Sindbad
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(„Arabian Naito: Shinbatto no Bōken“ directed by Fumio Kurokawa, 1975-76)

Sindbad
„Sindbad“ ist seit 12. Juni auf DVD erhältlich

Das Leben meint es schon gut mit dem kleinen Sindbad: Als Sohn eines reichen Kaufmannes in Bagdad muss er nicht wie sein bester Freund Hassan mühselig Geld verdienen, seine Eltern lieben ihn, Spaß hat er auch. Dennoch träumt er davon, eines Tages wie sein Onkel Ali die Welt zu bereisen und große Abenteuer zu erleben. Als sein Vorbild mal wieder zu Besuch ist und Sindbad die kleine sprechende Vogeldame Sheila schenkt, beschließt der Junge, nicht länger zu warten und segelt als blinder Passagier einfach mit. Und tatsächlich muss er auch nicht lange warten, bis er selbst die unglaublichsten Dinge erlebt, Fabelwesen, Prinzessinnen und böse Zauberer, aber eben auch gute Freunde trifft.

In den 70ern und 80ern schien es für das japanische Fernsehen nichts Größeres zu geben, als Klassiker der Weltliteratur als Zeichentrickserie umzusetzen: Von Pinocchio und Biene Maja über Nils Holgerson und Alice im Wunderland bis zu Um die Welt mit Willy Fog und Das Dschungelbuch, da wurden Bibliotheken geplündert, was das Zeug hält. Auch Sindbad basiert auf einer klassischen Vorlage, Pate standen die gleichnamigen Erzählungen aus „Tausendundeiner Nacht“. Eine direkte Adaption ist die TV-Produktion jedoch nicht, vielmehr diente sie Regisseur Fumio Kurokawa (Eine fröhliche Familie, Die kleine Prinzessin Sara) lediglich als Inspirationsquelle, an die er sich mal mehr, mal weniger hielt.

Völlig neu ist beispielsweise die Figur der Sheila, die nicht nur als Vertraute herhalten darf, sondern später selbst einen größeren Handlungszweig spendiert bekommt. Und auch die meisten Geschichten wird man im Original vergeblich suchen, waren entweder Eigenentwicklungen oder entstammten anderen orientalischen Märchen. Dass Sindbads späterer Weggefährte Ali Baba heißt, war kein Zufall, denn auch die 40 Räuber tauchen immer mal wieder auf. Ein anderes Abenteuer ist eine nahezu direkte Wiedergabe der Erlebnisse in Aladin und die Wunderlampe. Und noch etwas ist der bekannten Geschichte um den Geist aus der Lampe entnommen: Der alte Ara, der die Abenteurergruppe später komplettiert, heißt eigentlich Aladin, woraus bei der Übersetzung aus dem Japanischen jedoch ein Aradin wurde – und damit Ara.

Auch sonst ist bei der deutschen Umsetzung einiges verloren gegangen: Im Original bestand der Anime aus 52 Episoden, zehn davon wurden bis heute nicht übersetzt, was dann leider auch auf die neu erschienene Komplettbox zutrifft. Für die Kontinuität war das kein übermäßiges Problem, da die meisten Folgen für sich stehen, in nur 24 Minuten teilweise sogar gleich mehrere unabhängige Abenteuer erzählen. Ein bisschen was Gehetztes hatte Sindbad deshalb immer, man verliert zudem relativ schnell in der Serie jedes Gespür dafür, wieviel Zeit nun vergangen ist oder wie weit man eigentlich gereist ist. Anfangs versuchte man noch, Übergänge zwischen den einzelnen Episoden zu schaffen, was aber relativ schnell wieder aufgegeben wurde. In dem einen Moment ist man noch in Afrika, dann wieder in Bagdad, plötzlich findet man sich auf einer seltsamen Insel wieder. Erst zum Schluss gab es wieder einen roten Faden, wenn diverse Nebenhandlungen im mehrere Episoden andauernden Finale zusammengeführt und abgeschlossen werden.

Auf der einen Seite war das natürlich schade, da man so nie das Gefühl hatte, wirklich auf einer epischen Reise zu sein. Dafür konnte man aber damals im Fernsehen relativ beliebig ein- und aussteigen, die Abwechslung war durch die Nonstop-Abenteuer ebenfalls auf einem hohen Niveau. Vor allem aber sind die Geschichten selbst oft fantastisch, mal spannend, dann wieder traurig, erzählen von gefährlichen Riesen, furchteinflößenden Bestien, fremden Völkern und verwunschenen Königreichen. Aufgelockert wird das Ganze durch gelegentlichen Humor, gerade durch die ständig beleidigte Sheila oder auch ein Zauberertrio, das trotz seiner unermesslichen Macht regelmäßig von Sindbad vorgeführt wird.

Auch 40 Jahre später ist die Serie daher unbedingt empfehlenswert, gerade auch für ein jüngeres Publikum: Trotz teils bedrohlicher Untertöne bleibt Sindbad immer kindgerecht, die teils grausamen Erlebnisse des Originals, wo Menschen gefressen werden, wurden vorsorglich entfernt, zu Schaden kommt hier niemand. Außerdem helfen kindliche Augen dabei, über die mittlerweile doch sehr veraltete Technik hinwegzusehen. An einigen Stellen setzte das Traditionsstudio Nippon Animation zwar nette Effekte ein, wenn es aber um die Flüssigkeit der Bewegungen und den Detailgrad der Zeichnungen geht, muss man seine Erwartungen schon stark nach unten schrauben. Ebenfalls unschön ist der Hang, wie bei anderen 70er-Jahre-Serien (Heidi) die Protagonisten sprechen zu lassen, ohne dass sich irgendwo ein Mund bewegt. Immerhin ist die atmosphärische Musik dafür gelungen, besser sogar als bei vielen Serien, die anschließend noch folgten. Schafft man es, sich auf die Zeitreise einzulassen und das kritische Auge abzulenken, wird man daher mit einer fesselnden kleinen Serie belohnt, bei der es trotz einer Laufzeit von rund 1000 Minuten zu keinen nennenswerten Hängern kommt und jetzt auch relativ günstig als Komplettpaket zu kaufen gibt.



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Die Abenteuer sind etwas unvermittelt, die Technik komplett veraltet. Doch trotz dieser Mängel ist „Sindbad“ ein abwechslungsreicher Zeichentrickklassiker, der mit fantasievollen, mal spannenden, dann wieder traurigen Geschichten bis zum Schluss fesselt.
7
von 10