Son of Cornwall
John Treleaven und Lawrence Richards im Dokumentarfilm "Son of Cornwall" (@ Der Filmverleih GmbH)

Lawrence Richards [Interview]

Lawrence Richards stammt aus einer Musiker- und Künstlerfamilie. In seiner Kindheit trat er in verschiedenen Theaterstücken, Opern und Musicals für das Mainzer Staatstheater auf. Das spiegelt sich auch in seinem ersten langen Kinodokumentarfilm Son of Cornwall, der zu weiten Teilen ein Porträt seines Vaters John Treleaven ist, eines international renommierten Opernstars. Im Sommer 2018 starten Lawrence und John mit einem Filmteam zu einem Roadtrip über die Küstenstraßen Cornwalls, der Heimat Johns. In Vorfreude auf ein Konzert von John am Ende der Reise erkunden sie die Orte, die den Vater geprägt haben. Sie unterhalten sich über das Glück, einen künstlerischen Beruf ausüben zu dürfen, aber auch über die Schattenseiten eines Lebens in Hotelzimmern, fernab der Familie. Zum Kinostart am 14. April 2022 haben wir uns mit Lawrence Richards über seinen eigenen Karriereweg, die Bewunderung für seinen Vater und nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterhalten.

Wie ist die Idee für den Film entstanden?

Schon als ich an der Filmhochschule in England studierte, habe ich gedacht, ich will unbedingt mal einen Film über meinen Vater drehen. Ich bin quasi aufgewachsen auf den Bühnen, auf denen mein Vater sang, und habe ihn immer bewundert. Die erste Idee war, seine unglaubliche Geschichte zu erzählen, seine Herkunft und wie er entdeckt wurde. Ein Junge schwimmt singend im Fischerhafen, jemand bemerkt sein Talent, und später singt er an der Wiener Staatsoper. Ich wusste immer, dass die starke Persönlichkeit meines Vaters einen solchen Film tragen würde, weil er Unglaubliches erreicht hat und trotzdem sehr bodenständig geblieben ist. Viel später, als ich das Projekt ernsthaft anging, fand ich den Rat einiger Leute eine gute Idee, auch selber als Sohn im Film präsent zu sein. Dadurch wurde es eine Vater-Sohn-Geschichte statt einer bloßen Biografie. Insgesamt hat es der Sache gut getan, dass es so lange dauerte bis zur Realisierung des Films. Wenn mein Vater zum Zeitpunkt des Drehs nicht schon in Rente gewesen wäre, hätte er sich nicht so öffnen können, auch bezüglich seiner Probleme.

Viele Regisseure wählen für ihren ersten abendfüllenden Film ein Thema, in dem sie sich auskennen. Aber es ist ungewöhnlich, so nah ranzugehen. Wie haben Sie das empfunden?

Sicher war es eine schwere Geburt, auch emotional. Ich musste mit einem hohen Erwartungsdruck umgehen, der durch die Crowdfunding-Finanzierung da war, und zugleich Produktion übernehmen, Regie führen und meine Rolle als Fragensteller vor der Kamera ausfüllen. Aber das Thema Druck hat mich immer fasziniert und ist auch Gegenstand des Films. Wie geht man mit Druck um als darstellender Künstler, der sich auf der Bühne präsentiert?

Zwischen Vater und Sohn gibt es in den meisten Fällen eine natürliche Vertrautheit. Aber nun ist plötzlich eine Kamera dabei. War das am Anfang merkwürdig? Und wie lange hat es gedauert, bis die Anwesenheit der Kamera quasi nicht mehr spürbar war?

Die Gewöhnung an die Kamera ist ein allmählicher Prozess. Wir waren dreieinhalb Wochen alle in einem Auto unterwegs, mein Vater und ich, der Kameramann, der zweite Kameramann und der Tonmann. Nach vier, fünf Tagen gerieten wir in einen guten Flow. Das ist auch meinem Vater und seiner positiven Ausstrahlung zu verdanken. Seine lockere, humorvolle und reflektierte Art hat uns als Team immer wieder zusammengeschweißt. Jedes Interview dauerte rund eineinhalb Stunden und nach einer halben Stunde konnte ich die Kamera weitestgehend vergessen, soweit das eben geht, wenn man selber sonst hauptberuflich als Kameramann arbeitet und diese Aufgabe nun an jemand anderen abgibt.

Hat die Arbeit am Film die Beziehung zu Ihrem Vater verändert? Und wenn ja, wie?

Auf jeden Fall, und zwar zum Positiven. Wir hatten immer eine gute Beziehung und es sollte nie ein Film werden, der dem Vater die beruflich notwendige Abwesenheit vorwirft. Beim Dreh haben wir viel Zeit miteinander aufgeholt und Dinge getan, die wir so noch nie miteinander gemacht haben. Es waren intensive Wochen, sowohl privat wie beruflich. Für ihn war es faszinierend, mich bei der Arbeit zu beobachten. Uns hat das sehr zusammengeschweißt und ich habe Dinge über ihn erfahren, die ich vorher nicht wusste. Zum Beispiel hat mich die Szene in der kleinen Kapelle sehr überrascht. Ich wusste zwar, dass er gläubig ist und dass er Probleme mit Alkohol hatte. Aber mir war nicht bewusst, dass sein Glaube und die Bekämpfung der Sucht so eng zusammenhängen.

Was in der Kapelle geschieht, gehört für mich zu den großen Höhepunkten des Films. Die Szene ist so intim, dass man vermuten könnte, dass das restliche Team draußen bleiben musste, um diese emotionale Tiefe herstellen zu können. War das so?

Nein, die Crew war dabei. Und der Plan war, über den Glauben zu sprechen. Dass mein Vater in diesem Moment so emotional wurde, ist spontan entstanden, wie auch vieles andere in dem Film. Offensichtlich hatte ich in der Kapelle einen Punkt berührt, den ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ansprechen wollte.

