1986
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1986

inhalt / Kritik

1986
„1986“ // Deutschland-Start: 9. September 2021 (Kino)

Im Leben der jungen Studentin Lena (Daria Mureeva) ist vieles nicht so, wie sie es gerne hätte. Ihr Vater, der wegen illegalen Stahlhandels und Steuerhinterziehung im Gefängnis sitzt, versucht seine Tochter davon zu überzeugen, sich nicht in dieselbe Lage zu bringen wie er. Doch die materiellen Nöte der Familie wie auch die Sorge um in treiben die junge Frau an, sich ebenfalls auf die zwielichtigen Geschäfte einzulassen. Als wäre es nicht schon genug, sich auf derlei Geschäfte einzulassen, die von Lena fordern, sich bis in die verseuchte Zone Tschernobyls vorzuwagen, hat sie auch noch private Probleme, denn ihren Freund Viktor (Evgeni Sangadzhiev) verdächtigt sie der Untreue, was dieser vehement abstreitet. Jedoch ertappt Lena ihn in Minsk, auf dem Campus sowie während dessen Urlaub in Schweden dabei, wie er mit anderen Frauen zusammen ist, was dieser ihr gegenüber mit immer fadenscheinigeren Ausflüchten versucht, auszureden. Parallel fängt auch Lena eine Beziehung mit dem gleichaltrigen Russen Ljosha (Aleksei Filimonov), doch da dieser verheiratet ist und mit seiner Frau und ihrem gemeinsamen Kind eigentlich in Moskau lebt, kommt es zwischen den beiden zu nichts mehr als ein paar Küssen und ein paar Treffen.

Da ihre private wie auch familiäre Situation Lena zunehmend belastet und auch ihr Fotografiestudium zunehmend zu einer Sackgasse für sie wird, plant sie, mittels der alten Kontakte ihres Vaters, zumindest diesen aus dem Gefängnis zu holen und seine Schulden abzubezahlen. Jedoch ist diese Unternehmung gefährlich und während ihre Beziehung zu Viktor immer mehr auf die unvermeidliche Katastrophe hinsteuert, verschätzt sie sich zudem bei ihren neuen Geschäftspartnern.

Hinein in die Sperrzone

Nach einer ganzen Reihe von Kurzfilmen, Theaterproduktionen sowie Mitarbeit an Kunstworkshops folgt mit 1986 der erste Spielfilm des deutschen Regisseurs Lothar Herzogs, welcher bereits auf vielen internationalen Festivals lief und Preise wie den Gold Award für die Beste Regie bei den Internationalen Hofer Filmtagen sowie die für den Besten Spielfilm beim Mosfilmfest gewinnen konnte. Dabei begibt sich die Handlung in das bekanntermaßen von politischen Unruhen geplagte Belarus, wobei diese weniger im Fokus stehen, dafür aber das Schicksal der Protagonistin, deren Leben sich mehr und mehr ihrer Kontrolle entzieht.

Immer wieder zieht es Lena in die Sperrzone, die nicht mehr nur Treffpunkt für die Lieferungen wird, zu denen sie sich verpflichtet fühlt, sondern deren Ruhe und Wildheit sie scheinbar sehr anzieht. Die Bilder der Wildnis sowie der verfallenen Industrieruinen bilden darüber hinaus einen scharfen Kontrast zu jener Welt in Minsk sowie die der Vorlesungen, in denen Lena und ihren Kommilitonen von der erfolgreichen Wirtschaft in Belarus erzählt wird und vom Wohlstand der Bevölkerung, was nicht nur im krassen Gegensatz zum Empfinden der Protagonistin steht, sondern welche sich mehr und mehr nach einer Art Durchhalteparole oder Mantra anhört, wobei die emotionalen wie auch materiellen Nöte eine ganz andere Geschichte erzählen.

So ein Chaos im Kopf

Auch wenn die Vielzahl an Konfliktherden im Leben seiner Protagonistin reichlich sind, ist Herzog mit 1986 ein bemerkenswert unaufgeregter Film gelungen. Die ruhigen, meist statischen Kameraaufnahmen Philipp Baben der Erdes unterstreichen den Eindruck eines Dramas, welches scheinbar hinter dieser ruhigen Fassade ausgetragen wird, oder eine Welt, die an der Protagonistin vorbeizieht, wie die Stadt hinter den Scheiben eines Busses oder die Landschaft, welche Lena auf dem Weg in ihr Heimatdorf im Zug sieht. Diese spröde, nüchterne, teils sogar etwas kalte Welt, die Herzog inszeniert, wird scheinbar immer mehr zu einer Art Feind für die Hauptfigur, die immer öfter die Flucht sucht.

In der Hauptrolle ist Daria Mureeva als Lena eine wahre Entdeckung und wurde bereits für ihre Darstellung bei vielen Filmfestivals geehrt. Lena ist ein Geheimnis für den Zuschauer, eine Frau, die man leicht unterschätzt und die undurchdringlich bleibt, vielleicht auch für sich selbst.

Credits

OT: „1986“
Land: Belarus, Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Lothar Herzog
Drehbuch: Lothar Herzog
Musik: Fabian Saul, Rafael Triebel
Kamera: Philipp Baben der Erde
Besetzung: Daria Mureeva, Evgeni Sangadzhiev, Vitali Kotovitski, Aleksei Filimonov

Bilder

Trailer

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„1986“ ist ein stilles Drama über Familie und Beziehungen. Lothar Herzogs Film überzeugt durch seine ruhige, bestimmte Bildsprache sowie durch seine tolle Hauptdarstellerin, von der man hoffentlich noch mehr hören wird.
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