Der neueste Pixar Film Elio (Kinostart: 19. Juni 2025) erzählt die Geschichte des gleichnamigen Jungen, der seit dem Tod seiner Eltern sehr einsam ist und sich wünscht, von Außerirdischen entführt zu werden. Tatsächlich geht dieser Wunsch eines Tages in Erfüllung, als er zu einer Versammlung der unterschiedlichsten Aliens gebracht wird. Elio ist begeistert, sieht sich endlich am Ziel seiner Träume. Es gibt da nur zwei kleine Haken: Er wird versehentlich für den Führer der Erde gehalten und es taucht der tyrannische Lord Grigon auf, der alle unterjochen will. Wir haben beim Annecy Festival 2025 als einziges deutsches Medium die beiden Regisseurinnen Domee Shi und Madeline Sharafian zum Interview getroffen und mit ihnen über ihren Film gesprochen.
In Elio geht es viel um Beziehungen zwischen den Figuren. Worauf kam es euch bei der Geschichte an?
Domee Shi: Elio war für uns die Gelegenheit, von Beziehungen zu sprechen, die über die bloße Eltern-Kind-Beziehung hinausgehen, wie wir sie in vielen Filmen haben. Olga hat damit zu kämpfen, dass sie nach dem Tod ihres Bruders dessen Sohn bei sich aufnehmen muss. Darauf war sie nicht vorbereitet. Uns war es wichtig, dass das Publikum Verständnis für sie entwickelt und die Situation, in der sie sich befindet.
Gleichzeitig ist Elio ein Science-Fiction-Film, der von Aliens und fremden Planeten erzählt. Habt ihr euch Gedanken darüber gemacht, wie das realistisch aussehen kann?
Madeline Sharafian: Das war uns nicht so wichtig. Wir haben es uns natürlich einfach gemacht, indem wir diese Technik eingeführt haben, mit der alle Sprachen übersetzt werden und eine Schwerkraft entsteht. Dadurch mussten wir uns keine Gedanken darüber machen, ob das jetzt funktioniert oder nicht.
Domee Shi: Wir haben uns aber schon Gedanken über diese Welten gemacht. Jede dieser Figuren hat ja einen eigenen Planeten, von der sie kommt, eine Persönlichkeit, eine Familie. Leider haben wir sehr viel davon streichen müssen, weil die Zeit einfach nicht gereicht hätte. Vielleicht können wir irgendwann als Bonusmaterial auf der DVD all das zeigen, was wir uns ausgedacht haben.
Ihr habt beide zusammen Regie geführt. Wie sah diese Zusammenarbeit aus? Habt ihr euch irgendwie aufgeteilt, wer was übernimmt?
Madeline Sharafian: Domee und ich haben vorher schon an Rot gearbeitet und kennen uns deshalb gut. Uns war es wichtig, dass wir die großen Entscheidungen gemeinsam treffen, um sicherzugehen, dass wir dasselbe Ziel verfolgen. Da wir aber eine ziemlich knappe Deadline hatten, mussten wir uns die Arbeit immer wieder aufteilen, um das zu schaffen. Da konnte es schon vorkommen, dass Domee an drei Sequenzen arbeitete und ich parallel an drei anderen und wir danach wieder zusammenkamen. Das war eigentlich ganz schön, weil wir beide zwar einen ähnlichen Geschmack haben, aber unterschiedliche Stärken. Dadurch konnten wir mit der Zeit besser einschätzen, wer von was übernehmen sollte.
Domee, als wir uns damals über Rot unterhalten haben, hast du davon gesprochen, dass der Film viel auf deinen eigenen Erfahrungen basierte. Bei Elio ist es so, dass die Geschichte von Adrian Molina kam, der ursprünglich auch Regie führen wollte. Wie war es für dich, die Geschichte von jemand anderem zu nehmen und zu deiner eigenen zu machen?
