einen Anhaltspunkt, der vielleicht eine Szene wert gewesen wäre: Die Oberfläche der Hand. Was steht da eigentlich alles drauf? Hätte ihnen davon noch etwas helfen können? Zwar ist die Geschichte abgeschlossen, aber eine Fortsetzung könnte hier bestimmt eine spannende neue Perspektive auf die Keramikhand werfen.

Credits

OT: „Talk to Me“
Jahr: 2022
Land: Australien
Regie: Danny Philippou, Michael Philippou
Drehbuch: Bill Hinzman, Daley Pearson, Danny Philippou
Musik: Cornel Wilczek
Kamera: Aaron McLisky
Besetzung: Sophie Wilde, Joe Bird, Alexandra Jensen, Otis Dhanji, Miranda Otto, Marucs Johnson, Alexandria Steffensen, Zoe Terakes, Chris Alosio, Ari McCarthy

Bilder

Trailer

Filmfeste

Sundance Film Festival 2023
Berlinale 2023
Fantasy Filmfest Nights 2023
Transit Filmfest 2023

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Talk to Me
fazit
„Talk to Me“ ist das gelungene Spielfilmdebüt der Philippou-Brüder und im Genre Mystery-Horror verortet. Der Film findet eine gute Balance zwischen Figurenentwicklung und Schockelementen. Wenn man ein paar offene Fragen und Logik-Holpersteine hinwegsieht, ist das hier ein unterhaltsames Werk geworden, in dem viel Kreativität steckt und man darf auf weitere Filme der Regisseure gespannt sein.
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