Annabelle 2
© Warner Bros

Annabelle 2

(OT: „Annabelle: Creation“, Regie: David F. Sandberg, USA, 2017)

Annabelle 2Es war ein so schrecklicher Unfall: Als Sam (Anthony LaPaglia) und Esther Mullins (Miranda Otto) einen Moment nicht aufpassen, läuft ihre siebenjährige Tochter Annabelle (Samara Lee) vor ein Auto. Auch zwölf Jahre später sind der Puppenbauer und seine Frau nicht über den Verlust hinweggekommen. Die Stimmung ist daher schon ein wenig gedrückt in dem abgelegenen Farmhaus, selbst als sie es als Unterkunft für Waisenkinder zur Verfügung stellen. Nonne Charlotte (Stephanie Sigman) ist dennoch überaus dankbar, gemeinsam mit ihren sechs Schützlingen dort einziehen zu dürfen. Während die anderen es sehr genießen, endlich einmal wieder in einem richtigen Zuhause zu sein, machen Janice (Talitha Bateman) und ihre beste Freundin Linda (Lulu Wilson) einige seltsame Entdeckungen. Vor allem bei der unheimlichen Puppe, die sie im verbotenen Nähzimmer entdecken, scheint etwas nicht mit rechten Dingen vor sich zu gehen.

Als Universal kürzlich mit Die Mumie sein „Dark Universe“ heraufbeschwor, in dem legendäre Monster von einst in mehreren Filmen zusammenfinden – die Mumie, Frankenstein und Dracula beispielsweise – war das Ergebnis ernüchternd. Die Einspielzahlen waren geringer als erhofft, der Film selbst war ebenfalls eine ziemliche Enttäuschung, was den Machern eine Menge Spott einbrachte. Dass ein Shared Universe im Horrorbereich funktionieren kann, das zeigte ausgerechnet ein Film, der das gar nicht wollte: Conjuring – Die Heimsuchung. Nachdem der lose auf wahren Begebenheiten basierende Dämonenschreck zu einem Monsterhit wurde, folgte ein Jahr drauf mit Annabelle das erste Spin-off, letztes Jahr Conjuring 2. Letzteres soll zwei weitere Spin-offs hervorbringen (The Nun, The Crooked Man), gleichzeitig wird an Conjuring 3 gearbeitet. Und in der Zwischenzeit gibt es mit Annabelle 2 ein Prequel zum ersten Spin-off.

Überraschung: Das Prequel ist deutlich besser
„Mieser Ausverkauf!“, wird der eine oder andere denken. „Muss ich jetzt wirklich à la Marvel alle Filme sehen, um die Geschichte zu verstehen?“ Aber Entwarnung: Abgesehen von einigen wenigen Anspielungen ist der Puppenhorror komplett unabhängig von den vorangegangenen drei Filmen. Vor allem ist das Prequel deutlich besser als der seinerzeit so vermurkste erste Soloauftritt von Annabelle. Zurück zu den Wurzeln heißt es hier, was sich nicht nur auf den Inhalt bezieht, der uns verrät, woher dieses scheußliche Spielzeug eigentlich kommt. Auch von der Machart her erinnert der zweite Spielfilm von Regisseur David F. Sandberg (Lights Out) wieder an die Anfänge der Schauersaga.

Wo Annabelle noch recht plump mit der Kamera hin und her sprang, um ja auch dem letzten Zuschauer noch zu signalisieren, wo etwas passiert, ist Annabelle 2 wieder deutlich eleganter. Allgemein sind die Bilder sehr stimmungsvoll geworden, zumindest innerhalb des Horrorkontextes. Gerade die lichtdurchflutete Gegend um das Haus lädt ein, etwas länger zu verweilen. Das Haus selbst hat viele schön verwinkelte Ecken, darunter die übliche Kammer unter der Treppe, eine Scheune, gleich zwei verbotene Zimmer, ein Brunnen. Ach ja, einen Treppenlift gibt es auch – Gremlins lässt grüßen. Also alles, was ein verfluchtes Haus so braucht.

Kompetente Aufarbeitung der üblichen Horrorklischees
Das ist gleichzeitig dann aber auch wieder das Problem mit Annabelle 2. Hier schauen sehr viele bekannte Filme vorbei. Zugegeben, Originalität war nie die Stärke der Reihe gewesen. Von einigen inszenatorischen Finessen einmal abgesehen war schon Conjuring nur eine Aufarbeitung der üblichen Horrorklischees. Das ist hier nicht anders. Verschlossene Türen, die plötzlich auf sind, Schritte, wo keine sein dürften, sich im Hintergrund bewegende Schatten, elektronische Geräte, die sich verselbständigen – da ist wirklich so gar keine Szene dabei, die einen wirklich überrascht. Für einen Film, der anderen Angst machen soll, ist er selbst erschreckend ängstlich.

Unterhaltsam ist der Streifen aber schon, gerade auch zum Schluss, wenn sich die Ereignisse überschlagen und nicht abzusehen ist, wer hier mit dem Leben davonkommt. Denn immerhin ist das Bewährte so kompetent umgesetzt, dass der Film keine nennenswerten Fehler oder Längen hat, die Spannungskurve bewegt sich auf einem angenehmen Niveau. Zudem sind die Figuren sympathisch. Gerade das Zusammenspiel von Bateman und Wilson (Ouija – Ursprung des Bösen) funktioniert tadellos. Die anderen Bewohner des Hauses versuchen zumindest, sich nicht ganz doof anzustellen, was in dem Genre keine Selbstverständlichkeit ist. Dass Oberhaupt Sam nicht mehr sein darf als ein grummelndes Stereotyp, stört dabei nicht weiter. Annabelle 2 ist ein weiterer solider Eintrag in der Ahnengalerie, dem sicher mehr Eigenständigkeit gut getan hätte, der aber gerade für nicht ganz versierte Besucher des Horrorgenres genug mitbringt. Eine Puppe zum Beispiel, die so hässlich ist, dass man schon beim bloßen Anblick den Verstand verliert.



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Bei „Annabelle 2“ ist Aufatmen und Luft anhalten zugleich angesagt: Das Prequel zum Horrorhit zeigt sich durch die Rückbesinnung auf alte Stärken deutlich verbessert. Vor allem visuell hat sich eine Menge getan, der Film verwöhnt mit schönen Aufnahmen und einem stimmungsvoll-verwinkelten Farmhaus. Originell ist hier wie immer nichts, jedes Risiko wurde tunlichst vermieden. Kompetent umgesetzt sind die Schauerklischees aber allemal, zumal die Figuren sympathisch und die Puppe selbst gewohnt scheußlich ist.
6
von 10