Manuel Rubey Interview Die Gluecksspieler TV Fernsehen Das Erste ARD Mediathek Streaming

Manuel Rubey [Interview]

Die Serie Die Glücksspieler folgt Jasper Lipp (Manuel Rubey), Firat Bozoklu (Eko Fresh) und Ines Schickling (Katharina Schüttler), die von dem exzentrischen Millionär Gottlieb Herzinger (Branko Samarovski) ein ungewöhnliches Angebot erhalten. Wenn sie ein Jahr lang versuchen, aktiv glücklicher zu werden, sollen sie von ihm eine Million Euro erhalten. Zunächst sind die drei skeptisch, lassen sich aber irgendwann doch auf die Geschichte ein. Doch was sich so einfach anhört, stellt sich als ziemlich knifflig heraus. Denn was heißt das eigentlich, Glück? Und wie findet man das? Diese und weitere Fragen haben wir anlässlich der Ausstrahlung am 27. April 2022 im Ersten Hauptdarsteller Manuel Rubey gestellt.

 

Was hat Sie an Die Glücksspieler gereizt? Weshalb wollten Sie in der Serie mitspielen?

Ich fand die Idee in ihrer Schlichtheit interessant. Außerdem reizte mich das Team. Mit einigen von ihnen habe ich vorher schon zusammengearbeitet und es freute mich sie wiederzusehen.

Dann kommen wir auf Ihre Figur zu sprechen. Wer ist Jasper? Wie würden Sie ihn beschreiben?

Jasper ist Mathematiker und eine Person „on the spectrum“, wie man im Englischen sagt für Leute mit autistischen Zügen. Das ist eine Besonderheit, die sich oft gar nicht so genau fassen lässt, weil sie sehr individuell ist. Und das ist natürlich für mich als Schauspieler sehr spannend, einen solchen Menschen spielen zu dürfen, der einem fremd ist in seiner Andersartigkeit. Er hat auf jeden Fall ein großes emotionales Defizit, ist gleichzeitig aber hochintelligent und hat ein fotografisches Gedächtnis.

Wie bereitet man sich als Schauspieler auf eine Figur vor, wenn die einem fremd ist?

Ich habe mir in der Vorbereitung die zwei Staffeln von Love on the Spectrum angeschaut, eine großartige Serie auf Netflix. Das hat mir geholfen, weil Jasper keine ganz einfache Rolle war. Ich hänge normalerweise sehr am Wort. Und dann jemanden zu spielen, der kaum redet und auch keinen Augenkontakt halten kann, das war schon eine Herausforderung.

Jasper erhält zusammen mit zwei anderen das Angebot, dass sie sehr viel Geld bekommen, wenn sie ein Jahr lang versuchen glücklicher zu sein. Das Angebot ist von demjenigen sicher nett gemeint. Aber ist es auch nett oder ist es übergriffig?

Ich glaube, es ist beides. Zum Glück verändert sich das deutschsprachige Fernsehen gerade, sicher auch unter dem Einfluss der Serienwelle aus den USA, dass eine solche Ambivalenz möglich ist. Wir lassen die Menschen ein bisschen mit dieser Entscheidung allein. Auf der einen Seite ist es ein großzügiges Angebot, für das man nicht wahnsinnig viel tun muss. Die drei wissen auch, worauf sie sich einlassen, weil alles vertraglich geregelt ist. Aber es ist eben auch übergriffig, weil sich da jemand erdreistet, in das Leben von sechs Menschen einzugreifen und ihnen sagt, dass sie etwas ändern müssen, um damit sein eigenes Unglück wieder wettzumachen.

Am Anfang der Serie nehmen die Figuren das Angebot zwar an, wollen aber über ihre Probleme nicht reden und behaupten, sie hätten gar keine. Warum fällt es uns so schwer zuzugeben, dass wir unglücklich sind?

