M Night Shyamalan Knock at the Cabin Interview
M. Night Shyamalan bei der Deutschland-Premiere von "Knock at the Cabin" (©2023 Universal Pictures/Kurt Krieger)

M. Night Shyamalan [Interview 2023]

Stell dir vor, du willst mit deiner Familie nur ein schönes Wochenende in einer Waldhütte verbringen, als auf einmal vier Fremde auftauchen und vom drohenden Weltuntergang sprechen – und nur du kannst diesen noch aufhalten. Wie würdest du reagieren? Wie weit würdest du gehen? Von eben diesem Szenario erzählt M. Night Shyamalan in seinem neuen Film Knock at the Cabin, der auf dem Roman Das Haus am Ende der Welt des Autors Paul G. Tremblay basiert. Anlässlich des Kinostarts am 9. Februar 2023 hatten wir die Gelegenheit, uns mit dem Regisseur zu treffen. Im Interview sprechen wir über die Arbeit an dem Horrorfilm, das Ende der Welt und persönliche Opfer.

 

Dein Film unterscheidet sich von der Buchvorlage dadurch, dass eines der Familienmitglieder, die im Buch umgebracht werden, im Film nicht getötet wird. Liegt der Grund dafür in den Konventionen Hollywoods oder gab es andere Gründe, um die Geschichte zu ändern?

Als mir das Drehbuch vorgelegt wurde, sollte ich den Film zunächst nur produzieren. Ich hatte den Roman noch gar nicht gelesen. Die Ausgangssituation des Films ist die einer Familie, die eine Entscheidung treffen muss. Der angesprochene Vorfall aus dem Roman hat nichts mit der äußerst emotionalen Ausgangssituation im Film zu tun, deswegen wollte ich ihn auf keinen Fall im Film haben. Wichtig ist in erster Linie, dass die Familie eine Entscheidung trifft – ganz egal, welche. Also sagte ich, dass ich den Film so nicht machen kann und sie versuchten ihn, ohne mich zu machen. Als das nicht klappte, kamen sie auf mich zurück und ich sagte, ich würde ihn sehr gerne machen wollen. Ich liebe die Ausgangssituation! Egal, wie man daran herangeht, der fertige Film wird auf jeden Fall unglaublich düster werden. Also habe ich selbst ein Drehbuch geschrieben. Ich habe Paul G. Tremblay angerufen, den Autor des Romans, und ihm erzählt, was in meinem Drehbuch die Ausgangslage der Geschichte sein würde. Er sagte: „Genau das gleiche wollte ich auch machen, aber dann wurde Trump gewählt und ich war einfach tief deprimiert.“

Der Grund für meine Entscheidung waren also ganz bestimmt nicht irgendwelche Hollywood-Konventionen. Ich bezahle meine Filme selbst und töte darin Figuren, so wie ich es will, ganz entgegen den Konventionen! Mir gefällt es, das Publikum aus der Komfortzone hinauszuschubsen. Ich glaube sogar, dass die Leute deswegen meine Filme anschauen – weil sie nicht wissen, was passieren wird und weil sie sich nicht sicher fühlen, im besten Sinn! Sie wissen außerdem, dass die kreativen Entscheidungen bei mir nicht nur für Geld gefällt werden.

Beeinflusst es dich beim Filmemachen, dass immer noch ein großer Teil des Publikums von deinen Filmen haarsträubende Wendungen und ein überraschendes Ende erwartet? Oder ist dir das egal?

Das tolle an der engen Verbindung des Publikums zu mir und meinem Werk ist, dass das mit einem Film entstanden ist, den ich selbst geschrieben habe. The Sixth Sense basierte nicht auf einem Roman, der einen bestimmten Stil hatte und auf den ich dann bei meinem nächsten Film wohl schon keine Lust mehr gehabt hätte. Was ich dem Publikum verkaufe, ist Mystery. Dieses Genre bringt es mit sich, dass man am Ende eine befriedigende Antwort erhält, zum Beispiel darauf, wer jemanden umgebracht hat.