Es ist erstaunlich, dass Ihr Vater in diesem Moment nicht verlangt, die Kamera auszuschalten, sondern offen mit der Situation umgeht. Wie erklären Sie sich das?

Ich denke, dass er mir vertraut hat. Wahrscheinlich hat er verstanden, dass die Botschaft dieser Szene sehr stark sein kann für jemanden, der ähnliche Probleme mit dem Alkohol hat, wie er sie hatte. Und dass sein Vorbild Mut machen kann. Er ist in seinen Rentenjahren sehr aktiv und hilft anderen Menschen mit Alkoholproblemen. Es geht ja nicht um eine Bloßstellung oder Schwäche. Sondern es ist eine Stärke, wenn man dazu steht. Und es kann andere inspirieren.

Ihre Eltern sind beide Opernsänger. Hatten Sie auch einmal diesen Berufswunsch?

Als Kind war ich eine Weile im Mainzer Domchor. Ich singe sehr gerne und habe eine Hobby-Band. Im Alter von 18, 19 war ich mit der Frage konfrontiert, ob ich das wirklich zu meinem Beruf machen möchte. Ich liebe die Theaterluft, aber letztlich wollte ich lieber Regisseur werden, am Theater oder beim Film. Der Druck, der Sohn von meinem Vater zu sein und im Schatten zu stehen, spielte dabei eine Rolle. Deswegen wollte ich mein eigenes Ding finden. Als ich mit 19, 20 zum ersten Mal an einem Filmset dabei sein durfte, wusste ich, dass das mein Weg ist.

Sie arbeiten oft als Kameramann. Wie wichtig war Ihnen die visuell anspruchsvolle Gestaltung von Son of Cornwall?

Ich habe die Produktionsfirma Indievisuals gegründet und bin innerhalb der Firma fast immer für die Kamera zuständig. Wir machen Dokumentarfilme fürs ZDF und andere öffentlich-rechtliche Sender, aber auch Imagefilme für Firmenkunden. Bei Son of Cornwall habe ich mich auf Justin Peach als Kameramann verlassen, weil ich seine Arbeit sehr mag und weil er in der dokumentarischen Arbeit gut und schnell ist. Über die visuelle Herangehensweise haben wir uns vorab abgesprochen. Wir wollten nicht den üblichen Reportagestil für unseren Kinofilm, darin waren wir uns einig. Aber ab dem Moment, als mein Vater dabei war, wollte ich mich ganz auf das Gespräch mit ihm konzentrieren und den Kameraleuten nicht reinreden.

Eine zentrale Frage des Films ist die nach der Balance zwischen Karriere und Familie. Mein Eindruck ist, dass Ihre Eltern mit dem Vorrang der Karriere ganz gut zurechtgekommen sind und dass das mehr ein Thema von Ihnen selbst ist. Würden Sie dem zustimmen?

Meine Eltern haben das supergut hinbekommen, immerhin sieht man in dieser Branche viele Ehen scheitern. Im Grunde hätte ich gern mehr darüber erzählt, wie viel meine Mutter aufgegeben hat für die Karriere meines Vaters. Aber sie wollte eigentlich gar nicht in dem Film vorkommen und lieber im Hintergrund bleiben. In ihr gibt es eine Seite, die enttäuscht ist. Aber die aufopfernde Rolle als Mutter war ihre eigene Entscheidung, dazu steht sie konsequent. Im Grunde hat sie ihre Karriere in meinem Vater weitergelebt, als Frau, die überall dabei war und unter anderem PR gemacht hat. Die Ehe meiner Eltern ist ein Beispiel dafür, wie Familie und Beruf zusammen gehen können, gerade in einer Branche, die viel Reisen mit sich bringt und in der man sich auch der Kritik von außen aussetzen muss.

Der Film gibt sinnvollerweise keine Antworten auf die Frage nach der Work-Life-Balance. Aber haben Sie für sich persönlich und Ihre Familie eine Lösung gefunden? Sie sind ja inzwischen selbst Vater, wie man am Ende des Films sehen kann.

Ich habe zum Glück auch eine Frau, die mich motiviert. Gerade heute Morgen bekam ich eine Anfrage, zehn Tage in Berlin zu drehen und insgesamt zwei Wochen weg zu sein. Das ist traurig und ich frage meine Frau in solchen Fällen vorher, ob es okay ist, ein solches Angebot anzunehmen. Meistens spornt sie mich an. Im konkreten Fall wollen wir es so lösen, dass sie mit unserem Sohn nach Berlin kommt, sodass wir nicht die ganze Zeit getrennt sind. Trotzdem ist es ein ständiger Kampf. Deswegen gibt der Film keine Antwort. Ich habe einen ähnlichen Job wie mein Dad und bin auch oft unterwegs. Ich hatte mir erhofft, dass er mir Vorschläge machen kann, was er im Film auch tut. Aber es gibt keine ideale Lösung, weder damals für ihn noch heute für mich.

Zur Person
Lawrence Richards wurde in Pretoria, Südafrika, geboren und wuchs in Großbritannien in London und Glasgow auf. Mit zwölf Jahren zog er mit seinen Eltern und seiner Schwester nach Mainz. Nach dem Abitur absolvierte er einen Masterstudiengang in Englisch, Film- und Theaterwissenschaft. Er begann auch für die deutschen Fernsehunternehmen als Kamera- und Lichtassistent zu arbeiten. Später setzte er seine Ausbildung in Großbritannien fort, wo er Film- und Fernsehproduktion an der Bournemouth University studierte. Son of Cornwall ist seine erste lange Kinodokumentation.



(Anzeige)