Katanagatari
© NISIOISIN, Kodansha / Katanagatari Committee

(„Katanagatari“ directed by Keitaro Motonaga, 2010)

Wie schon vergangene Woche in The Painting geht es auch im 140. Teil unseres fortlaufenden Animationsspecials um die Verbindung von Kunst und Leben. Doch wo letztes Mal das erste das zweite bedingte, führt sie hier meist zum vorzeitigen Ende des Letzteren. Das ist aber auch das einzig Beständige in dieser sehr eigenwilligen Kampfkunstserie.

20 Jahre haben Yasuri Shichika und seine Schwester Nanami zurückgezogen auf der Insel gelebt, auf die ihr Vater verbannt wurde. Dass dieser längst tot ist, hat daran nichts geändert, das einfache Leben auf dem Eiland sowie das Erlernen der schwertlosen Kampfkunst war Lebensinhalt genug. Bis eines Tages die Strategin Togame auftaucht und Shichika auffordert, gemeinsam mit ihr zwölf mächtige Schwerter zu finden, welche der legendäre Schmied Shikizaki Kiki einst gefertigt haben soll. Der Lohn der Mühe: Liebe. Als ein Ninja hinzustößt, der ebenfalls hinter den Schwertern her ist, beschließt der Kampfkünstler, sich auf das Abenteuer einzulassen und gemeinsam mit Togame die Welt zu bereisen.

Animeadaptionen von Light Novels haben ja oft keinen besonders guten Ruf, vor allem die formelhaften, sehr austauschbaren Geschichten lassen einen schon im Vorfeld oft schlimmstes befürchten. Dass es aber auch ganz anders geht, das beweisen größtenteils leider solche Werke, die es nie hierher geschafft haben: die unheimliche Mystery-Horror-Serie Boogiepop Phantom, die vertrackte Gangster-Farce Baccano! oder eben auch Katanagatari, ein Anime, der mit vertrauten Elementen arbeitet, nur um dann konsequent Erwartungen zu unterlaufen.

Auf dem Papier wirkt die Geschichte um eine holde Maid und ihren starken, einfach gestrickten Begleiter, die gemeinsam sagenumwobene Schwerter suchen, noch recht konventionell. Doch schon in der ersten Episode wird klar, dass das hier einen etwas anderen Weg einschlägt: Es würde aber viel auf der Insel geredet, stellt Togame zu Beginn fest, die eigentlich sofort weiter will. Und das ist etwas, das Katanagatari bis zum Schluss von anderen Samurai- bzw. Ninjaserien unterscheiden wird. Ja, es wird gekämpft, in jeder Folge sogar. Aber das geschieht eher beiläufig, die Auseinandersetzungen dauern oft nur wenige Minuten, wenn nicht gar Sekunden. Anstatt die Kämpfe à la Sword of the Stranger zu zelebrieren, zieht es der Kultautor Nisio Isin (Bakemonogatari) vor, die Figuren und ihre Geschichten in den Vordergrund zu stellen.

Auch das ist im Animebereich nicht ganz unbekannt, das etwa zeitgleich entstandene House of Five Leaves verfolgte einen ganz ähnlichen Plan. Sofern man hier von einem Plan sprechen kann, denn obwohl sich Togame ständig damit brüstet, alles genau zu bedenken und organisieren, ist ihr Abenteuer von ständigen Wendungen geprägt – inhaltlichen, atmosphärischen, optischen. Besagter Ninja beispielsweise war einer von zwölf Chefs des Maniwa-Clans. Die sehen mit ihren kuriosen Tierkostümen – von Biene über Schildkröte bis zu Pinguin – nicht nur ziemlich komisch aus, sie ähneln in ihrer Funktion zudem Team Rocket aus Pokémon: von sich selbst überzeugte Gegenspieler, die ständig was aufs Maul bekommen und dadurch zu Witzfiguren werden. Mit dem Unterschied, dass die Niederlage hier auch mit dem Verlust des Lebens einhergeht, denn Katanagatari ist nicht nur streckenweise sehr blutig, die Serie hat auch kein Problem, lang aufgebaute Figuren im Handstreich zu beseitigen.

Und dabei ist Schnelligkeit eigentlich keine Stärke der später auf noitaminA gezeigten Serie. Jede der zwölf Folgen ist knapp 50 Minuten lang und lässt sich währenddessen viel Zeit, um über Gott und die Welt zu reden. Da kommt es durchaus schon einmal vor, dass ein wichtiger Kampf nicht gezeigt, sondern nur später kurz zusammengefasst wird – man hatte schließlich Wichtigeres zu erzählen. Katanagatari ist durch solche und andere überraschende Entscheidungen ein Fest für alle, denen Animes oft zu vorhersagbar sind. Denn auch wenn die einzelnen Episoden nach dem „Sword of the Week“-Motto verfahren und viele Running Gags zu finden sind, man weiß nie so recht, was hier als nächstes passiert. Da wird es im einen Moment unglaublich tragisch, im nächsten sehr albern, nur um zum Ende hin die komplette Geschichte noch einmal auf den Kopf zu stellen. Darauf muss man sich einlassen können, dass hier nichts von Dauer, auf nichts wirklich Verlass ist. Und auf die sehr langsame Erzählweise, die sich manchmal auf Nebensächlichkeiten konzentriert, anstatt die Handlung vorantreiben zu wollen.

Immerhin ist die visuelle Ausgestaltung von White Fox (The Devil Is A Part-Timer!, Akame ga Kill!) quasi durchgehend hoch qualitativ. Und wie der Rest auch sehr eigenwillig: Mal sieht die Serie wie ein klassischer Holzdruck aus, mal wie ein Bilderbuch. Und wenn man es am wenigsten erwartet, wechselt Katanagatari in einen Modus, der Arcadespielen nachempfunden ist. Dazu gibt es in mehrfacher Hinsicht komische Designs, die nur wenig mit dem zu tun haben, was wir in Animes sonst zu sehen bekommen. Manchmal hat man den Eindruck, dass das hier zwar nur anders ist, um anders zu sein, anstatt ein tatsächliches Konzept zu verfolgen. Dass man vielleicht cleverer sein wollte, als man es eigentlich ist. Immerhin ist das Ergebnis in seiner „alles kann, nichts muss“-Manier aber so erfolgreich und einprägsam, dass die Serie mehr als nur einen Blick wert ist. Leider ist der Import aus den USA relativ teuer, sehr viel günstiger ist für Sprachkundige die französische Fassung, die zwar keine nennenswerten Extras hat, aber für wenig Geld viele tolle Bilder liefert.



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Ein Mädchen und ein Kämpfer machen sich auf die Suche nach zwölf legendären Schwertern: Das weckt viele Erwartungen, die „Katanagatari“ aber nur selten erfüllt. Tatsächlich ist die sehr langsam erzählte Animeserie dafür bekannt, inhaltlich, atmosphärisch wie optisch ständig neue Wege einzuschlagen, weder auf den Zuschauer noch die Figuren viel Rücksicht zu nehmen.
7
von 10