Wie du schon sagtest, ist Knock at the Cabin ein düsterer Film. Man könnte behaupten, dass wir momentan in düsteren Zeiten leben. Glaubst du also, dass zurzeit eine besondere Nachfrage nach dieser Art von Geschichten besteht oder sind sie im Gegenteil sogar etwas abschreckend, weil man ja schon in der Realität manchmal das Gefühl hat, dass das Ende der Welt bevorsteht?

Nun, dieses Genre ist deswegen beliebt, weil wir damit unsere eigenen Ängste verarbeiten können. Ganz ähnlich ist es mit Alpträumen, die ebenfalls dazu dienen, dass wir uns mit Ängsten auseinandersetzen, um im realen Alltag besser auf entsprechende Situationen vorbereitet zu sein. Auch auf Genrefilme wie diesen trifft das zu: Wir fühlen uns zu ihnen hingezogen und wollen uns unserer Angst stellen. Weil es nur ein Film ist, wissen die Leute natürlich, dass sie nicht in Gefahr sind.  Man kann sich also seinen Ängsten stellen und am Ende doch heil herauskommen.

Ich selbst neige dazu, die Dinge positiv zu sehen. Sogar all die schlimmen Dinge, die gerade in der Welt passieren. Ob das nun die Antwort der Ukraine auf den russischen Angriff ist oder Mädchen, die im Iran protestieren. Die Zeiten ändern sich offenbar! Ich neige dazu, die Schönheit in den Dingen zu sehen. Es wird immer Dunkelheit und Verlust geben, so ist das Leben. Genrefilme liegen mir auch deshalb so sehr, weil ich allgemein ein optimistischer Typ bin, noch dazu sehr sentimental. Und ich glaube wirklich an jeden! Die düsteren Aspekte meiner Filme balancieren das aus, genauso wie es auch im Leben eine Balance gibt. In jeder Schönheit liegt Dunkelheit, und in der Dunkelheit liegt wieder Schönheit.

Genau an dem Tag, an dem ich Knock at the Cabin gesehen habe, wurde die Weltuntergangsuhr auf 90 Sekunden vor Mitternacht vorgestellt. Im Film sind alle den Entscheidungen von drei Personen ausgeliefert, die den Weltuntergang verhindern müssen, so wie wir alle den Entscheidungen von anderen Leuten ausgeliefert sind. Hast du manchmal Angst davor, dass diese Leute die falschen Entscheidungen treffen?

Klar, die Uhr mag vorgestellt worden sein und wir mögen schneller auf den Abgrund zurasen, aber ich sehe auch das positiv, weil sich auch die Veränderungen von Generation zu Generation beschleunigt haben. Was früher 25 Jahre gedauert hat, passiert nun in fünf Jahren. Man denke nur an Smartphones. Einerseits hasse ich die Dinger, andererseits haben sie aber auch die Art und Weise beschleunigt, wie wir neues Gedankengut annehmen. Konservative Kreise geraten in Panik, weil Veränderungen in unglaublicher Geschwindigkeit geschehen. Es scheint geradezu obszön, wie schnell sich Moralvorstellungen verändern. Die Konservativen machen ein Zugeständnis und haben noch nicht einmal die Gelegenheit, sich daran zu gewöhnen, bevor sie schon fünf weitere Zugeständnisse machen müssen. Wir müssen also immer schneller dazulernen. Meine Kinder denken über viele Dinge schon ganz anders als ich. Manche Dinge, von denen Ältere verwirrt sind, stellen sie überhaupt nicht mehr infrage.

Suspense ist ein Element, das sich durch alle deine Filme zieht. Gehst du dabei heute anders vor, wenn du Regie führst und dir deine Einstellungen überlegst, als noch in den Neunzigern?

Ich bin eine ganze Weile nicht gereist wegen der Pandemie. Wenn ich jetzt auf Filmpremieren am roten Teppich interviewt werde, dann nicht mehr von der New York Times, sondern von Influencern im Teenageralter. Die zittern vor Aufregung und erzählen mir dann, dass sie gestern zum ersten Mal Signs – Zeichen oder irgendeinen anderen „alten“ Film von mir gesehen haben, der vielleicht erschienen ist, bevor sie geboren wurden. Sie spüren, dass da jemand dahinterstand, der sich um die Integrität des Werks Gedanken gemacht hat.

