Bring mich nach Hause
© ZDF/Hannes Hubach

Bring mich nach Hause

Inhalt / Kritik

Bring mich nach Hause
„Bring mich nach Hause“ // Deutschland-Start: 25. Oktober 2021 (ZDF)

Der Schock ist groß bei Ulrike (Silke Bodenbender), als sie ihre Mutter Martina (Hedi Kriegeskotte) bewusstlos auf dem Boden findet. Doch zum Glück ist sie sofort zur Stelle und kann Hilfe holen, im Krankenhaus stabilisiert sich ihr Zustand. Als Martina einige Wochen später noch immer im Koma liegt, macht man der Familie nur wenig Hoffnung, dass sie jemals wieder aufwacht. Und selbst wenn: Die Gehirnschäden sind so groß, dass sie nie wieder ihr vorheriges Leben fortsetzen kann. Für die streng religiöse Ulrike und ihren Mann Matthias (Christian Erdmann) ist klar, dass trotzdem um ihr Leben gekämpft werden soll, weshalb sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, einen Platz in einem Heim für sie zu organisieren. Ihre Schwester Sandra (Anneke Kim Sarnau), die als Naturwissenschaftlerin arbeitet, ist hingegen skeptisch, ob die lebenserhaltenden Maschinen wirklich ein Segen sind …

Lebensverlängerung, ja oder nein?

So beeindruckend und hilfreich es sein kann, wie Medizin und Technik Leben retten und verlängern können, dann und wann kommt man an einem Punkt an, an dem man sich fragt: Ist das überhaupt noch wünschenswert? Vor einigen Wochen lief bereits Die Heimsuchung im Ersten, bei dem ein Mensch im Wachkoma liegt und die Angehörigen sich mit der Entscheidung auseinandersetzen müssen, ob die Maschinen angeschlossen bleiben sollen oder nicht. Nun zieht das ZDF nach und bringt mit Bring mich nach Hause einen eigenen Beitrag, zusammen mit einem begleitenden Dokumentarfilm. Während der obige Titel aus dem Stoff aber einen kontroversen Mysterythriller bastelte, ist man hier im Dramabereich unterwegs. Das macht den Film aber nicht weniger kontrovers.

Genauer sind es zwei zentrale Fragen, welche die beteiligten Figuren unter sich klären müssen. 1. Ist ein Leben, wie es Martina im Heim führt, noch lebenswert oder stellt ein Fortgang eine Qual dar? 2. Wer darf eine solche schwerwiegende Entscheidung treffen? Zumindest bei letztem Punkt gibt es eine eindeutige Lösung: Patientenverfügung. Wer seiner Familie eine derartige Entscheidung ersparen möchte, der sollte vorher unmissverständlich festlegen, was in einem solchen Fall geschehen sollte – und was nicht. Bring mich nach Hause ist daher nicht nur Denkanstoß, sondern vor allem ein Appell, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und vorzusorgen. Mit einer schriftlichen Erklärung hätte Martina ihrer Familie sehr viel Kummer erspart.

Reißerische Zuspitzung

Der erste Punkt ist da weniger eindeutig. Das Drehbuch von Britta Stöckle (Rufmord) lässt aber eine sehr eindeutige Präferenz durchklingen. Zwar spricht Bring mich nach Hause immer wieder davon, dass es Wunder geben kann und Leute nach Jahren aus dem Koma erwachen. Aber der Fokus liegt schon eindeutig darauf, welche Qualen die alte Frau durchmachen muss, wenn der Körper immer weiter abbaut, aber am Sterben gehindert wird. Hinzu kommt, dass die Leute, die in dem Heim arbeiten, nicht viel mehr als Karikaturen sind. Schwester Olga (Berit Künnecke) ist eine überhebliche religiöse Spinnerin. Heimleiterin Frau Kruse (Anna Grisebach), so wird immer wieder angedeutet, ist in erster Linie am schnellen Geld interessiert.

Mit einer derart einseitigen Figurenzeichnung tat man sich natürlich keinen Gefallen. Auch an anderen Stellen ist Bring mich nach Hause problematisch. Dass die religiöse Schwester für das Leben mit Maschine ist und die vernünftige Naturwissenschaftlerin diese tendenziell abschalten will, reduziert die existenzielle Frage auf fixe Weltansichten, anstatt den immer persönlichen Charakter einer solchen Entscheidung aufzuzeigen. An Stelle des notwendigen Feingefühls tritt eine bizarre Eskalation. Anstatt dem Thema als solchen zu vertrauen wird ziemlich reißerisch versucht, noch einmal Spannung zu erzeugen. Diese Zeit wäre besser investiert, um gerade die Vorgänge in Ulrike präziser auszuarbeiten. Da machte man es sich schon sehr einfach.

Mehr Debatte wagen

Doch auch wenn da einiges nicht gut gelöst wurde, das Thema ist und bleibt wichtig. Das Drama, welches auf dem Filmfest Hamburg 2021 Premiere feierte, ist ein willkommener Beitrag zu einer Debatte, die sehr viel häufiger geführt werden müsste. Die Tabuisierung des Todes und der Umgang mit schweren Krankheiten führt nicht nur an dieser Stelle zu Unsicherheiten. Sowohl der Glaube an Religion wie auch der an die Wissenschaft können dazu führen, die eigene Verantwortung auszulagern. Bring mich nach Hause wird damit zu einem leidenschaftlichen Plädoyer dafür, sich mehr mit der eigenen Sterblichkeit zu befassen und der Frage, worauf es wirklich im Leben ankommt.

Credits

OT: „Bring mich nach Hause“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Christiane Balthasar
Drehbuch: Britta Stöckle
Musik: Johannes Kobilke
Kamera: Hannes Hubach
Besetzung: Silke Bodenbender, Hedi Kriegeskotte, Christian Erdmann, Camille Loup Moltzen, Anna Grisebach, Berit Künnecke, Nicholas Reinke

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Eine Frau fällt ins Koma, die beiden Töchter müssen entscheiden, ob sie die Maschinen abschalten sollen. „Bring mich nach Hause“ spricht ein wichtiges Thema an und ist eine klare Aufforderung, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Leider wird das Drama dabei jedoch durch einseitige Figurenzeichnung und den Hang zum Reißerischen dem eigenen Anspruch aber nur bedingt gerecht.
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