Die Misswahl Der Beginn einer Revolution Misbehaviour
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Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution

Kritik

Die Misswahl Der Beginn einer Revolution Misbehaviour
„Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution“ // Deutschland-Start: 1. Oktober 2020 (Kino)

Die Welt muss sich ändern und endlich Frauen denselben Respekt entgegenbringen wie den Männern – darin sind sich Sally Alexander (Keira Knightley) und Jo Robinson (Jessie Buckley) einig. Bei der Wahl der Mittel könnten die beiden aber keine unterschiedlicheren Ansichten vertreten. Während Sally das System von innen heraus verändern möchte und dafür auch an die Uni geht, setzen Jo und andere Aktivistinnen vor allem auf Taten – etwa Slogans, die sie auf Plakate sprühen. Doch als 1970 die nächste Wahl zur Miss Welt ansteht und in London veranstaltet wird, beschließen sie gemeinsame Sache zu machen, um das frauenfeindliche Event zu stören und auf die Missstände aufmerksam zu machen. Zeitgleich hat die amtierende Miss Grenada Jennifer (Gugu Mbatha-Raw), welche an dem Wettbewerb teilnimmt, ganz andere Sorgen, ist sie als schwarze Frau gleich doppelt Diskriminierung ausgesetzt …

50 Jahre sind die Ereignisse inzwischen her, die in Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution dargestellt werden. Das ist eine lange Zeit. Und doch irgendwie nicht genug: Auch wenn sich seither natürlich einiges getan hat, was in dem Film gezeigt wird und die angesprochenen Themen sind noch immer so aktuell, dass man vor Scham im Boden versinken möchte. Das ist Regisseurin Philippa Lowthorpe und ihrem Team natürlich bewusst. Mehr noch: Hier wird jede Gelegenheit genutzt, um zeitlose Überlegungen rund um die Rolle der Frau anzustoßen, wohl wissend, dass trotz der historischen Komponente da draußen genügend Leute auf das Gezeigte reagieren werden.

Ernst mit Augenzwinkern

Es ist aber auch zu offensiv, was die diversen Protagonistinnen hier so zu erdulden haben. Ob es die herablassenden Kommentare sind, die Sally in der Universität erhält, die diversen Bevormundungen während der Misswahl oder auch die Sprüche von Bob Hope, der das Event moderiert und auf eine beeindruckend schmierige Weise von Greg Kinnear verkörpert wird: Kaum eine Minute vergeht, in der nicht klar wird, wie groß der Handlungsbedarf ist. Dabei versteift sich Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution nicht zu sehr moralisierende Belehrungen, lässt so manches erst einmal unkommentiert. Der Film ist auch kein bleiernes Betroffenheitsdrama, das sein Publikum erdrücken möchte.

Tatsächlich ist Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution eine überraschend leichtfüßige Komödie, die ihr ernstes Anliegen bevorzugt mit einem kleinen Augenzwinkern anbringt. Das funktioniert gerade auch wegen des spielfreudigen Ensembles sehr gut. Unterhaltsam sind beispielsweise die Szenen, die auf den Kontrast der beiden Aktivistinnen setzen: Während Keira Knightley (Fluch der Karibik) eine doch eher biedere Vorkämpferin verkörpert, die alles korrekt machen will, wird Jessie Buckley (Wild Rose) zur kompromisslosen Rebellin, die erst einmal gegen alles ist und wenig Interesse an Diskussionen zeigt. Der Film ist dann auch die Geschichte einer heterogenen widersprüchlichen Bewegung, die noch sehr jung ist und teilweise mehr mit sich selbst als der Welt da draußen beschäftigt ist.

Eine schwierige Entscheidung

Auch an anderen Stellen fällt auf, wie sehr man bei Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution um Differenzierung bemüht war. Schön sind beispielsweise die Szenen zwischen Sally und ihrer Mutter, die sich selbst keine Träume erfüllen konnte und einfache Hausfrau blieb, sich dafür aber um ihre Kinder kümmern konnte – während Sally ihre eigene Tochter immer wieder vernachlässigen muss. Damit geht dann die Grundsatzfrage einher, welche Aufgabe eine Mutter zu erfüllen hat: Soll sie das Leben der Kinder so schön wie möglich machen oder für eine bessere Zukunft kämpfen? Ein zweiter wichtiger Aspekt, der eine solche offene Frage beinhaltet, ist der des Rassismus. Sally und Jo sehen die Misswahl in erster Linie als Unterdrückung. Für Jennifer ist es eine Möglichkeit, dass schwarze Frauen auf einer Stufe mit weißen Frauen stehen. Doch was ist wichtiger: Kampf für eine Gleichberechtigung für Frauen oder Kampf für Gleichberechtigung von Schwarzen?

Dass der Film sich an der Stelle nicht festlegen mag, ist einerseits als Diskussionsgrundlage begrüßenswert, zeigt aber auch auf, dass man hier bloß niemandem auf die Füße treten wollte. Vielmehr hat Lowthorpe, die zuvor überwiegend im Fernsehen tätig war, eine dieser Wohlfühl-Tragikomödien gedreht, die gleichzeitig auf Missstände aufmerksam machen wollen, ohne dabei die gute Laune zu verderben. Das kann man nun mutlos finden oder zu wenig ambitioniert, an manchen Stellen hätte man sich schon mehr Schärfe und Konturen gewünscht. Aber es ist doch eine unterhaltsame Geschichtsstunde, die dazu anregt, auch über das hier und jetzt noch ein bisschen mehr nachzudenken.

Credits

OT: „Misbehaviour“
Land: UK
Jahr: 2020
Regie: Philippa Lowthorpe
Drehbuch: Gaby Chiappe, Rebecca Frayn
Musik: Dickon Hinchliffe
Kamera: Zac Nicholson
Besetzung: Keira Knightley, Gugu Mbatha-Raw, Jessie Buckley, Keeley Hawes, Phyllis Logan, Lesley Manville, Rhys Ifans, Greg Kinnear

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„Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution“ nimmt uns mit in das Jahr 1970, als eine Aktivistinnen-Gruppe die Misswahl als Symbol der Unterdrückung von Frauen bekämpft. Das Thema ist ernst, wird aber mit viel Humor aufgearbeitet, was auch dank der Schauspielerinnen gut funktioniert. Schön ist zudem, dass die Komplexität immer wieder aufgezeigt wird, auch wenn zum Ende hin doch der Wohlfühlfaktor überwiegt.
7
von 10