Persian Version
Szenenbild aus der Multikulti-Komödie "The Persian Version" von Regisseurin Maryam Keshavarz (© Sony Pictures)

Maryam Keshavarz [Interview]

In dem autobiografisch gefärbten The Persian Version erzählt Regisseurin und Autorin Maryam Keshavarz, wie es ist, als Kind iranischer Auswanderer in den USA zu leben, aber auch welche Erfahrungen ihre Mutter in der alten Heimat gemacht hat. Nachdem die preisgekrönte Tragikomödie auf mehreren Festivals gelaufen ist, steht am 14. März 2024 der offizielle Kinostart an. Wir haben uns mit der Filmemacherin bei der Deutschlandpremiere auf dem Filmfest München 2023 getroffen und mit ihr gesprochen. Im Interview erzählt sie uns, was es bedeutet, mit diesen Kulturen aufzuwachsen, und wie ihre Familie darauf reagiert hat.

Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von The Persian Version verraten? Wie kamst du auf die Idee für deinen Film?

Es gab für uns keine Identifikationsfiguren in den Medien, als meine Familie und ich in New York aufgewachsen sind. Als Trump gewählt wurde, begann er gegen alle Immigranten zu hetzen, besonders solche aus östlichen Ländern. Normalerweise drehe ich düstere Dramen oder Thriller. Das Politischste, was ich als Regisseurin machen konnte, war einen Film über unsere Gemeinschaft zu drehen und von den Freuden und Kämpfen in unserem Leben zu erzählen. Aber ich wollte daraus etwas Komisches machen. Denn wenn du wie ich aus einer großen Familie kommst, dann ist Humor ganz wichtig, um mit all dem Familiendrama umzugehen. Wenn du dir in New York ein Badezimmer mit ganz vielen Leuten teilst, brauchst du das, um nicht durchzudrehen. Dass es zu dem Film kam, war dennoch ein Zufall. Ich habe eines Tages eine Geschichte über meine Familie erzählt, ohne zu ahnen, dass mir eine Produzentin zuhört. Danach kam sie auf mich zu und meinte, sie würde mir das Schreiben des Drehbuchs finanzieren. Ursprünglich sollte die Geschichte nicht direkt auf meiner Familie basieren. Aber man ermunterte mich dazu, wirklich tief einzutauchen, und half mir dabei, über die nächsten Jahre hinweg das Drehbuch zu schreiben.

Wie schwierig war es, dieses dann auch zu verfilmen?

Die größte Hürde war sicherlich das Casting. Wir haben uns auf der ganzen Welt umgesehen, um die passenden Leute zu finden. Dabei war mir wichtig, dass wir für die Hauptrolle eine 14-Jährige finden, die tatsächlich im Iran lebt und nicht woanders. Sie sollte nicht nur die Sprache sprechen, sondern auch wissen, was es heißt, im Iran zu leben.

Wie war das, jemanden zu suchen, der dich selbst spielt? Ist das einfacher oder schwieriger, wenn es um jemanden geht, der dich ersetzen soll?

Wir hatten den Sonderfall, dass wir mit den Vorbereitungen vor Covid begonnen haben, durch die Pandemie aber alles anders wurde. Von dem ursprünglichen Cast ist praktisch niemand mehr da, weil wir sehr kurzfristig anfangen mussten zu drehen und alle Pläne über den Haufen geworfen haben. Für meine Figur war es mir wichtig, jemanden zu finden, der einen Comedy-Hintergrund hat. Das Aussehen war zweitrangig. Die Leute sollten natürlich schon so aussehen, als seien sie eine Familie. Dafür mussten sie aber nicht unbedingt so aussehen wie wir. Wichtig war dafür, dass sie sich in ein Ensemble einfügen können, da The Persian Version ein Ensemblefilm ist. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir so tolle Leute gefunden haben, die auch wirklich miteinander spielen konnten und eine Familiendynamik zeigen.

Dein Film beginnt mit der Aussage, dass der Film eine mehr oder weniger wahre Geschichte erzählt. Was heißt das konkret? Was hast du für den Film geändert?

Natürlich muss du einiges verkürzen oder ändern, um daraus eine dramaturgische Struktur zu machen. Anderes wurde etwas übertrieben, um Komik zu erzeugen. Es gibt kleinere Änderungen, etwa im Hinblick auf meine Mutter, die im Film nicht aufhören kann zu reden. Dann habe ich nur sieben Brüder im Film, während es in Wahrheit acht sind. Außerdem sind da natürlich die Elemente eines magischen Realismus. Die meisten Sachen, die wir erzählen, sind dabei tatsächlich geschehen, aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Beispielsweise war mein Vater schon seit vielen Jahren tot, als ich meine Tochter bekommen habe. Aber ich wollte, dass der Patriarch Teil der Geschichte ist. Und auch die Dynamik zwischen den Figuren ist echt und basiert auf dem, wie es bei uns zuging. So war die Beziehung zu meiner Mutter schwierig, dafür hatte ich ein enges Verhältnis zu meinen Großeltern. Das war auch eine der Herausforderungen: Wie schaffe ich es, diese komplexen Beziehungen innerhalb von 100 Minuten auszudrücken? Dabei stand für mich von Anfang an fest, dass meine Mutter die Erzählerin sein würde. Ich wusste immer, dass sie im Herzen eine Autorin ist. Denn das ist es, was du tust, wenn du in ein fremdes Land ziehst: Du erzählst deine eigene Geschichte neu. Der Teil der Struktur war also gesetzt.

