Nur Fliegen ist schöner Comme Un Avion
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Nur Fliegen ist schöner

Inhalt / Kritik

Nur Fliegen ist schöner
„Nur Fliegen ist schöner“ // Deutschland-Start: 19. Mai 2016 (Kino) // 22. September 2016 (DVD)

Eigentlich hat Michel (Bruno Podalydès) ja alles, was er zum Leben braucht. Als Grafikdesigner hat er einen sicheren Job. Auch seine Ehe mit Rachelle (Sandrine Kiberlain) läuft. Nur: Kann das wirklich schon alles sein? So richtig beglückend ist das irgendwie nicht. Als er eines Tages auf das Bild eines Kajaks stößt, fühlt er sich davon so inspiriert, dass er sich kurzerhand ein solches Boot und lauter Equipment kauft, um es heimlich auf dem Dach zusammenzubauen und von einem großen Abenteuer zu träumen. Mit dem Traum ist es jedoch schnell vorbei, als die misstrauisch gewordene Rachelle hinter sein Geheimnis kommt und ihn nun dazu drängt, auch wirklich mal Taten folgen zu lassen. Nach einem Zögern lässt sich Michel darauf ein und paddelt tatsächlich einen Fluss entlang – mit einem ungeahnten Ausgang …

Komische Halbzeit-Analyse

An ihr führt (fast) kein Weg vorbei: die gute alte Midlife Crisis. Irgendwann steht dann doch bei den meisten der Punkt an, dass sie ihr bisheriges Leben auf den Prüfstein legen und dabei auch überlegen, wohin die weitere Reise gehen soll. Was habe ich bislang erreicht? Was ist aus den Träumen geworden, die ich einmal hatte? Das Ergebnis kann ein wertvoller Erneuerungsprozess sein. Manchmal stürzen sich die Betroffenen aber auch in kuriose Experimente, wenn sie sich an etwas Neuem ausprobieren wollen. Das ist gerade bei Filmen ein dankbares Thema. In Tanze Tango mit mir nimmt ein arbeitsloser Mann heimlich Tanzstunden. Mein 40-jähriges Ich zeigt eine erfolglose Autorin, die sich jetzt als Rapperin versucht.

In Nur Fliegen ist schöner ist es, auch wenn der Titel etwas anderes erwarten lässt, die Fahrt mit einem Kajak, die neuen Schwung in ein eintönig gewordenes Leben bringen soll. Anders als bei den obigen Beispielen, wo die jeweiligen Protagonist*innen aber auch wirklich mal etwas tun, da ist Michel ein reiner Träumer. Zuerst reicht es ihm, einfach nur das Bild des symmetrisch so ansprechenden Bootes anzuschauen. Und selbst als er es heimlich zusammenbaut, verlässt er nie die reine Vorstellung, begnügt sich damit, in seiner Fantasie unterwegs zu sein. Wäre da nicht seine Frau, gut möglich, dass das Kajak das Dach nie verlassen hätte.

Mal ganz in Ruhe

Bruno Podalydès, der hier Regie führte, das Drehbuch schrieb und auch die Hauptrolle übernahm, legt seinen Protagonisten dadurch recht eindeutig als jemand an, dem die Idee mehr gefällt als die Tat. Das zeigt sich auch später, als Michel einen schönen Flecken Erde findet und ihm der Antrieb fehlt, dem süßen Nichtstun wieder zu entsagen. Es ist aber auch zu verführerisch. Nur Fliegen ist schöner entführt uns in eine Welt, die ein wenig der Wirklichkeit entrückt ist. Ein Ort, an dem alles möglich zu sein scheint, auch wenn irgendwie nichts so richtig klappt. Das macht die französische Komödie auf gewisse Weise zu einem Aussteigerfilm. Nur dass dies eben nicht in dem angekündigten Abenteuer mündet, sondern dem Luxus, das Abenteuer doch nicht antreten zu müssen.

Das kann man dann natürlich erbärmlich finden. Oder auch langweilig. So wie Michel eben kein Mann der Tat ist, so ist Nur Fliegen ist schöner kein Film, der auf Handlung Wert legt. Natürlich hätte es Möglichkeiten gegeben, die Geschichte mit Gags zu stopfen. Sehr viele sogar. Von potenziellen Slapstick-Szenen, wenn der unbegabte Träumer auf reale Hindernisse stößt, über eigenartige Begegnungen unterwegs bis zu Running Gags, all das wäre denkbar gewesen. Podalydès verzichtet jedoch darauf. Sein Humor ist ein anderer, er ist leiser und etwas skurriler. So gibt es beispielsweise bei den bescheuerten Erfindungen, die Michel mit sich herumschleppt, Gründe zum Schmunzeln. Lautstarkes Lachen dürfte hingegen bei eher wenigen die Folge sein.

Eine Pause im eigenen Rhythmus

Das werden die einen als nicht genutztes Potenzial ansehen. Gleichzeitig darf man sich aber auch freuen über eine Komödie, die ihrem eigenen Rhythmus folgt und sich mehr am Leben und den Details erfreut als herkömmlichen Genreanforderungen. Nur Fliegen ist schöner funktioniert als spöttischer Kommentar über Menschen, die sich von der Natur und dem eigenen Tun entfremdet haben, ist gleichzeitig aber das warmherzige Porträt eines Mannes, der auf der Stelle tritt. Der, so lernen wir langsam, aber auch auf der Stelle treten darf. Das macht den Film zu einer sympathischen Gegenbewegung auf eine Welt, in der alles immer größer, besser und schneller sein muss. Eine Art Urlaub von den Erwartungen, die andere und wir selbst an uns stellen.

Credits

OT: „Comme Un Avion“
Land: Frankreich
Jahr: 2015
Regie: Bruno Podalydès
Drehbuch: Bruno Podalydès
Kamera: Claire Mathon
Besetzung: Bruno Podalydès, Sandrine Kiberlain, Agnès Jaoui, Vimala Pons

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
César 2016 Beste Nebendarstellerin Agnès Jaoui Nominierung

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Nur Fliegen ist schöner“ nimmt uns mit auf eine nicht ganz geplante Kajak-Fahrt eines Mannes in der Midlife Crisis, die nicht wirklich zu etwas führt. Das wird für die einen zu langweilig und ereignislos sein, zumal auf viele offensichtliche Gags verzichtet wird. Dafür ist die Komödie irgendwie wohltuend, entspannend und dabei doch mit mehr Inhalt, als es zunächst aussieht.
7
von 10