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Friederike Kempter in der Science-Fiction-Komödie "Tender Hearts" (© Sky Deutschland/Odeon Fiction/Nik Konietzny)

Friederike Kempter [Interview]

Tender Hearts spielt in einer Zukunft, in der Beziehungen zwischen Menschen und Maschinen möglich sind. Dennoch handelt es sich um eine recht neue Entwicklung, die immer noch auf viel Argwohn, Skepsis und Unverständnis stößt. Mitten in dieser Welt lebt die Spieleprogrammiererin, gespielt von Friederike Kempter. Nach einer unschönen Trennung ist sie wieder Single und scheint keinen intimen Zugang zu anderen Menschen mehr zu finden. Als sie auf die Werbung des Unternehmens Tender Hearts stößt, das so genannte Lovedroids anbietet, weckt das ihre Neugier. Nach einigem Zögern entscheidet sie sich für das Modell Friendly Bo. Wir haben uns zum Start der Serie am 6. April 2023 auf Sky Q, Sky und dem Streamingdienst WOW mit der Schauspielerin über Vergangenheit und Zukunft unterhalten.

Du hast im Alter von zwölf Jahren eine Dankesrede für die Oscars geschrieben. War das ambitioniert oder naiv?

(lacht) Das war natürlich naiv.

Hast du dir denn noch so viel Naivität bewahrt, um Hollywood weiterhin ins Auge zu fassen?

Nein, so naiv bin ich nicht. Beziehungsweise ist ja alles so zusammengerückt, wer weiß was kommt. Aber bei mir steht jetzt nicht Hollywood im Vordergrund. Bei mir steht im Vordergrund, dass ich schöne Rollen in guten Geschichten spielen kann. Das ist mein hoffentlich nicht naives Ziel. Ob das jetzt in Hollywood oder Castrop-Rauxel gedreht wird, ist mir nicht so wichtig.

Und wenn Quentin Tarantino vor der Tür steht und Inglorious Bitchez mit dir drehen möchte?

Dann würde ich erst in Ohnmacht fallen. Und danach würde ich sagen: „Ja, ich will.“ Ich liebe Quentin Tarantino.

Nach ein paar besuchten Vorlesungen in Geschichte hast du das Studium zugunsten der Schauspielerei abgebrochen. Tender Hearts hat ein futuristisches Setting. Was interessiert dich persönlich eigentlich mehr: die Vergangenheit oder die Zukunft?

Gute Frage. (überlegt) Ich bin immer noch total geschichtsaffin, ich finde das auch immer noch total wichtig. Aus der Geschichte zu lernen, heißt für die Zukunft zu lernen. Aber gerade beschäftigt mich die Zukunft dann doch mehr. Nicht in einer guten Art und Weise, sondern eher in der Angst vor einer Klimakrise und auch in dem Nichtwissen, wo das alles hinführt und wo das alles enden soll.

Lass uns kurz die Vergangenheit mit der Gegenwart verbinden. Auf die Frage nach Rollen, die du nicht spielen möchtest, hast du einmal gesagt: „Alle plumpen, oberflächlichen und stereotypen Frauenrollen in unoriginellen Geschichten: Mädchen sucht Traumprinz.“ Natürlich trifft diese Beschreibung so nicht auf Tender Hearts zu, aber im Kern liegt hier durchaus eine Mädchen-sucht-Traumprinz-Geschichte vor. Was ge-

(unterbricht enthusiastisch) Nein! Gar nicht! Es ist eine Liebesgeschichte. Aber Liebesgeschichte bedeutet ja nicht „Mädchen sucht Traumprinz“. Ich finde, es ist eine Liebesgeschichte einer Frau – die ja wie ich auch kein Mädchen mehr ist, sondern über 40 –, die ein gebrochenes Herz hat und darunter leidet. Sie sucht nach ihrem Glück und damit ist es vor allem eine Geschichte von Selbstermächtigung. Ich finde, es hat eine sehr feministische Sicht auf eine Liebesgeschichte. Eben nicht: „Ich bin das Mädchen und warte, dass der Traumprinz auf dem weißen Pferd vorbeigeritten kommt und mich glücklich macht.“

Dann hatte ich die Aussage „Mädchen sucht Traumprinz“ wohl falsch verstanden. Mila möchte doch jemanden, mit dem sie ihr Leben verbringen kann. Sie hat ja kein Interesse an kleineren Abenteuern, sondern sucht etwas Festes.

Hm. Ja. Aber sie bestellt sich Bo, der ja eine KI ist, nicht unbedingt weil sie eine feste Beziehung möchte, sondern vor allem aus Neugier und weil sie sich sicher sein kann, durch ihn nicht verletzt zu werden.

Dann haben wir das semantische Missverständnis geklärt. Die Frage wäre gewesen: Was genau hat die Serie für dich über diese Prämisse hinaus interessant gemacht? Aber im Prinzip hast du das ja nun beantwortet.