Du erzählst dabei auch sehr persönliche Geschichten. Warst du je an dem Punkt, an dem du dachtest, dass es jetzt zu persönlich für dich wird? Schließlich teilst du deine Familie mit möglicherweise Millionen von Fremden.

Ich habe meine Familie bei der Arbeit miteinbezogen und mir von alle die Erlaubnis geholt. Aus diesem Grund habe ich auch nur sieben Brüder, weil einer mit nicht die Erlaubnis gegeben hat ihn einzubauen. Mein erster Film Sharayet – Eine Liebe in Teheran handelt von zwei Frauen, die sich ineinander verlieben, und basiert ebenfalls zum Teil auf persönlichen Erfahrungen. Meine Mutter war am Anfang völlig aufgebracht und konnte es nicht fassen, dass ich Teile aus unserem Leben übernommen habe. Später hat sie aber angefangen ihn zu verteidigen. Jetzt, da sie das Oberhaupt unserer Familie ist nach dem Tod meines Vaters und meiner Großeltern, war es mit sehr wichtig sie zu involvieren. Ich habe sie ans Set eingeladen und dem Cast vorgestellt. Als wir abends mit den anderen Essen waren, war sie sehr still. Ich habe sie dann gefragt, was los ist, und sie meinte, dass sie sich vorher nie mit all dem auseinandergesetzt hatte, was ihr passiert ist. Für sie war der Film eine Möglichkeit, sich über viele Dinge bewusst zu werden. Nach der Premiere in Sundance sagte sie zu mir: „Du bist unserer Familie gerecht geworden. Es war an der Zeit, dass unsere Geschichte erzählt wird.“ Außerdem denke ich, dass die Proteste im Iran eine Rolle gespielt haben. Der Film wurde zwar vorher schon gedreht, kam aber erst nach den Protesten heraus. Und meine Mutter sieht, wie wichtig dieser Film ist, um unserer Gemeinschaft eine Stimme zu geben. Ihr war es auch wichtig, nicht als Opfer dargestellt zu werden. Denn das ist es, was sie uns gelehrt hat: immer weiterzumachen.

Zu Beginn deines Films sprichst du darüber, wie schwierig es ist, in zwei so unterschiedlichen Kulturen aufzuwachsen wie der US-amerikanischen und der iranischen. Denkst du, dass es überhaupt möglich ist, in zwei kaum miteinander zu vereinbarenden Kulturen gleichermaßen zu Hause zu sein?

Das ist ein ganz eigenartiges Gefühl. Du bist gleichzeitig bei beiden zu Hause und fremd, weil du nie ganz dazu gehörst und eine Außenseiterperspektive hast. Je älter ich werde, umso stärke nehme ich diese Unterschiedlichkeit und diese Widersprüche an. Letztendlich musst du für sich selbst einen Weg finden, mit diesen Unterschieden umzugehen. Einen Weg, der für dich Sinn ergibt und das beinhaltet, was du aus beiden Kulturen für dich bewahren willst.

Und siehst du es inzwischen als Vorteil oder als Nachteil, diese unterschiedlichen Einflüsse zu haben? Zu Beginn des Films hast du ziemlich damit zu kämpfen.

Das stimmt. Es war immer ein Kampf. Aber es kann auch etwas Wertvolles sein und dich auszeichnen. In meinem Freundeskreis kommen wir aus sehr verschiedenen Ländern und bringen all unsere Einflüsse zusammen. Letztendlich würde ich auch sagen, dass es das ist, was uns zu Amerikanern macht. Das wir wirklich von überall her kommen und alles miteinander vermischen. Deswegen lasse ich mir auch nicht von Trump und den anderen Scharlatanen sagen, dass ich nicht in die USA gehöre. Wir sind die USA. Wobei das genauso für Europa gilt. Als ich The Persian Version in Deutschland gezeigt habe, kamen Menschen mit den verschiedensten Hintergründen auf mich zu, türkisch, arabisch, chinesisch, und meinten, wie sehr sie sich in dem Film selbst gesehen haben. Die Diskussion, was uns ausmacht und wohin wir gehöre, ist so universell und wichtig. Es ist okay, widersprüchlich zu sein und sich vielleicht auch zu verändern im Laufe der Zeit.

Ein Symbol für diese Widersprüche ist die Musik. Eine große Rolle spielt dabei Cyndi Laupers Girls Just Wanna Have Fun, das in zwei Szenen zu hören ist, einmal als Original, einmal als „Persian Version“. Warum hast du dich für dieses Lied entschieden?

Popmusik aus den 80ern war eine große Sache für mich und ich habe sie immer wieder in den Iran geschmuggelt. Die vier größten Künstler waren damals Michael Jackson, Prince, Madonna und Cyndi Lauper. Girls Just Wanna Have Fun hatte dabei eine besondere Bedeutung für mich. Wenn du dir das Video anschaust, hast du Leute, die wirklich von überall herkommen. Du hast Italiener. Du hast Asiaten. Wo hast du in den 80ern irgendwo Asiaten gesehen, die wie selbstverständlich dabei sind? Du hast genderfluide Menschen. Sie alle kommen zusammen, um gemeinsam Spaß zu haben. Wenn du dann noch hinzu nimmst, worum es in dem Lied geht und dass Cyndi immer für queere Menschen gekämpft hat, war es ideal für das, was wir mit dem Film ausdrücken wollten. Und daraus haben wir die „Persian Version“ gemacht, die zum Teil auf Englisch, zum Teil auf Persisch gesungen wird und bei der auch iranische Instrumente verwendet werden. Da kommen also wirklich die verschiedenen Kulturen zusammen, um Spaß zu haben. Was kann es Schöneres geben?

Vielen Dank für das Gespräch!



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