Waiting in the Summer
© I*Chi*Ka / NATSUMACHI Production Committee

(„Ano Natsu de Matteru“ directed by Tatsuyuki Nagai, 2012)

Waiting in the Summer
„Waiting in the Summer“ ist auf zwei Volumes verteilt auf DVD und Blu-ray erhältlich

Für Kaito Kirishima gibt es nichts Größeres, als mit seiner kleinen Kamera umherzulaufen und die Welt festzuhalten. Was seinen eigenen Halt betrifft, da ist er jedoch weniger geschickt: Als er eines Nachts mal wieder unterwegs ist, wird er von einer Explosion überrascht und stürzt in den sicheren Tod. Erst im letzten Moment kommt ihm jemand zu Hilfe, eine Mädchenhand verhindert das Schlimmste. Zumindest meint Kaito, dass es eine Mädchenhand war, als er morgens wieder in seinem Bett erwacht. Aber war wohl doch nur ein Traum. Außerdem steht jetzt ohnehin erst einmal ein anderer Traum auf dem Programm: Zusammen mit Freunden möchte er über den Sommer einen eigenen Film drehen! Genug Interessenten haben sie da auch, unter anderem erklärt sich die hübsche neue Mitschülerin Ichika Takatsuki bereit, an dem Werk mitzumachen. Was Kaito nicht ahnt: Seine Traumfrau ist in Wirklichkeit eine Außerirdische und diejenige, die ihn in besagter Nacht gerettet hat.

Im Manga- bzw. Animebereich gibt es ja keinen echten Mangel an Romantic Comedies, in denen zwei meist unbedarfte Jugendliche ihre ersten Gefühle füreinander entdecken. Und warum auch nicht? Die Nachfrage ist groß, der Markt zahlungskräftig, es finden sich immer neue Leser bzw. Zuschauer, die selbst emotional verunsichert sind und die mithilfe dieser Identifikationsfiguren ein bisschen träumen dürfen. Nachteil: Das Angebot ist inzwischen so hoch, dass man sich schon ein bisschen was einfallen lassen muss, um aus der großen Masse hervorzustechen. Ein beliebtes Mittel dafür ist, dass einer der beiden Jugendlichen – meist der weibliche Part – nur menschenähnlich ist. Nah genug, um sich in die Figur hineinzuversetzen, aber doch mit einem gewissen Alleinstellungsmerkmal, das unser Bedürfnis nach dem Besonderen bedient. In Oh! My Goddess etwa war es eine Göttin, in Dusk Maiden of Amnesia ein Geist, Waiting in the Summer wiederum lässt Mensch und Außerirdische zueinander finden.

Oder auch nicht. Der eigentliche Science-Fiction-Teil ist relativ überschaubar. Er wird anfangs gebraucht, um die beiden künftigen Liebenden einander bekannt zu machen. Zum Schluss wird damit noch für ein bisschen Dramatik und Tempo gesorgt. Dazwischen jedoch weiß Drehbuchautor Yōsuke Kuroda, der in Please Teacher! schon einmal eine Alien Love Story erzählt hat, nicht wirklich viel mit dem Szenario anzufangen. Die außergewöhnlichen Technologien spielen keine Rolle mehr, es gibt keine naheliegenden Culture-Clash-Momente. Wäre da nicht der superknuffige Mini-Sidekick Rinon, der sich nur durch Quietschlaute verständigt, man wüsste schon gar nicht mehr, dass es hier nicht um eine bloße Schülerromanze geht.

Stattdessen dürfen wir zwölf Folgen lang beobachten, wie sich eine Gruppe Jugendlicher ständig selbst im Weg steht. Jeder hier hat Gefühle für jemand anderen, die oft nicht so ganz erwidert werden und die keiner offen ansprechen kann. Das kommt dem Zielpublikum natürlich entgegen, ist auf Dauer aber recht anstrengend, da sich die Geschichte oft im Kreis dreht, die Figuren über lange Zeit keine wirkliche Entwicklung durchmachen. Stattdessen gibt es eine Reihe irritierender Szenen. Beispielsweise scheinen japanische Schüler nicht geradeausgehen zu können, ständig stolpert jemand und fällt auf einen der anderen, um so die zwischenmenschliche Peinlichkeit zu verdeutlichen. Dazu gibt es unnötig aufreizende Blickwinkel, ein Mädchen vergisst, Unterwäsche zu tragen, Ichika kann Kaito nur heilen, indem sie durch einen Kuss ihre Zellen mit ihm teilt. Und auch auf die obligatorische Strandszene muss nicht verzichtet werden.

Und das ist dann eben auch das Problem von Waiting in the Summer: Es ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Da trifft eine Wagenladung Klischees auf nur gelegentlich interessante Einfälle – der Film im Film handelt von einer Außerirdischen, die sich verliebt, Fantasien der Figuren werden farblich leicht verfremdet dargestellt –, viele Elemente werden kaum ausgebaut, die Figuren bekommen keine echte Kontur. Immerhin sieht die Serie gut aus, das Animationsstudio J.C. Staff (Kare Kano, Selector Infected WIXOSS) verwöhnt mit schönen Hintergründen und hat zumindest teilweise recht auffällige Designs der Figuren gewählt, am Anfang gibt es auch eine interessante Handpuppensequenz. Aber das reicht dann doch nicht aus, um den unausgegorenen Inhalt wirklich auszugleichen. Für Sci-Fi-Fans wird zu wenig geboten, wer sich für unbeholfene Annäherungen zwischen zwei Jugendlichen interessiert, der ist mit Love, Chunibyo & Other Delusions! oder auch One Week Friends deutlich besser bedient. Die haben zwar auch keine wirklich alltäglichen Szenarios, sind aber im Zwischenmenschlichen deutlich authentischer und auch berührender.



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Eine Außerirdische stürzt auf die Erde und verliebt sich in einen Highschool-Schüler, daraus hätte man einiges machen können. „Waiting in the Summer“ tut das nicht. Das ungewöhnliche Szenario wird schnell vergessen, stattdessen gibt es viele Klischees, konturlose Figuren und zum Teil auch recht irritierende Szenen. Mehr als Durchschnitt ist deshalb trotz der schönen Bilder nicht drin.
5
von 10