Domee Shi: Ich liebte die Herausforderung, mit Madeline in diesen Film geworfen zu werden. Wir sind beide große Science-Fiction-Fans und das war für uns die erste Möglichkeit, uns an einem Genre zu versuchen, das wir normalerweise nie gemacht hätten. Bei Pixar hat es fast schon Tradition, dass zwischendurch die Regie ausgewechselt wird. Bei Ratatouille war es so, bei Merida – Legende der Highlands, bei Arlo & Spot, bei Die Monster Uni. Insofern war das nicht ungewöhnlich und ich dachte mir nur: Okay, jetzt bin ich an der Reihe. Das hat mich glaube ich zu einer besseren Filmemacherin gemacht, weil es mich dazu gezwungen hat, einen eigenen Zugang zu finden zu der Geschichte und den Figuren, anstatt von Anfang an dabei gewesen zu sein. Das bedeutete für uns, dass wir eng zusammenarbeiten und uns austauschen mussten, nicht nur Madeline und ich, sondern auch mit Julia Cho und Mike Jones, die das Drehbuch geschrieben haben. Es bedeutete auch, dass wir uns nicht so viel Zeit lassen konnten und ein bisschen mehr experimentieren mussten und mutiger sein. Es war ein bisschen so, als würden wir an einem College-Projekt arbeiten – nur mit sehr viel mehr Geld.
Ihr habt bei diesem Prozess auch einen Teil der Geschichte abgewandelt. Wie sieht es bei Lord Grigon aus, der Antagonist von Elio. Gab es ihn vorher schon, als ihr eingestiegen seid? In Pixar-Filmen ist es ja nicht selbstverständlich, dass es einen Antagonisten gibt.
Madeline Sharafian: Wir haben tatsächlich einiges an Lord Grigon geändert, als wir das Projekt übernommen haben. Er war zwar schon vorher eine Art Gegenspieler, weil er sehr an Elio gezweifelt hat. Wir haben uns aber entschieden, ihn und Gordon ganz aus dieser Gemeinschaft zu nehmen, nachdem uns klar wurde, dass die Beziehung von Olga und Elio im Mittelpunkt der Geschichte stehen würde, und ihn zu einem richtigen Antagonisten auszubauen. Das hat viel Spaß gemacht und hat für uns auch wirklich Sinn ergeben, weil sich das auf diese Weise mehr nach einem Weltraumabenteuer anfühlte. Aber wir haben auch die Beziehung zu Gordon stark ausgebaut.
Gibt es in dem Film versteckte Easter Eggs, auf die sich die Fans freuen können?
Madeline Sharafian: Oh ja, jede Menge. Sie sind zum Teil aber gut versteckt. Du hast beispielsweise etwas aus meinem Kurzfilm Burrow, aber auch aus Pixars nächstem Film Hoppers.
Domee Shi: Es gibt auch ein schönes Easter Egg zu Rot: ein Graffiti, das in beiden Filmen ist. Das hat unser Team eingebaut, ohne dass ich davon wusste, was mich aber natürlich sehr gefreut hat.
Madeline Sharafian: Tatsächlich kennen wir selbst gar nicht alle Easter Eggs, da das Team viel Freiheit hatte, selbst etwas einzubauen. Es gibt eine riesige Tabelle mit allen Anspielungen, weil es sonst unmöglich wäre, den Überblick zu behalten.
Und wie sieht es mit Anspielungen auf andere Science-Fiction-Filme aus, wenn ihr große Fans des Genres seid?
Domee Shi: Wir wurden auf jeden Fall sehr von Unheimliche Begegnung der dritten Art inspiriert, das ebenfalls von jemandem handelte, der sich in das Weltall verliebt. Überhaupt mögen wir Science-Fiction-Filme, die ein etwas positiveres Bild von Außerirdischen haben wie zum Beispiel Contact oder Galaxy Quest – Planlos durchs Weltall. Aber auch Star Wars war eine Inspiration. Ich bin mit den Filmen aufgewachsen und die Außerirdischen dort waren so charmant und kreativ und wunderlich, dass du selbst zu diesen Planeten reisen wolltest. Und das ist etwas, das wir mit Elio auch versucht haben.
Vielen Dank für das Interview!
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