House of Five Leaves

(„Sarai-ya Goyō“ directed by Tomomi Mochizuki, 2010)

House of Five LeavesLetzte Woche drehte sich in Extraordinary Tales alles um die Kurzgeschichten von Edgar Allen Poe. Auch in Teil 72 unseres fortlaufenden Animationsspecials gab es eine literarische Vorlage: Dieses Mal geht es zurück ins alte Japan und wir folgen den Erlebnissen eines Samurais. Die jedoch sind ganz anders, als sie die meisten wohl erwarten dürften.

Es gibt viele Eigenschaften, die ein Samurai mitbringen sollte, um erfolgreich zu sein – Schüchternheit gehört sicher nicht dazu. Genau daran leidet der Ronin Masanosuke Akitsu jedoch: An Geschick, Schnelligkeit und Kraft mangelt es ihm nicht, dafür aber an Selbstvertrauen, vor allem wenn ihm andere beim Kämpfen zusehen. Entsprechend hangelt er sich von Auftrag zu Auftrag, verliert meist schon nach kurzer Zeit seine Stelle. Yaichi, dem er eines Tages über den Weg läuft, scheint sich daran nicht zu stören, ist sogar fasziniert von dem unbeholfenen jungen Mann. Masas Freude an dem neuen Engagement währt jedoch nur kurz, als er erfährt, dass Yaichi der Kopf einer Verbrecherbande namens „House of Five Leaves“ ist.

Gerade einmal 1,5 % Prozent Marktanteil hatte House of Five Leaves, als sie im April 2010 im Rahmen von noitaminA Premiere feierte – ein Drittel dessen, was die Sendungen der alternativen Anime-Programmschiene üblicherweise erreichten. An der mangelnden Qualität lag das nicht, dann schon eher, dass die Serie in vielerlei Hinsicht nicht dem entsprach, was die Zuschauer erwartet hatten. Ein Samurai-Anime, der mag krude sein (Ninja Scroll), stylisch (Samurai Champloo) oder auch geradlinig (Sword of the Stranger), eines muss er seinem Publikum auf jeden Fall bieten: Action. Genau an der mangelt es House of Five Leaves jedoch. Wenn überhaupt einmal gekämpft wird, dann dauert das nur einige Sekunden. Humor und nackte Haut wie in Samurai Girls? Auch darauf musste verzichten, wer seinerzeit den Fernseher anschaltete; selbst wenn die Vorstellung eines schüchternen Samurais eine komische ist, zum Lachen ist hier kaum etwas.

Stattdessen ist die Verfilmung des gleichnamigen Mangas von Natsume Ono in erster Linie ein Drama, welches seine Protagonisten und ihre Vorgeschichten in den Mittelpunkt stellt. In immer neuen Rückblenden wird erzählt, wie die einzelnen Mitglieder von House of Five Leaves zur Bande hinzustießen, was sie veranlasst hat, den rechten Weg zu verlassen. Und es waren keine schönen Gründe, hier hat nahezu jeder mit traurigen Erfahrungen und Erlebnissen zu kämpfen, teilweise sogar mir traumatischen, ohne aber dass der Anime jemals zum Melodram würde – die Erzählweise bleibt bis zum Schluss ruhig, House of Five Leaves ist von Melancholie geprägt, nicht von Hysterie.

Das wird viele langweilen, manche vielleicht auch durch seine eigenwillige Erzählweise frustrieren. Immer wieder springt die Serie in der Chronologie hin und her, um Hintergründe zu beleuchten. Das ist nun keine Seltenheit, allerdings verpasste es Regisseur Tomomi Mochizuki, der hierzulande am ehesten für seinen Studio Ghibli Film Flüstern des Meeres bekannt ist, diese Zeitsprünge deutlich zu machen. Oft ist nicht ganz klar, welche Personen da eigentlich gerade zu sehen sind und in welchem Zusammenhang sie mit den House of Five Leaves stehen. Erst relativ spät ergeben diverse Szenen dadurch einen Sinn, was durchaus zum vorzeitigen Abschalten animiert. Wer durchhält, wird dafür mit diversen Wendungen überrascht, für die sich die Serie allemal lohnt – selbst wenn ein Punkt nie erklärt wird und wir nur die Auswirkungen sehen.

Auch optisch ist das Werk von Animationsstudio Manglobe (Samurai Flamenco, Ergo Proxy) recht eigenwillig. Die Figuren haben so gar nichts mit der üblichen Anime-Ästhetik gemeinsam, sehen mit ihren weiten Mündern und Augen und den sehr kantigen Gesichtszügen seltsam aus, wenn nicht sogar hässlich. Im Gegensatz zu den stilisierten Charakteren sind die sehr schönen Hintergründe jedoch sehr realistisch gehalten, unterstützen mit ihren blassen bräunlich-grauen Farben die düstere Atmosphäre. Die Animationen sind okay, dafür gibt es kleinere visuelle Schmankerl wie Dampf, Wasser, vor allem aber den sehr stimmungsvollen Einsatz von Licht. Zusammen mit der ungewöhnlichen Musik, die ein Mix aus traditionellen und modernen Klängen ist, wird House of Five Leaves zu einer Serie, die sicherlich nicht vielen gefallen wird, damals hierzulande auch kaum beachtet wurde. Wessen Herz aber für etwas anspruchsvollere und andersartige Anime schlägt, der sollte der Mangaverfilmung eine Chance geben – zumal sämtliche zwölf Folgen gratis und legal auf Viewster zu sehen sind.



(Anzeige)

Eine Samuraiserie ohne Action? „House of Five Leaves“ hält sich nicht an die Erwartungen der Zuschauer, sondern erzählt eine Geschichte, die sowohl ruhig, aufgrund der ständigen Zeitsprünge gleichzeitig aber auch anspruchsvoll ist. Erst spät wird man für seine Geduld belohnt, vorher schon gibt es dafür schöne Bilder zu bestaunen – sofern man sich mit den eigenwilligen Figurendesigns anfreunden kann.
7
von 10