Weil wir alle zum Selbstbetrug neigen. Die Gründe können dafür ganz unterschiedlich sein. Manche wollen es sich vielleicht einfach nicht eingestehen, dass da etwas nicht funktioniert. Andere denken sich: Es geht anderen viel schlechter als mir und ich habe gar kein Recht, mich über mein Leben zu beschweren. Außerdem muss es oft einfach weitergehen, mit der Familie und dem Beruf. Da bleibt dann gar nicht die Zeit, sich wirklich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Bis man so weit ist und sagt, dass es einem nicht gut geht, müssen schon einige Hindernisse überwunden werden.

Zumal gerade das Thema Depressionen für viele noch ein Tabuthema ist.

Absolut. Es wird zu oft noch als Schwäche angesehen. Dabei wäre es so wichtig, offen damit umzugehen, gerade auch im Hinblick auf die vielen jungen Menschen, die in den zwei Jahren Pandemie darunter leiden mussten. Wir müssten uns viel mehr mit dieser zum Teil sehr schweren Erkrankung beschäftigen. Verdrängen geht da nur bis zu einem gewissen Punkt.

Der erste Schritt, um das Unglück hinter sich zu lassen, wäre also erst einmal, dieses Unglück überhaupt anzuerkennen.

Ich bin natürlich kein Psychotherapeut. Aber ich würde das schon so unterschreiben, ja. Damit sich etwas verändern kann, muss ich für mich erst einmal festlegen, dass sich etwas verändern sollte oder muss.

Und wie ist es, wenn man als Außenstehender ein solches Unglück sieht? Ab wann sollte man eingreifen? Denn das ist schon auch eine Grenzüberschreitung.

Ich würde die Grenze bei den Menschen ziehen, zu denen man sich tatsächlich verbunden fühlt. Die Familie also, die Kinder, der Partner. Vielleicht auch noch die engsten Freunde. Das ist natürlich immer noch eine Grenzüberschreitung und nicht ungefährlich. Aber ich glaube, wenn es mir sehr wichtige Menschen sind und ich das Gefühl habe, dass da etwas aus dem Lot gerät, dann würde ich eingreifen wollen. Bei Wildfremden würde ich mir das nicht anmaßen.

Aber wäre es nicht gerade bei denen einfacher zu sagen, was Sache ist, als bei Leuten, zu denen man ein enges Verhältnis hat?

Absolut. Gleichzeitig wäre es aber auch unpräziser. Schon bei Leuten, die ich gut kenne, kann ich letztendlich nur mutmaßen. Ich kann mich auch irren und etwas ganz falsch verstehen. Bei Leuten, die ich nicht kenne, wäre die Gefahr exorbitant höher, komplett daneben zu liegen. Da lasse ich lieber die Finger von.

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Auf der Suche nach dem Glück und einer Million Euro: Jasper Lipp (Manuel Rubey), Firat Bozoklu (Eko Fresh) und Ines Schickling (Katharina Schüttler) stehen vor einer ungewöhnlichen Aufgabe. (© BR/die film gmbh/Hendrik Heiden)

Sie haben vorhin Menschen erwähnt, die sich nicht als unglücklich bezeichnen wollen, weil es anderen deutlich schlechter geht, etwa weil sie kein Geld haben oder keine Familie. Ist Unglück überhaupt etwas Objektives oder bloß eine Frage der Empfindung?

Ich würde schon sagen, dass man Unglück auch objektiv bemessen kann. Dafür muss man sich nur die aktuelle Weltlage einmal ansehen. Um es mal ganz brachial zu sagen: Wenn Bomben auf deine Stadt fallen, dann ist Unglück objektiv gegeben. Darüber hinaus denke ich, dass sich in den letzten 15 bis 20 Jahren auch einiges verschoben hat durch die ganzen Glücksversprechen, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind. Für meine Großeltern war es noch kein Kriterium, dass man sich verwirklichen muss. Dort bedeutete Glück, dass man gesund war und seine Miete bezahlen konnte. Das hatte schon etwas für sich. Heute muss sich jeder selbst finden und ganz erfüllt fühlen von dem, was er tut. Und das finde ich ganz gefährlich. Glück ist kein Dauerzustand, den man erreichen kann, sondern zeigt sich in kleinen Momenten. Diese Momente kann man dann ergreifen. Man kann sie aber nicht behalten, nicht auf Dauer. Und den Eindruck zu erwecken, das ginge alles, das ist fatal.

