Heidi
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Heidi (1974)

(„Arupusu no shōjo Haiji“ directed by Isao Takahata, 1974)

Heidi
„Heidi“ ist seit 20. Februar auf DVD erhältlich

Ich war lange genug an der Reihe, jetzt sind andere mal dran!“ Jahrelang hat sich Tante Dete um die kleine Heidi gekümmert, nachdem deren Eltern gestorben waren. Doch damit ist nun Schluss, eine neue Stelle in Frankfurt ruft, für das Mädchen ist da einfach kein Platz mehr. Und so soll sich nun ihr Großvater Alm Öhi diese Aufgabe übernehmen. Der ist davon nur wenig begeistert, vor vielen Jahren schon hat sich der menschenscheue Griesgram auf seine Alm in die Berge zurückgezogen und jeden Kontakt zur Dorfgemeinschaft abgebrochen. Was soll er dort oben mit einem Kind anfangen? Doch es dauert nicht lange, bis der kleine Wirbelwind das Herz des alten Mannes erobert. Und auch Heidi verliebt sich in das Leben inmitten der Natur.

135 Jahre ist es mittlerweile her, dass mit „Heidis Lehr- und Wanderjahre“ der Schweizer Autorin Johanna Spyri der erste von zwei Bänden über das Leben des kleinen Mädchens Heidi erschien. Mehr als 20 Film- und Serienfassungen sind seither entstanden, die erste bereits 1920. Doch wenn Leute den Namen Heidi hören, dann denken sie meistens an diese hier, die japanische Zeichentrickserie aus dem Jahr 1974. Heidi hält sich eng an die literarische Vorlage, erzählt nicht nur die Ereignisse des ersten Bandes, sondern auch die des zweiten, wenngleich dieser hier deutlich weniger Platz eingeräumt bekommt.

Wirklich komplex ist die Geschichte aber ohnehin nicht. In einer Mischung aus Slice-of-Life und Coming-of-Age folgen wir Heidi, erleben mit ihr den Alltag in den Bergen, später in der Stadt, müssen aber auch erfahren, was es heißt, erwachsen zu werden. Ein bisschen zumindest, denn eine richtige Entwicklung macht das Mädchen in den 52 Folgen nicht durch. Schon als Kind zeichnet sie sich durch einen starken Willen aus, der ein „Nein“ nicht akzeptieren will. Am Ende der Serie, um einige Jahre gealtert, hat sich daran nichts geändert.

Das wäre dann auch der Hauptkritikpunkt an Heidi wie auch an dem zugrunde liegenden Buch: Man hat nicht wirklich das Gefühl, dass sich während der ganzen Zeit etwas tut. Jeder Konflikt findet seine Lösung darin, dass Heidi entweder anfängt zu weinen oder mit den Füßen aufzustampft, bis das (meist erwachsene) Umfeld doch klein beigibt und sie am Ende ihren Willen bekommt. Kein Wunder also, dass die anvisierte jüngere Zielgruppe die Serie zu einem riesigen Erfolg in Japan, aber auch in Europa machte. Schließlich wird hier tatsächlich eine Geschichte durch die Augen eines Kindes erzählt, die Unsinnigkeit erwachsener Regeln als solche entlarvt und das Leben in der freien Natur gefeiert. Dazu gibt es eine Reihe Wohlfühlmomente und die Betonung klassischer Werte wie Treue, Freundschaft und Mut, mit denen sich jeder identifizieren kann. Idealisiert wird hierbei schon, beim Abwägen zwischen Stadt und Land, Kindsein und Erwachsenenwelt, fällt die Antwort von Spyri doch sehr einseitig aus, mehr als Schwarz und Weiß scheinen in ihrem Malkasten nicht mehr übrig zu sein.

Im Gegensatz dazu explodieren die Szenen in den Bergen geradezu vor Farben: Der Himmel ist strahlend blau, Bäume und Wiesen in einem satten Grün, um die restlichen Farben kümmern sich die Blumen. Technisch gesehen ist das Abschlusswerk des Animationsstudios Zuiyo Eizo hingegen kein Meisterwerk. Die Hintergründe, Charakterdesigns und Animationen sind sehr einfach, oft reden die Protagonisten, ohne dass sich der Mund bewegt. Und auch bei der Titelfigur begnügte man sich mit dem Minimum: Heidi mag am Ende der Serie einige Jahre älter sein, an der optischen Gestaltung lässt sich dies jedoch nicht festmachen. Auch das unterstützt den Eindruck, dass es innerhalb von Heidi zu keiner echten Entwicklung kommt.

Während die Serie so 40 Jahre nach der Entstehung hauptsächlich jüngere Zuschauer in den Bann ziehen dürfte, ist sie für Animationsfreunde zusätzlich auch von historischem Interesse – aus zwei Gründen. Zum einen arbeiteten hier die späteren Begründer von Studio Ghibli zusammen, Isao Takahata (Die letzten Glühwürmchen, Die Legende der Prinzessin Kaguya) führte Regie, Hayao Miyazaki (Chihiros Reise ins Zauberland, Das wandelnde Schloss) kümmerte sich um das Screen Layout.

Außerdem gilt Heidi bei vielen als der eigentliche Startschuss der legendären Reihe World Masterpiece Theater. Schon vorher hatte es Zeichentrickadaptionen westlicher Bücher für den japanischen TV-Markt gegeben, darunter eine zu Die Mumins. Doch erst mit dem großen Erfolg von Heidi wurde die Reihe zu einer tatsächlichen und weltweit beachteten Institution. Aus Zuiyo Eizo wurde unter anderem das Studio Nippon Animation abgespaltet, welches die nächsten Jahrzehnte jedes Jahr eine neue Serie produzierte, die auf einem Klassiker der Literaturgeschichte basierte. An den großen Erfolg von Heidi konnten die zwar nicht unbedingt anknüpfen, doch auch Marco, Anne mit den roten Haaren, Die kleine Prinzessin Sara oder Eine fröhliche Familie wurden hierzulande zu gern gesehenen Gästen im Fernsehen.



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Die Zeichentrickvariante des Kinderbuchs hält sich eng an die Vorlage und erzählt die Geschichte eines Waisenkinds, das sich in den Bergen und im Leben allgemein zurechtfinden muss. Technisch ist das Ganze mau, sehr differenziert wird das Thema auch nicht angegangen. Dafür werden sich gerade jüngere Zuschauer in der kindlichen Perspektive auf die Welt wiederfinden, für Animationsfreunde ist die Serie zudem aus historischen Gründen interessant.
7
von 10