Rosenstraße
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Rosenstraße

Rosenstraße
„Rosenstraße“ // Deutschland-Start: 18. September 2003 (Kino) // 2. Juni 2004 (DVD)

Inhalt / Kritik

Hannah Weinstein (Maria Schrader) versteht die Welt nicht mehr, als ihre Mutter Ruth (Jutta Lampe) ihr verbietet, einen nicht-jüdischen Mann zu heiraten. Bei ihrer Suche nach einer Erklärung lernt sie die 90-jährige Lena Fischer (Doris Schade) kennen, deren Vergangenheit eng mit der ihrer Mutter verbunden ist. Als junge Frau war die dem preußischen Adel entstammende Fischer (jetzt: Katja Riemann) mit dem jüdischen Musiker Fabian Israel Fischer (Martin Feifel) liiert. Als dieser 1943 von den Nazis verhaftet wird, harrt Lena zusammen mit anderen Angehörigen Verhafteter vor dem Gefängnis in der Rosenstraße aus, wo sie auch die Bekanntschaft der erst achtjährigen Ruth (Svea Lohde) machte. Denn auch deren Mutter gehörte zu den Gefangenen …

Problemthema Holocaust

Auch wenn der Zweite Weltkrieg inzwischen mehrere Jahrzehnte zurückliegt und es Tausende Filme zu dem Thema Holocaust gibt, noch immer ist es eine nahezu unmögliche Aufgabe, den Schrecken dieser Zeit in passende Bilder zu packen. Bei Rosenstraße versuchte man es deshalb auch gar nicht und geht einen Umweg. Genauer erzählt Regisseurin und Co-Autorin Margarethe von Trotta (Hannah Arendt) davon, wie eine Frau im deutlich fortgeschrittenen Alter noch immer von dieser Zeit geprägt ist. Plausibel ist das prinzipiell schon, denn Erfahrungen wie diese bleiben einem sein ganzes Leben. Wie soll man je die Verfolgungen vergessen? Die Angst und die Gewalt? Den Verlust von geliebten Menschen, die einem von einem grausamen Regie genommen wurden?

Verwirrend ist dabei aber, dass es eben nicht Ruth ist, die im Mittelpunkt der Geschichte steht. Die ist nur eine Nebenfigur, während die Bühne einer nicht-jüdischen Frau gehört, die sich um das Mädchen gekümmert hat und der es ansonsten im Leben an nichts mangelte. Für die Opfer der Nazis ist das natürlich wenig repräsentativ. Von Trotta erzählt nicht von denjenigen, die alles verloren haben. Hier geht es um eine, die alles hatte und am Ende auch siegreich bleibt. Das darf man natürlich. Ganz klar wird aber nicht, was genau Rosenstraße eigentlich damit aussagen wollte. Dass sich Widerstand gegen Despoten lohnt? Dass ein Widerstandskampf gewaltfrei sein kann? Der Holocaust auch die Schuld der schweigenden Masse gewesen ist, der die notwendige Zivilcourage fehlte?

Kein überzeugendes Konzept

Das schwammige Konzept betrifft aber auch die Struktur des Films, der ständig zwischen Erzählungen in der Gegenwart und Erlebtem in der Vergangenheit wechselt. Wann von Trotta das eine wählt, wann das andere, erschließt sich nicht so recht. Vor allem aber verpasst sie es, den Bezug zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart herzustellen. Ausgangspunkt war der Wunsch von Hannah, ihre Mutter zu verstehen und ihre Abneigung gegenüber Nicht-Juden, was voraussetzt, dass ihre Geschichte bislang unbekannt war. Nicht zu wissen, dass deren Mutter – also Hannahs Großmutter – während des Holocausts Opfer der Nazis wurde, ist aber kaum plausibel. Das muss Hannah gewusst haben, wenn sie ganz ohne Großeltern mütterlicherseits aufwuchs. Schon bei der Ausgangssituation wird es daher ein wenig hakelig.

Aber selbst wenn man akzeptiert, dass Hannah das Thema vorher nicht interessierte und die Mutter alles abblockte, ist die konkrete Umsetzung fragwürdig. Denn für diese Erkenntnissuche ist es völlig unerheblich, dass Fischer an Behörden verzweifelte oder wie ihre Beziehung zu ihrem Mann war. Das Schicksal Ruths rückt dabei immer wieder in den Hintergrund. Dass sie von ihrem eigenen Vater verlassen wurde, wird nur nebenbei in einem Dialog erwähnt, obwohl das psychologisch deutlich relevanter ist. Diese Diskrepanz zwischen dem Ausgangspunkt der Reise und der Reise an sich wird zeitweise so stark, dass man sich fragen muss, warum Rosenstraße nicht gleich ganz konsequent auf den historischen Handlungsstrang gegangen ist. Das wäre wenigstens ehrlich gewesen.

Gut gemeinte Märchenstunde

Das ist auch deshalb schade, weil die Geschichte der Rosenstraße und der sich dort abspielen Proteste an und für sich ein interessanter Stoff ist. Die Proteste der Angehörigen, welche die Freilassung der jüdischen Gefangenen folgte, fanden 1943 tatsächlich statt. Die Szenen, wenn es allein um die Suche nach den vermissten Leuten geht oder die Protestaktionen an sich, haben dann auch einiges zu bieten. Von Trotta war dies aber offensichtlich nicht genug, weshalb sie im Drehbuch vieles abänderte, manches auch verschwieg, was nicht ins Bild des heldenhaften Widerstandes gepasst hätte. Immerhin verzichtet sie darauf, bei der Inszenierung zu sehr ins Manipulative zu gehen, das hat man in dem Bereich schon deutlich schlimmer gesehen. Sofern man sich bewusst macht, dass dies hier trotz gegenteiliger Behauptungen mehr Märchen als Geschichtsstunde ist, ist der Film passabel. Manche werden den mutigen Kampf um die Liebe sogar inspirierend finden. Gesehen haben muss man ihn deshalb aber nicht.

Credits

OT: „Rosenstraße“
Land: Deutschland, Niederlande
Jahr: 2033
Regie: Margarethe von Trotta
Drehbuch: Pamela Katz, Margarethe von Trotta
Musik: Loek Dikker
Kamera: Franz Rath
Besetzung: Katja Riemann, Maria Schrader, Jürgen Vogel, Martin Feifel, Jutta Lampe, Doris Schade, Fedja van Huêt, Lena Stolze, Svea Lohde

Bilder

Trailer

Filmfeste

Venedig 2003
Toronto International Film Festival 2003

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Rosenstraße
Fazit
„Rosenstraße“ erzählt die Geschichte der Proteste 1943, als in Berlin zahlreiche Juden eingesperrt wurden. Das Ergebnis ist die Zelebrierung eines mutigen Widerstandes, der mit den realen Vorkommnissen jedoch nur am Rande zu tun hat. Ebenfalls irritierend ist die völlig überflüssige Rahmenhandlung, welche die traumatisierte jüdische Hauptfigur früh beiseiteschiebt, um lieber eine nicht-jüdische Frau als Heldin zu feiern.
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