Die Lieblingsfilme meiner eigenen Kinder sind der erste Jurassic Park, Der weiße Hai– die gleichen Filme, die ich auch liebe! Und sie erkennen, wenn so etwas ohne Integrität gemacht wird. Das ist dann für sie wie gehaltlose Süßigkeiten, die man natürlich auch ab und zu essen wollen kann. Aber sie erkennen den Unterschied zwischen so etwas und einem Film, der einem wirklich neue Erfahrungen und Einsichten bringt. Ich hoffe also, dass viele meiner Prinzipien gleichbleiben.

An noch eine Sache musste ich bei der Frage sofort denken: Filme sind strukturell im Großen und Ganzen in drei Akten aufgebaut. Im ersten Akt erklärt man die Ausgangssituation. Dieser Teil muss meiner Meinung nach heute kürzer sein, weil sich die Fähigkeit des Publikums verringert hat, zu warten bis der Film richtig losgeht. Die Leute haben weniger Geduld. Deshalb suche ich inzwischen nach Stoffen, bei denen die Geschichte früh in Fahrt kommt. Das war bei Knock at the Cabin von vornherein kein Problem. Schon in den ersten Sekunden wird man hier in den Film hineingezogen, als ein riesiger Typ auf ein kleines Mädchen zukommt und sie ihn fragt, warum er hier ist. Damit hat man den Ausgangspunkt der Handlung. Wirklich in Worte gefasst wird sie glaube ich im Film nach 17 Minuten, aber früher hatte ich in meinen Filmen viel mehr Zeit, um das Publikum dort hinzuführen. Das ist also das einzige, das mir einfällt, was sich wirklich verändert hat.

Ich verlasse mich immer auf die Fähigkeiten junger Menschen, eine neue Sprache oder irgendetwas anderes zu lernen. Bei ihnen kann man am leichtesten etwas verändern. Wir Älteren tun uns viel schwerer, etwas Neues zu lernen. Es sind also nicht die Kinder, die am meisten Schwierigkeiten damit haben, wenn ich ihnen etwas Neues vorsetze, sondern wir Erwachsenen!

Knock at the Cabin
Eric (Ben Aldridge), Andrew (Jonathan Groff) und ihre Tochter Wen (Kristen Cui) erleben in „Knock at the Cabin“ den schlimmsten Tag ihres Lebens. (© Universal Pictures)

Wie wichtig war dir denn beim Erzählen der Geschichte, dass das Mädchen zwei Väter hat und es sich nicht um eine traditionelle Familie handelt?

Das hört sich jetzt vielleicht sehr nach Hollywood an, aber für mich war das gar nicht so besonders wichtig. Darum geht es in der Geschichte nicht. Es soll kein Vortrag sein oder so. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden Männern hat mich allerdings schon beim Schreiben besonders bewegt. Ihre Liebe war eines der Elemente, die so nicht im Buch vorkamen und die ich hervorheben wollte. Wenn die beiden Männer gemeinsam eine schwierige Szene drehen mussten, dann mussten sie mich danach immer trösten! Aus irgendeinem Grund sprach mich die Liebe zwischen diesen Figuren stärker an als solche Dinge, zu denen ich eine direkte Verbindung hatte. Vielleicht habe ich gerade dadurch etwas über Liebe und meine eigenen Gefühle für meine Frau gelernt, weil ich hier zwei Männer gesehen habe, die ihre Gefühle füreinander ausdrücken. Ich hoffe, dass es den Zuschauern ähnlich gehen wird. Es könnte ein polarisierendes Element sein, aber so ist der Film nicht aufgebaut.

Am Ende des Films habe ich mich gefragt, warum es wohl einfacher ist, sich für eine einzelne Person zu opfern, statt für sieben Milliarden Menschen. Wie denkst du darüber?