Was ich an dem Projekt in Die Glücksspieler so faszinierend fand, war die Annahme, man könne Glück planen. Ist das so?

Ich glaube nicht. Mit dem Älterwerden kann man sich selbst gegenüber präziser sein. Ich weiß jetzt besser, worauf ich keine Lust habe oder was mir nicht gut tut. Ich kann dadurch besser abschätzen, wo Glück wahrscheinlicher ist. Tatsächlich planen kann man es aber nicht.

Was bedeutet überhaupt Glück? Das wird in der Serie ja auch mehrfach diskutiert.

Ich würde sagen, dass Glück bedeutet, wenn der Körper durchzuckt wird von einer Dankbarkeit. Es kann ein Glück sein, etwas Schönes zu sehen, zum Beispiel die ersten Schritte des Kindes. Vielleicht auch ein neuer Wein, den ich das erste Mal trinke. Oder auch eine sportliche Betätigung. Etwas, das mich in einen kurzen Rauschzustand versetzt.

Sie meinten eben, dass unsere Großeltern noch nicht darauf ausgerichtet waren, das Glück zu finden. Ist es damit heute leichter oder schwieriger, sein Glück zu finden?  

Ich würde sagen, dass es heute viel schwieriger ist. Diese Glücksversprechen einer ganzen Industrie sind oft verbunden mit einer Scharlatanerie, die den Leuten suggeriert, sie hätten glücklich zu sein. Und das bedeutet Stress. Natürlich hat es aber auch ein Gutes, dass sich vieles gewandelt hat. Dass wir im Westen Arbeit auch als Mittel der Selbstverwirklichung betreiben können, das ist schon ein Privileg. Bei den meisten Menschen dieser Welt ist Arbeit noch immer ein Mittel zum Zweck. Wer in der Arbeit Erfüllung findet, der kann sich daher glücklich schätzen. Es gibt aber keine Garantie und auch kein unbedingtes Recht, eine solche erfüllende Arbeit zu finden. Diese Erwartung ist nicht hilfreich und führt eher dazu, dass die Leute unglücklich sind. Das Gleiche gilt für diesen Anspruch, immer ganz authentisch zu sein. Wer kann das schon von sich behaupten? Ich sicher nicht.

Wie schwierig ist das überhaupt als Schauspieler, der aus beruflichen Gründen ständig jemand anderes ist, noch man selbst zu sein?

Ich bin letztendlich auch immer nur die letzte Version meiner selbst und habe mir selbst gegenüber Verhandlungsschwierigkeiten. Was ich mir gegenüber als glaubhaft und authentisch empfinde, verändert sich ja auch andauernd, je nach Situation. Ich kann jeden Tag jemand anderes sein. Deswegen habe ich mir vor einigen Jahren die Freiheit gegeben, gar nicht dauernd authentisch sein zu müssen.

Und ist Schauspielerei für Sie Selbstverwirklichung oder Mittel zum Zweck?

Die Grundintention war und ist natürlich eine Form der Verwirklichung, verbunden mit einer großen Demut, überhaupt diese Möglichkeit zu haben. Natürlich hat die Schauspielerei aber auch eine wirtschaftliche Komponente und ich habe vollstes Verständnis für diejenigen, die eine Rolle nur des Geldes wegen annehmen. Bei mir selbst war früh klar, dass das wirtschaftlich funktionieren muss, auch weil ich früh Kinder bekommen habe und keinen Background hatte, der mich aufgefangen hätte. Brotlose Künstler kenne ich genug, das war für mich keine Option. Die Leute haben oft ganz falsche Vorstellungen davon, wie viel Schauspieler so verdienen. Ich kenne welche, die mit der U-Bahn zur Preisverleihung fahren, wo sie ausgezeichnet werden, weil sie sich kein Taxi leisten können. Das sind Realitäten, da braucht man sich keine Illusionen zu machen.

