Que Horas Ela Volta? Der Sommer mit Mama
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Der Sommer mit Mamã

Inhalt / Kritik

Que Horas Ela Volta? Der Sommer mit Mama
„Que Horas Ela Volta?“ // Deutschland-Start: 20. August 2015 (Kino) // 26. Februar 2016 (DVD/Blu-ray)

Die alternde Val (Regina Casé) ist seit vielen Jahren die fleißige Haushälterin im Hause einer reichen Familie in Morumbi, einem reichen Bezirk in São Paolo. Sie lebt in einem kleinen Bedienstetenzimmer im Anwesen, kocht, putzt und hat immer ein offenes Ohr für die dreiköpfige Familie – der Vater José Carlos (Lourenço Mutarelli) ein Künstler, der reich geerbt hat, die Mutter Barbara (Karine Teles) die Hausherrin und der Sohn Fabinho (Michel Joelsas) ein verwöhnter Schüler, der gerne mal etwas zu viel Gras raucht und für den Val wie eine zweite, liebende Mutter ist. Als Vals entfremdete Tochter Jéssica (Camila Márdila) bei ihr unterkommen möchte, um in São Paolo einen Aufnahmetest an einer Uni zu schreiben, beginnt sich das soziale Gefüge zu verschieben – Jéssica ist zugleich als Tochter des Dienstmädchens und auch als Gast Teil der häuslichen Gemeinschaft. Was für Vater und Sohn willkommene Gesellschaft bedeutet, beginnt die launische Mutter in ihrer Rolle als Hausherrin zu bedrohen…

Lange Enwicklungszeit

Der Sommer mit Mamã ging 2016 als offizieller brasilianischer Kandidat für die Oscars ins Rennen – die große Hoffnung, die allerdings bereits in der Vorauswahl ausschied. Regisseurin Anna Muylaert hatte das Konzept bereits vor ihrem ersten Spielfilm Durval Discos (2002) erarbeitet, fühlte sich aber noch nicht in der Lage, den Film zu verwirklichen. Gemeinsam mit ihrer Hauptdarstellerin Regina Casé überarbeitete sie mehrfach das Drehbuch, da Muylaert der Ansicht war, es sei „zu unreif“.

Man merkt dem Film eine sehr persönliche Note an, basiert er doch auf Muylaerts Erfahrungen mit einer eigenen Nanny, die sich um ihren Sohn kümmerte. Außerdem arbeitete sie Anfang der 90er für einen brasilianischen Sender und konzipierte Kindersendungen und Programme. Gerade die liebevolle Darstellung wie Val Fabinho behandelt, zeugt von großem Respekt vor der Arbeit mit Kindern – obwohl er nicht ihr eigener Sohn ist, behandelt Val ihn ebenso, motiviert, versorgt und streichelt ihn und beschützt ihn vor der strengen und distanzierten Handhabe der leiblichen Mutter.

Komödie – wohl eher nicht

Der Trailer zum Film verspricht eine herzlich-sanfte Komödie mit angenehmem, subtil wirkendem Humor und einer leicht verdaulichen Story. Teils wirkt er etwas klamaukig, doch man ist sich sicher, eher eine Komödie als ein Drama präsentiert zu bekommen. Doch was der Film wirklich zeigt, wirkt wie eine ganze andere Geschichte.

Die Handlung plätschert erst einmal vor sich hin, dennoch erklärt die schlanke Exposition recht klar das Setting des Films – eine langjährige Haushälterin, die den Teenager Fabinho bereits als kleinen Jungen kennen und lieben lernte, ihn mit aufzog und dadurch eigentlich Teil der Familie sein sollte. Doch die kühle, unzufrieden wirkende Barbara betreibt hier ganz klar ein Zweiklassensystem – ihre Nettigkeit ist aufgesetzt, ihr Interesse am Leben von Val auf einzelne, kurze Momente begrenzt. Nur wenige Minuten braucht es, da überkommt einen bereits ein unangenehmes Gefühl, eine Anspannung durch unausgesprochene Regeln, die den Unterschied zwischen der „echten“ Familie und der alltagserleichternden Assistenz beschreiben. Val weiß um ihren Stand, setzt sich niemals an einen Tisch, würde nicht im Traum daran denken, auch mal im Pool zu schwimmen oder das dauerhaft leerstehende, schöne Gästezimmer mit eigenem Bad statt ihrem winzigen, einem „Familienmitglied“ unwürdigen, Kämmerchen zu erbitten.

Macht Platz für Jéssica

Auftritt Jéssica. Nach einem Telefonat mit ihrer Mutter Val, gestattet die warmherzig wirken wollende Barbara einen Besuch und damit einhergehend gemeinschaftliches Wohnen mit der entfremdeten Tochter. Val hatte sie im Stich gelassen, um in São Paolo einen Job zu finden und Geld zurückzusenden, um ihrem Kind eine gute Erziehung zu ermöglichen. Das distanzierte Mutter-Tochter-Spiel rückt den Film wiederum in ein anderes Licht, wenn gerade die gute, liebenswerte Val, die sich als wichtige Bezugsperson im Leben von Fabinho etabliert hatte, nicht für ihre eigene Tochter da sein konnte und nun mit den Konsequenzen leben muss. Sie ist für Jéssica nicht Mamã, sondern einfach nur Val, körperliche Nähe gibt es von ihrer Seite nicht, sie erträgt bloß die Küsse und Umarmungen einer für sie fremd wirkenden Frau.

Jéssica stellt das Haus auf den Kopf – während Vater und Sohn begeistert sind und sich sehr für sie und ihre Pläne, die Aufnahmeprüfung für Architektur an einer sehr guten, anspruchsvollen Uni zu machen, fühlt sich Barbara angegriffen; Vorbei ist es mit der klaren Trennung von Angestellten und Arbeitgeber, zu sehr verschwimmen die Grenzen.

Eine Karikatur

Wirklich spannend ist diese Geschichte nicht. Und doch findet man interessante Ansätze in der sozialen Struktur dieser teils dysfunktionalen „Familie“. Sowohl Val als auch Barbara scheinen ihren Rang und Platz zu kennen und ihn zu akzeptieren und doch scheint niemand jemals Regeln oder Verbote aufgestellt zu haben. Beide wirken wie vergiftet von alten gesellschaftlichen Normen, wie eine Karikatur eines altbackenen Hausherr-Sklaven-Gefüges, in welchem niemand versucht, ganz modern und vernünftig zu kommunizieren und wirklich miteinander zu leben und voneinander zu lernen. Während Vater, Mutter und Sohn sich am Esstisch üblicherweise nur anschweigen und alle in ihre Smartphones vertieft sind, sind es nämlich Val und Jéssica die dem Haus Leben einhauchen, Konversation anregen. Val mit ihrer Herzlichkeit und Jéssica mit ihrem dreisten, sehr selbstbewussten Auftreten.

Credits

OT: „Que Horas Ela Volta?“
Land: Brasilien
Jahr: 2015
Regie: Anna Muylaert
Drehbuch: Anna Muylaert
Musik: Vitor Araújo, Fábio Trummer
Kamera: Barbara Alvarez
Besetzung: Regina Casé, Michel Joelsas, Camila Márdila, Karine Teles, Lourenço Mutarelli, Helena Albergaria

Bilder

Trailer

Filmfeste

Sundance Film Festival 2015
Berlinale 2015

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