Wir müssen jetzt natürlich so darüber sprechen, dass wir nichts über das Ende des Films verraten… Vielleicht sind wir Menschen einfach egoistisch. Sobald wir eine Familie haben, erweitert dies, wie wir unser Selbst definieren. Aus einem Ich wird dann ein Wir, aber das war es dann auch. Wenn man also darum gebeten wird, für jemanden außerhalb dieses Kreises ein Opfer zu bringen, dann funktioniert das nicht. Für meine Töchter aber würde ich zum Beispiel alles tun, um ihr ein glückliches Leben zu ermöglichen. Aber wenn man in einem „Wir gegen die anderen“-Schema denkt, dann kommt so etwas gar nicht infrage.

Es ist sehr schwierig sich entweder auf die Seite der Familie oder die des Rests der Welt zu schlagen. Ist die Aussage des Films denn, dass man die Welt nicht retten kann, ohne persönliche, individuelle Opfer zu bringen?

Sind wir biologisch dieser einen Definition von Familie verpflichtet, weil das unserer Spezies zugutekommt? Hört unser biologischer Instinkt dort dann auch auf? Aber genau dieses Denken hat uns dahin gebracht, dass wir nun vor dem Abgrund am Ende der Welt stehen – wenn man das Meiste von allem will und sich nur um seine eigene kleine Gruppe sorgt. Vor tausenden Jahren wurden die Mythologien der großen Religionen entwickelt, denen zufolge das Individuum das Abbild Gottes ist. Zuvor beteten wir die Erde, die Sonne und den Mond an, das war zwar primitiv. Aber nun stehen wir tausende Jahre später hier und werden keine weiteren hundert Jahre durchhalten, wenn wir uns nicht ändern. Da muss sich also sehr schnell einiges an unserer Einstellung ändern und an dem ganzen Narrativ, das ich gerade versucht habe zu erklären.

Was mich anzieht, ist nicht die Mythologie oder auch nicht die Religion, die ich nur für eine weitere Mythologie halte. Mich fasziniert, wie jede einzelne Figur in meinen Filmen erkennt, dass sie Bedeutung hat. Das Publikum mag es glaube ich auch, das zu fühlen. Sich bedeutend zu fühlen, ist ein großartiges Gefühl! Denn ich glaube, dass Menschen schlechte Entscheidungen treffen, wenn sie sich nicht wichtig fühlen oder glauben, dass sie keinen Einfluss haben können. Wenn man sich verantwortlich oder mächtig fühlt, dann ist man vorsichtig bei dem, was man tut.

Knock at the Cabin
Don’t Shoot the Messenger: Sabrina (Nikki Amuka-Bird), Adriane (Abby Quinn), Redmond (Rupert Grint) und Leonard (Dave Bautista) kündigen das Ende der Welt an. (© Universal Pictures)

Kannst du uns etwas zur Besetzung des Films erzählen? The Visit war ein kleiner Film, bei dem du Theaterschauspieler eingesetzt hast, und Glass musstest du natürlich mit den Stars der vorhergehenden Filme besetzen. Aber wie war es bei Old und Knock at the Cabin? Entscheidest du erst aufgrund des Budgets, ob du bekannte Darsteller einsetzt, oder hast du schon nach Fertigstellung des Drehbuchs eine Besetzung im Kopf?

Ich mache inzwischen kleinere Filme. Wer auch immer dabei mitmachen und finanziell profitieren möchte, sofern wir Gewinn machen, der darf dabei sein. Was ich dabei biete, ist eine erfüllende künstlerische Erfahrung, aber finanziellen Gewinn kann nicht garantieren. Das ist nicht für jeden das Richtige. Ich bezahle sogar für die Produktion, also müssen wir unseren Job richtig machen, um Gewinn zu machen. Ich sitze nicht in meinem Trailer – ich esse auf dem Set mit den anderen zu Mittag. Wir alle sind da, um einen Film zu machen. Wer immer bereit ist, dieses Risiko einzugehen, ist willkommen.

