Binti
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Binti – Es gibt mich!

Kritik

Binti Es gibt mich
„Binti – Es gibt mich!“ // Deutschland-Start: 17. September 2020 (Kino)

Die 12-jährige Binti (Bebel Tshiani Baloji) weiß ganz genau, was sie will: ein Internet-Star werden! Ständig hat sie ihr Handy dabei, macht von sich Videos, in der Hoffnung, möglichst viele Leute da draußen erreichen zu können. Ihr Vater Jovial (Baloji) ist da ganz anders, er möchte von so wenigen wie möglich gesehen werden. Und das aus gutem Grund, schließlich halten der Kongolese und seine Tochter sich illegal in Belgien auf. Der 11-jährige Elias (Mo Bakker) hat hingegen ganz andere Sorgen. So engagiert er sich leidenschaftlich für den Erhalt der Okapis, hat sogar einen eigenen Club gegründet. Noch mehr leidet er aber darunter, dass seine Eltern sich getrennt haben. Während er weiterhin bei seiner Mutter Christine (Joke Devynck) lebt, ist sein Vater nach Brasilien und hat dort eine neue Familie. Als Binti dem Jungen über den Weg läuft, werden die beiden nicht nur schnell Freunde. Sie fasst auch einen Plan, wie sie vielleicht beiden helfen kann …

Beschäftigung mit schweren Themen
Belgien und Kongo, das bedeutet eine lange, teils sehr hässliche gemeinsame Vergangenheit. Zuletzt wurde im Rahmen der weltweiten Black Lives Matter Bewegung die grausame Kolonialgeschichte wieder thematisiert und eine stärkere Auseinandersetzung damit gefordert. Doch die Erfolge halten sich in Grenzen – und das obwohl die Auswirkungen 60 Jahre nach der überfälligen Unabhängigkeit des afrikanischen Staates noch immer zu spüren sind. Allzu tief steigt Binti – Es gibt mich! in diese Materie nicht ein, was bei einem Kinderfilm verständlich ist. Zumindest beiläufig wird aber das spezielle Verhältnis durchaus angesprochen und an den Pranger gestellt. So ist es kein Zufall, dass der Film von der sehr unterschiedlichen Behandlung zweier kongolesischer Exporte spricht. Während Binti und ihr Vater in dem europäischen Land unerwünscht sind, offiziell nicht existieren, handelt es sich bei den Okapis um Lebewesen, die gegen ihren Willen aus Afrika mitgeschleppt wurden. Eine Entführung, wie es an einer Stelle des Films heißt.

Binti – Es gibt mich! macht auf beide Missstände aufmerksam, sowohl den Umgang mit sogenannten illegalen Einwanderern wie auch die mangelnde Achtung von Tieren, die aus einem Faible für Exotik durch die Welt gekarrt wurden, für die sich jetzt aber niemand mehr interessiert. Die Kombination aus gleich zwei großen Themen – Naturschutz und Immigration – innerhalb nur eines Films ist natürlich schon irgendwie ambitioniert. Hinzu kommt, dass die Zielgruppe eben jünger ist, weshalb das alles nicht zu sehr in die Tiefe gehen darf, die Länge des Films traditionell etwas kürzer ausfällt. Mehr als 90 Minuten ist da nicht drin. Da darf man schon etwas skeptischer werden, ob ein solcher Film dem Ganzen auch wirklich gerecht wird, überhaupt gerecht werden kann. Die Antwort lautet glücklicherweise „ja“, wenn auch mit den zu erwartenden Einschränkungen.

Idealisiert und einfühlsam
Dass bei Binti – Es gibt mich! letztendlich alles gut ausgeht, auf wundersame Weise sich für alles eine Lösung findet, dürften nur die größten Träumer als realistisch empfinden. Regisseurin und Drehbuchautorin Frederike Migom geht da bei ihrem Spielfilmdebüt schon lieber den einfachsten Weg. Und natürlich hält sie sich auch an diverse Konventionen. Ab dem Zeitpunkt, an dem sich die beiden jungen Protagonist*innen über den Weg laufen, weiß man eigentlich schon ziemlich genau, wie sich das alles abspielen wird. Sowohl die brisanten Szenen, wenn alles droht den Bach runterzugehen, wie auch die Lösungen folgen den absehbaren, sehr geradlinigen Pfaden. Es geht in dem Familienfilm ebenso wenig um Authentizität wie um Überraschungen.

Dafür zeigt die belgisch-niederländische Coproduktion einfühlsam die Welt aus der Sicht zweier Kinder, für die vieles keinen Sinn ergibt. Während Binti nicht nachvollziehen kann, weshalb es sie offiziell nicht gibt, obwohl sie doch da ist und von vielen Leuten gesehen wird, ist für Elias die Trennung der Eltern inakzeptabel. Eltern müssen zusammen sein, so gehört sich das. Der Film bereitet die zwei jungen Menschen aber ebenso wie die Gleichaltrigen im Publikum darauf vor, dass da draußen viele Schwierigkeiten warten und schärft das Bewusstsein für die großen gesellschaftlichen Themen, ohne gleich damit zu überfordern. Vielmehr wird gezeigt, dass man sich nicht davon einschüchtern lassen sollte, ermuntert dazu, sich den Problemen zu stellen. Das funktioniert gut, auch wegen der sympathischen, energiereichen Hauptdarstellerin und der stimmigen Einbettung in das Social-Media-Alter, bei dem schon früh gelernt werden muss, dass es nicht nur auf das „was“, sondern auch das „wie“ ankommt, wenn man etwas erreichen möchte.

Credits

OT: „Binti – Es gibt mich!“
Land: Belgien, Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Frederike Migom
Drehbuch: Frederike Migom
Musik: Le Motel
Kamera: Joachim Philippe
Besetzung: Bebel Tshiani Baloji, Mo Bakker, Joke Devynck, Baloji, Frank Dierens

Bilder

Trailer

Filmfeste

Schlingel 2019
Sundance Film Festival 2020
Zurich Film Festival 2020

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In „Binti – Es gibt mich!“ freundet sich ein junges Mädchen aus dem Kongo mit einem belgischen Jungen an. Der Familienfilm zeigt zwar idealisiert und mit vielen Konventionen, aber doch einfühlsam die Erfahrungswelt von Kindern, die sich mit Themen wie Immigration und Naturschutz auseinandersetzen müssen. Für die Zielgruppe ist das sehenswert, gerade auch wegen der energiegeladenen Hauptdarstellerin, die zur Identifikationsfigur wird.
7
von 10