Ja, aber da gab es noch viele weitere Punkte. Die Serie ist wirklich sehr vielschichtig. Es geht ja auch darum, das Wesen der Liebe zu beschreiben. Also: Was ist das denn überhaupt, wenn wir uns verlieben? Ist das alles nur Projektion? Sie verliebt sich in eine Maschine, geht das, funktioniert das? Das fand ich ein total interessantes Gedankenspiel. Was passiert denn dann? Das Umfeld ist total vor den Kopf gestoßen – wäre ich tatsächlich auch. Ich fände es auch komisch, wenn eine Freundin sagen würde: „So, hier ist eine Maschine, das ist mein Boyfriend.“ Da würde ich auch sagen: „Ach du Arme, das tut mir ja leid. Findest du keinen Menschen für dich?“  Es gibt viele Aspekte an der Serie, die ich tatsächlich spannend finde.

In deinem Spiel bist du generell angstfrei und im besten Sinne des Wortes schamlos. Gab es bei Tender Hearts vielleicht dennoch Szenen, die dich vor größere oder kleinere Schwierigkeiten gestellt haben?

Ja, total. Die Sex-, Intim- und Liebesszenen waren für mich schwierig. Dazu muss ich sagen, dass ich kurz davor mein zweites Kind bekomme habe. Da will man eh nicht nackig vor die Kamera. Ich musste für die Rolle zu Castings gehen, und nach zwei, drei Runden stand immer mehr im Raum, dass es vielleicht klappt. Da habe ich bereits zu der Regisseurin gesagt: „Du, ich habe ein riesiges Problem mit diesen Liebes- und Sexzsenen. Wenn es klappt, müssen wir da echt einen guten Weg finden.“

Das sind die künstlerischen Herausforderungen. Wie sah es mit den körperlichen aus? Deine Figur trägt eine Orthese am linken Bein.

Das war tatsächlich beim Drehen manchmal mühsam. Die schmerzt, die drückt, die saß manchmal nicht so richtig gut. Ich habe mich im Vorfeld mit Frauen getroffen, die im wirklichen Leben gelähmte Beine haben, aber mithilfe dieser Orthese gehen können, diese Technologie gibt es ja bereits.  Die haben mir auch erzählt, dass es bei gelähmten Beinen noch schwieriger ist, weil Druckstellen nicht bemerkt werden und zum Teil heftige Entzündungen entstehen können. Jeden Drehtag diese Orthese zu tragen – ich habe manchmal schon richtig geflucht.

Wie lange hat es nach Drehschluss gedauert, bis du dich wieder an den orthesenfreien Gang gewöhnt hattest?

(lacht) Ja, das ist witzig. Wir haben uns die Serie letztens noch einmal mit den Kollegen angeschaut, danach habe ich gemerkt, wie ich automatisch wieder gehumpelt bin. Nach dem Dreh konnte ich diesen leicht humpelnden Gang relativ schnell wieder ablegen, aber er hat mich schon ein bisschen begleitet.

In der SWR-Dokureihe Friederike klopft an triffst du Frauen, die sich trotz widriger Umstände nicht davon abbringen lassen, den von ihnen eingeschlagenen Lebensweg zu gehen. Wenn du Mila im Rahmen dieses Formates besuchen würdest, was sollte der Beitrag idealerweise beinhalten, damit du das Gefühl hättest, der Zuschauer könne sich ein umfassendes Bild über Mila und ihre Situation machen?

(lacht) Das ist cool. Ich glaube, wenn ich Mila besuchen würde, fände ich es gut von ihr zu erfahren, was sie in ihrem Beruf macht. Also zu zeigen, welchen Widrigkeiten sie sich entgegenstellt in einer jetzt noch sehr männerdominierten Branche, dem Gamedesign. Das fände ich total interessant. Dann würde ich auch gerne von ihr wissen, wie sie das mit ihrer körperlichen Einschränkung gemacht hat. Allerdings fand ich es ganz schön, dass wir das in der Serie en passant erzählen, es wird nicht groß thematisiert. Wir sehen es und es ist einfach so. Aber wenn ich sie besuchen würde, würde es mich schon interessieren, dass sie mir ein bisschen was davon erzählt, auch davon, wie sie das überwunden und in ihren Alltag integriert hat. Es ist ja nun einmal eine Behinderung. Und dann fände ich es natürlich superspannend, wenn sie mir erzählt wie sie mit ihrem Roboterfreund unterwegs ist.

Zu guter Letzt: Welche Frage wolltest du schon immer beantworten, die dir jedoch nie gestellt wurde?

(lacht) Das ist ja super. Ähm … warte mal. (überlegt) Das ist ja eine super Frage. (überlegt) Aber ich merke gerade: Eigentlich stelle ich lieber Fragen, anstatt Antworten zu geben.

Zur Person
Friederike Kempter wurde 1979 in Freudental geboren. Ihr angefangenes Geschichtsstudium brach sie alsbald zugunsten einer Schauspielausbildung ab. Sie agierte lange im Ermittlerteam des  Tatort Münster (2002-2020), und glänzte an der Seite von Anke Engelke in Ladykracher (2008-2012). Eine weitere Hauptrolle übernahm sie sie in der ARD-Vorabendserie Heiter bis tödlich: Hauptstadtrevier (2012-2014). Für ihre Nebenrolle in Oh Boy wurde sie für den Deutschen Filmpreis nominiert.



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