Zwei Gruppen von Leuten kommen für diese Art des Geschichtenerzählens in Frage: Diejenigen, die an das glauben, was ich zu sagen habe – wie etwas Dave Bautista. Er hätte gewiss auch an anderen Projekten arbeiten können, hatte aber sein Leben lang auf so eine Gelegenheit gewartet. Er war bereit, alles zu riskieren und weiß genau, was er vom Leben will. Die andere Gruppe sind Newcomer. Leute, denen man eine Chance geben kann, sowohl vor als auch hinter der Kamera. Zum Beispiel unsere Komponistin Herdís Stefánsdóttir. Sie kommt aus Island und hat noch nie an einem Film gearbeitet. Ich hatte die wunderbare Musik gehört, die sie für eine kleine Fernsehserie gemacht hatte und wollte ihr eine Chance geben. Solchen Leuten ist bewusst, wie glücklich wir uns schätzen können, eine Geschichte erzählen zu können. Ich möchte, dass alle in der Crew und im Cast so denken und nicht zu festgefahren in ihren Denkweisen sind.

Die Art wie ich Filme mache, zieht also meistens die richtigen Leute an. Am wichtigsten sind mir ein gesundes Umfeld und eine konstruktive Arbeitsatmosphäre. Es geht also nicht nur darum, ob jemand der richtige Schauspieler für eine Rolle ist.

Zu Beginn des Films klingt all das Reden vom Ende der Welt noch wie eine verrückte Verschwörungstheorie. Wie schwierig ist es denn in diesen Zeiten zu unterscheiden, was Fake News sind und was nicht, was real ist und was nicht?

Genau das hat mir an der Ausgangssituation der Geschichte gefallen. Es ist gut möglich, dass vier Leute sich irgendetwas ausgedacht haben und daran glauben. Ganz egal, worum es geht, man könnte für alles Mögliche vier Personen finden, die daran glauben – wie verrückt es auch ist. Dass Frösche Götter sind, die wir anbeten müssen, zum Beispiel, oder was auch immer. Es ist interessant, wie leicht wir uns heute in so etwas verlieren können. Ich erinnere mich, wie eine Freundin meiner Tochter vor ein paar Jahren erwähnte, dass die Erde flach sei. Sie hatte das irgendwo mitbekommen und hielt es für glaubwürdig. Wir leben in einer beängstigenden Zeit und genau darin liegt der düstere Humor des Films.

Veränderungen finden überall statt, auch im Filmgeschäft. Viele haben Angst, dass sich die Dinge dort nicht zum Besseren ändern und die Entwicklungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Ich habe hart gegen die Dinge gekämpft, die in letzter Zeit passiert sind. Ich glaube, da sind zwei Dinge zusammengekommen: Die Filmstudios sind im Besitz großer Konzerne, die vorgeben wollen, wie wir als Konsumenten ihre Inhalte von nun an zu konsumieren haben. Sie dachten eine Weile alle, jeder von ihnen würde seinen eigenen Streamingdienst haben und drängten in diese Richtung. Dazu kam dann die Pandemie, die das alles extrem begünstigt hat. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Erfahrung, in einem Kinosaal zu sitzen, eine ganz andere Kunstform ist. Genau das ist die wichtigste Art, diese Geschichten zu erleben: gemeinsam mit anderen Zuschauern, mit dem besten Ton und ohne die Möglichkeit, nebenbei andere Dinge zu tun. Man verlässt sein Zuhause, bezahlt Eintritt und lässt sich ganz auf den Film ein.

Bei Sportveranstaltungen und Konzerten ist es genauso. Die werden wir auch immer gemeinsam mit anderen Menschen erleben wollen – und eben auch Filme. Meiner Meinung nach beging die Filmindustrie in den letzten drei Jahren Selbstmord, auch wenn sie es Mord nannten und die Schuld anderen gaben.

Und dann hat Tom Cruise mit Top Gun: Maverick die Welt gerettet?

