The First Lap

The First Lap

Inhalt / Kritik

The First Lap
„The First Lap“ // Deutschland-Start: 1. November 2021 (MUBI)

Ein Paar sind Ji-young (Kim Sae-byuk) und Soo-hyun (Cho Hyun-chul) schon seit einiger Zeit und leben bereits sechs Jahre in einer gemeinsamen Wohnung. Da die Mieten in Seoul immer teurer werden, sehen sich die beiden schon seit geraumer Zeit nach einem neuen und natürlich billigerem Heim um. Was jedoch die Zukunftspläne der beiden durcheinander bringt, ist die Nachricht Ji-youngs, sie würden ein Kind erwarten. Als sie Ji-youngs Eltern besuchen, führt dies zu einer Reihe von Konflikten. Besonders Ji-youngs Mutter (Jo Kyung-sook) hält nicht viel davon, dass ihre Tochter noch immer nicht verheiratet ist und ihr Freund scheinbar auch keinerlei Ambitionen hat, ihr bald einen Antrag zu machen.

Im Laufe der nächsten Tage wird die Lage für das Paar immer angespannter. Ji-young plagen Ängste vor der Zukunft, davor Soo-hyun zu heiraten, aber auch dies nicht zu tun, wobei auch die finanzielle Situation der beiden eine Rolle spielt. Soo-hyun versucht, den Gesprächen über ihre Beziehung, das Kind und die Zukunft aus dem Weg zu gehen, weshalb ihm ein Besuch bei seinen Eltern, die fern von Seoul leben, gerade recht kommt. Doch auch dort werden sie von ihren Sorgen eingeholt.

Eine beschwerliche Reise

Die Angst vor der Zukunft sowie die politisch-soziale Gegenwart seiner südkoreanischen Heimat sind die Themen von Regisseur Kim Dae-hwans Werk, seinem ersten Spielfilm End of Winter (2014) sowie dem darauf folgenden The First Lap (2017). Wie der Titel des zweiten Filmes bereits andeutet, ist das Unterwegs-Sein ein zentrales Motiv, was den Film ausmacht, der auf dem Locarno Film Festival 2017 eine Auszeichnung für den Besten Aufstrebenden Regisseur gewann. Stilistisch bewegt sich Kim Dae-hwan in den Sphären des Independent-Dramas, dessen Naturalismus und teils improvisiert wirkende Ästhetik ein Licht werfen auf die Angst vor Veränderung, im Privaten wie im Gesellschaftlichen.

Incheon und Samcheok sind die beiden Ziele der Fahrten der beiden Hauptcharaktere und zugleich Wohnsitz ihrer Eltern. Regisseur Kim Dae-hwan erläutert, dass die Lage der beiden Städte die Anfahrt mit dem Auto durchaus beschwerlich macht, was erklärt, warum eine Vielzahl von Szenen in The First Lap im Auto spielen und Dialoge sowie erste Streitigkeiten beinhalten, bei denen es um die korrekte Route geht sowie die mangelnde Motivation, sich vielleicht abermals eine Standpredigt der Eltern (oder eben der Schwiegereltern) anhören zu müssen, warum man denn noch immer nicht geheiratet hat. Die Kamera bleibt konsequent nah an den Figuren dran, was dem Film bisweilen einen gewissen Heimvideo-Charakter gibt, gerade in den wenigen Szenen, die sich in der Wohnung der beiden Protagonisten abspielen und die einen scharfen Kontrast zu den Behausungen ihrer Eltern darstellen. Die Reise, so scheint es, ist nicht nur beschwerlich und mühsam (in vielerlei Hinsicht), sondern zudem eine Überbrückung der Trennung zwischen zwei Generationen, den jüngeren und der älteren, sowie zweier Ebenen der Gesellschaft, die auch im Jahre 2021 noch immer weit auseinander liegen.

Mit Blick nach vorne

Im Gegensatz zum Road Movie, in dem die Freude oder die Abenteuerlust wichtige Motoren bilden, die eine Figur antreiben, ist der Blick nach vorne für Ji-young und Soo-hyun von gemischten Gefühlen geprägt. Seine beiden Hauptdarsteller lassen sich auf den naturalistischen Ansatz, den der Regisseur und Drehbuchautor gewählt hat, ein, was viele Dialoge sehr authentisch wirken lässt. Die dazugehörige statische Kamera, kombiniert mit den langen Einstellungen unterstützt diese Verfahrensweise und betont die Darstellungsleistung, auch wenn diese Herangehensweise bei einer Laufzeit von 100 Minuten auch bisweilen sehr anstrengend wird. Das Unaufgeregte im ästhetischen Ansatz beißt so manches Mal mit der Unruhe, welche die beiden Hauptfiguren empfinden, was für den einen ein interessanter Kontrast ist, aber auch immer wieder stört.

Was Kim Dae-hwan als einen Zufall während der Drehzeit wertet, sind die Proteste um das versunkene Schiff MV Sewol, was 304 Menschen das Leben kostete und in dessen Berichterstattung sich fälschlicherweise auch Gerüchte einschlichen, welche die Regierung der damaligen Präsidentin Park Geun-hye in der Verantwortung sah. Die Proteste kommen immer wieder, als Nachrichten im Fernsehen oder Hintergrund einer Szene gegen Ende des Filmes, vor und verweisen auf so etwas wie einen Geist der Veränderung, mit dem Angst, wie bei den beiden Protagonisten, einhergeht. Vornehmlich die junge Generation marschiert mit, selbstbewusst und dem Ungewissen ins Auge schauend, doch so weit sind Ji-young und Soo-hyun wohl noch nicht.

Credits

OT: „Cho-haeng“
Land: Südkorea
Jahr: 2017
Regie: Dae-hwan Kim
Drehbuch: Dae-hwan Kim
Kamera: Jin-young Son
Besetzung: Sae-byuk Kim, Hyun-chul Cho, Ju-bong Gi, Kyung-sook Jo, Do-won Jung, Chang-gil Moon, Hae-yeon Gil

Trailer

Filmfeste

Locarno Film Festival 2017
Filmfest Hamburg 2017

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"The First Lap" ist ein Independent-Drama über Zukunftsängste und Unsicherheit im Leben. Mag Kim Dae-hwans formaler Ansatz auch seine Grenzen haben, gelingt es ihm seiner Geschichte eine Natürlichkeit zu verleihen, wobei zudem seine beiden Hauptdarsteller durch ihr Spiel ihren Teil dazu leisten.
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von 10