Bergman Island
Bergman Island
„Bergman Island“ // Deutschland-Start: 4. November 2021 (Kino) // 11. März 2022 (DVD)

Inhalt / Kritik

Als das Künstlerpaar Tony (Tim Roth) und Christine (Vicky Krieps) auf die Insel Fårö reist, dann in der Hoffnung, ein wenig in den Spuren des großen Regisseur Ingmar Bergman wandeln zu können, der hier einige seiner Werke gedreht hat. Vor allem erhoffen sie sich Inspiration für ihre eigenen Werke, an denen sie gerade arbeiten. Während der routinierte Tony ohne nennenswerte Schwierigkeiten sein Drehbuch schreibt, kämpft Christine mit einer Schreibblockade. Sie weiß einfach nicht, wie sie ihre Geschichte um Amy (Mia Wasikowska) und Joseph (Anders Danielsen Lie) zu einem Ende bringen soll. Und so streift sie über die Insel, auf der Suche nach Ideen, und verliert sich dabei immer mehr in ihren Gedanken …

Zwischen Inspiration und Gefängnis

Ist die Nähe zu anderen Künstlern oder Künstlerinnen eine Bereicherung für das eigene Weg oder im Gegenteil ein Hindernis? Das ist nur eine von vielen Fragen, die Regisseurin und Drehbuchautorin Mia Hansen-Løve (Eden – Lost in Music) in ihrem neuesten Film Bergman Island stellt. Diese künstlerische Begegnung findet in dem Film sogar gleich doppelt statt. Nicht nur, dass die beiden Hauptfiguren Filmschaffende sind, was einen Austausch irgendwie naheliegend machen würde. Außerdem ist da ja noch Ingmar Bergman selbst. Der berühmte schwedische Filmemacher ist zwar schon seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr am Leben. Doch sein Einfluss ist überall zu spüren, gerade auch auf der Insel, die zum Schauplatz der Geschichte wird.

Gerade der starke Fokus auf das lokale Vermächtnis Bergmans sorgt für humorvolle Momente. Wenn beispielsweise voller Stolz verkündet wird, dass das auf der Insel gedreht Szenen einer Ehe für eine in die Höhe geschossene Scheidungsquote verantwortlich war, dann ist das schon irgendwie recht absurd. Überhaupt ist der gesamte Tourismusaspekt so überzogen, dass Bergman Island zwischendurch schon als Satire durchginge. Um eine reine Veralberung handelt es sich dabei jedoch nicht. Vielmehr demonstriert Hansen-Løve, wie sehr ein solches Erbe auch zu einem Gefängnis werden kann. Die idyllischen, geradezu magischen Plätze auf der Insel, sie sind dominiert von dem Gespenst, das hier seit Jahrzehnten haust – auch weil es wieder und wieder herausbeschwört wird.

Ein Wandel zwischen den Welten

Der spannendere Aspekt ist aber der Akt der Kreation als solchen. Woher kommen unsere Ideen? Können wir diese Ideen bewusst herbeirufen? Und sind diese Ideen jemals wirklich unsere eigenen? Gerade bei künstlerischen Richtungen, die narrative Elemente haben – wie eben der Film, aber auch Musik und Literatur –, sind die Welt innerhalb des Films und die Welt da draußen oft miteinander verbunden. Und dann wäre da noch die innere Welt, welche zu einer Verbindung der beiden anderen wird. Doch so klar, wie sich das anhört, lassen sich diese Welten nicht voneinander trennen. Tatsächlich hebt Hansen-Løve im weiteren Verlauf von Bergman Island bewusst die Grenzen zwischen dem auf, was real geschieht, was sich Christine vorstellt und was sie da in ihrer Geschichte teilt. Wenn dann auch noch Schauspieler zu Schauspielern werden und damit eine weitere Meta-Ebene sich öffnet, sind Verwirrungen praktisch unvermeidbar.

Das bedeutet jedoch nicht, dass der Film sich auf einem in einen Psychothriller verwandelt oder verstärkt auf Mysteryelemente setzt. Auch die Einordnung Fantasy, wie man sie zum Teil findet, trifft es nicht, selbst wenn Fantasie natürlich eine große Rolle spielt. Stattdessen ist Bergman Island, das auf dem Cannes Filmfestival 2021 Premiere feierte, ein Drama rund um künstlerische Prozesse, um Selbstverwirklichung und die Suche nach einer eigenen Stimme. Ein besonderer Gesichtspunkt ist dabei, was es heißt, als Frau künstlerisch tätig zu sein und im Zweifel zwischen Familie und Karriere entscheiden zu müssen. Bergman hat dies getan: Er hatte zahlreiche Kinder, um die er sich nicht kümmerte, was Christine den Künstler etwas verleidet. Sie will das anders machen, selbst wenn sie nicht genau weiß wie.

Kunstvoll konstruierte Reflexion

Der Film hat auf diese Weise durchaus feministische Aspekte, ohne dies aber zu sehr in den Mittelpunkt stellen zu wollen. Hansen-Løve vermeidet es auch, definitive Antworten geben zu wollen, weder zu diesem Thema, noch den anderen, welche sie im Laufe des Films anschneidet. Bergman Island ist vielmehr eine kunstvoll konstruierte Reflexion über das eigene Leben und das Filmemachen. Ein Werk, das viel zu sagen und zu fragen hat, es dabei jedoch dem Publikum überlässt, welche Schlüsse es daraus zieht. Das wird eventuell für manche zu wenig sein, zumal die ständigen Ebenensprünge zur Folge haben, dass man sich emotional nur bedingt auf alles einlassen kann. Dafür müsste man erst einmal wissen, was hier denn „wahr“ ist und was nicht. Denn hier ist alles wahr und gleichzeitig wieder nicht, ein Spiel mit Täuschungen, an dessen Ende unklar ist, wer zu wessen Spiegel wurde.

Credits

OT: „Bergman Island“
Land: Frankreich, Schweden, Belgien, Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Mia Hansen-Løve
Drehbuch: Mia Hansen-Løve
Kamera: Denis Lenoir
Besetzung: Vicky Krieps, Tim Roth, Mia Wasikowska, Anders Danielsen Lie, Hampus Nordenson, Anki Larsson

Bilder

Trailer

Interview

Wie kam sie auf die Idee für ihren Film? Und was tut sie selbst, wenn sie mal mit einem Film nicht weiterkommt? Diese und weitere Fragen haben wir Regisseurin Mia Hansen-Løve in unserem Interview zu Bergman Island gestellt.

Mia Hansen-Løve [Interview 2021]

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Bergman Island
fazit
In „Bergman Island“ reist ein Künstlerpaar auf eine Insel, um an den eigenen Filmen zu arbeiten. Der Film arbeitet dabei viel mit Ebenen, die oft nicht voneinander zu trennen sind, und wird dadurch zu einer klugen Reflexion über Selbstausdruck, künstlerisches Schaffen und die Vereinbarkeit von Familie und Selbstverwirklichung.
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