Auf jeden Fall hat er sich nicht benutzen lassen. Warum hat man Leute wie ihn, Quentin Tarantino, Christopher Nolan und auch mich überhaupt versucht zu zwingen, Teil dieser Entwicklung zu sein? Wenn die Studios daran glauben, dass das Ende des Kinos unvermeidlich ist, dann sollen sie doch ihr Ding durchziehen und uns alleine im Kino sterben lassen. Aber sie versuchen sogar aktiv, das Kino und die Kinoerfahrung zu zerstören. Das wird nie funktionieren, sie verletzen sich nur selbst. Aber wenn man das Kino mit Respekt behandelt, dann gewinnen am Ende alle.

Kannst du etwas darüber sagen, warum du bei diesem Film zwei Kameramänner eingesetzt hast?

Das hatte viel mit dem Zeitplan zu tun. Beide sind großartig! Ich hatte vorher mit ihnen bei Servant zusammengearbeitet und kannte sie also bereits. Jarin Blaschke ist ein richtiges Genie. Er hat die meisten der Innenaufnahmen in der Hütte gemacht. Dabei hat er in der Hütte kein Licht verwendet, außer der kleinen Lampe, die eben darinsteht. Das meiste Licht kam also von Scheinwerfern von außen durch die Fenster und die Tür. Außerhalb der Hütte war es deswegen weit über 40 Grad heiß. Jede Einstellung musste erst lange ausgeleuchtet werden und die Arbeitsbedingungen waren äußerst mühsam. Wir haben auf Film gedreht, sehr alte Linsen verwendet und das Endergebnis ist besonders natürlich. Das Licht ist sehr weich und schön.

Im Gegensatz zum natürlichen wirkenden Licht ist der Ton des Films wirkt der Ton extrem realistisch und bedrohlich.

Mit den Sounddesignern haben wir viel darüber nachgedacht, wie sich das Haus anhören soll. Das Knarzen in den Wänden, wie sich der Boden anfühlt und so weiter. Oder welche Geräusche von außen hereinkommen. Gedanken über so etwas mache ich mir vor allem seit Old. Beide Filme wurden in Dolby Atmos abgemischt, weswegen ich beim Ton viel dreidimensional gedacht habe. Wenn in einer Einstellung von Old der Ozean auf einer Seite des Bildes liegt, dann hört man im Kino auch das Meeresrauschen auf dieser Seite. Und wenn man eine umgekehrte Einstellung hat, hört man es von der anderen Seite.

Bei Knock at the Cabin ist es genauso: Wenn sich zum Beispiel die Kamera bewegt, bewegen sich auch die Geräusche, die durch die Tür kommen, genau wie all die Geräusche, die die Hütte macht. In einem Film, der auf so engem Raum spielt, trägt der Ton sehr viel zum Erzählen der Geschichte bei. Wir haben zum Beispiel auch viel an der Atmung der Figuren gearbeitet, die in gewisser Weise wie ihre eigene Sprache ist. Bei The Visit habe ich einen ganzen Durchgang des Films gemacht, wo nur geatmet wurde. Wenn ich die Zeit hätte, würde ich das bei jedem Film machen, weil es so wunderbar ist, einfach nur auf die Atmung der Personen achten zu können.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
M. Night Shyamalan wurde 6. August 1970 in Mahé, Indien geboren. Seine Eltern immigrierten in die USA, als er sechs Wochen alt war. Er wollte schon früh Filmemacher werden und studierte später an der University Tisch School of the Arts in New York City. Sein Regiedebüt gab er 1992 mit dem semibiografischen Drama Praying with Anger. Seinen Durchbruch schaffe er 1999 mit dem Horrorfilm The Sixth Sense, der für mehrere Oscars nominiert war und bereits sein Markenzeichen enthielt: ein später Twist. Nach einigen weiteren erfolgreichen Filmen aus dem Mystery-Bereich geriet seine Karriere später ins Straucheln. Mit den selbst finanzierten Filmen The Visit (2015) und Split (2016) feierte er wieder ein Comeback und konzentriert sich seither auf kleinere Titel und Serien.



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