Wie wichtig ist Geld überhaupt für das eigene Glück? Auch darüber wird in Die Glücksspieler diskutiert.

Bis zu einem gewissen Grad ist es das natürlich. Es gab da mal eine Studie der zufolge es ein Jahreseinkommen gibt, ab dem es keinen Unterschied mehr macht, ob man mehr verdient oder nicht. Darunter steigt das Glück mit dem Einkommen. Hat man die Schwelle erreicht, ist es egal. Deswegen ist für mich die Vorstellung eines Milliardärs auch absurd. Niemand braucht so viel Geld. Natürlich darf Menschen Geld aber wichtig sein und ein Ansporn etwas zu tun. Ich habe Menschen in meinem Umfeld, bei denen Mitte des Monats das Thema Geld viel zu groß wird und sie nicht wissen, wie sie es bis zum Ende schaffen sollen. Ich war selbst mehrfach in einer solchen Situation. Zu sagen, dass Geld fürs Glück keine Rolle spielt, ist deshalb für mich eine sehr arrogante Position. Es ist hingegen großes Glück, wenn man von sich behaupten kann, dass Geld keine Rolle spielt.

Noch ein ganz anderes Thema, das am Rand von Die Glücksspieler angesprochen wird, ist das des Mobbings, da Ihre Figur darunter zu leiden hat. Mobbing kennt man natürlich gerade von Kindern und Jugendlichen, denen vielleicht noch das Bewusstsein dafür fehlt, was sie tun. Aber warum mobben selbst Erwachsene noch?

Ich fürchte, dass das tiefer in uns drinsteckt, seit vielen tausend Jahren, als wir uns das in unserer vermeintlichen Zivilisiertheit eingestehen wollen. Da haben wir uns in unserer Grundstruktur leider nicht wahnsinnig verändert.

Und dann auch keine Hoffnung, dass sich das noch mal ändern wird?

Die Hoffnung bleibt auf jeden Fall. Wenn diese Hoffnung wegfällt, dann wird es wirklich finster. Wir müssen uns nur jeden Tag aufs Neue dafür entscheiden, respektvoll miteinander umzugehen.

Und wie kann man mit der Situation umgehen, wenn dieser Respekt ausbleibt?

Das ist letztendlich eine sehr individuelle Entscheidung. Jasper ist jemand, der sich so sehr daran gewöhnt hat, dass er es schon gar nicht mehr anders erwartet. Ich glaube deshalb auch nicht, dass er sehr darunter leidet. Ich hatte mal eine Phase in der Schulzeit, in der ich unbedingt dazugehören wollte und deshalb versucht habe, alles immer richtig zu machen und den Leuten extrem entgegenzukommen. Wenn die Leute das dann ausnutzen, wird es ganz furchtbar. Aber es hat sich schon einiges getan in der Hinsicht. Allein schon, dass wir heute das Wort Mobbing haben, um diese Vorgänge zu definieren, ist ein riesiger Fortschritt. Man hat heute mehr Möglichkeiten, sich auch Hilfe zu holen. Und wenn man Mobbing bei anderen beobachtet, dann ist das ein Fall für die gute alte Zivilcourage. Das ist auch nicht zu unterschätzen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Manuel Rubey wurde am 26. März 1979 in Wien geboren. Er studierte zunächst Philosophie und Politikwissenschaft, bevor er eine Schauspielausbildung an der Schauspielschule Krauss in Wien begann. Bekannt wurde er anschließend als Sänger der Rockband Mondscheiner sowie als Theaterschauspieler. Sein erster großer Kinoerfolg war Falco – Verdammt, wir leben noch! (2008), in dem er den gleichnamigen österreichischen Sänger spielte. Neben seiner Arbeit als Schauspieler ist er auch als Kabarettist unterwegs. 2020 erschien sein erstes Buch Einmal noch schlafen, dann ist morgen.



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