Kommt ein veganer Rohpriester, Esoteriker, Flacherdler, Influencer, Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und Rechtsextremer in eine Bar, sagt der Barkeeper: „Guten Abend David Ekwe Ebobisse, was darf’s sein?“ Der Dokumentarfilm Soldaten des Lichts von Julian Vogel und Johannes Büttner taucht in die krude Welt eben jenes Mannes ein, der sich im Internet „Mister Raw“ nennt und zehntausende Follower*innen mit seinen Predigten beeinflusst. Oberflächlich geht es um Fitness und eine gesunde Lebensweise, doch darunter tut sich ein Abgrund an mit den derzeit gefährlichsten Denkweisen auf, die selbst einen Rudolf Steiner vor Neid erblassen lassen würden. Mithilfe eines Direct Cinema Stils, allein durch die Kamera Julian Vogels, wird in dieser auf dem DOK.fest München 2025 ihre Deutschlandpremiere feiernden Dokumentation eine Parallelwelt inmitten einer gutbürgerlichen, „gesunden“ Verkleidung aufgedeckt.
Mixtur aus kruden Ansichten
Die Person des „Mister Raw“ ist bestenfalls mit der Vielschichtigkeit einer Zwiebel zu erklären: Von außen perfekt scheinend, rund, wird mit jeder abgezogenen Schicht eine zunehmende Verrottung sichtbar, bis der Kern nur vor Schimmel trieft. Gerade heutzutage ist ein Influencer, der sich mit augenscheinlich gesunder Ernährung beschäftigt, Workshops anbietet und gleichzeitig politisch etwas abseits des Mainstreams unterwegs ist, vordergründig sich jedoch als „spirituell“ sieht, wahrlich keine Seltenheit – der anhaltende Fitness- und Selbstoptimierungswahn kennt kaum mehr Grenzen, so gibt es mit beispielsweise dem „Liver King“, der eine roh-karnivore Diät bevorzugt, auch in den USA genügend Pendants, die vollends überzeugt davon sind, den Weg zum quasi-ewigen Leben gefunden zu haben. Während man meinen könnte, dass sich diese Lebensweise strikt auf die Ernährung beschränkt, belehrt David Ekwe Ebobisse das Publikum eines Besseren: In erster Linie ist er Influencer, dahinter folgt eine wirre, jedoch bei dieser Art von Menschen oftmals vorkommende (siehe Anthroposophie, Biodynamik, etc.) Esoterik, doch im Kern predigt er Faschismus und Wissenschaftsfeindlichkeit, lehnt den existierenden deutschen Staat als solches ab.
Wie passt das zusammen? Wie Steiners anthroposophische Lehren oder die nationalsozialistische Ahnenerbe-Gemeinschaft zeigen, sehr gut, die zugrundeliegende Dokumentation vermag es aber nur schwerlich, eine direkte Verbindung zwischen Ernährung, Esoterik und Rechtsextremismus herzustellen. Diese geschieht zwar irgendwo automatisch durch die Worte von „Mister Raw“, den Rest müssen Zusehende anhand des Gesehenen jedoch selbst zusammenkleistern, da der Film komplett ohne Kommentar auskommt. Dies ist einerseits gut, so zeigt sich der Wahnsinn der reichsbürgerlichen Roh-Sekte ungefiltert und sorgt dadurch für Entsetzen. Hat man sich allerdings davor nicht mit der Thematik befasst, könnte es schwerfallen, den Gedankengängen von Ekwe Ebobisse zu folgen. Das Schockierende liegt hierbei im Kontrast seines Lebens: Wohlhabend, wortgewandt und klar in seinen Äußerungen, vermittelt er genau auf diese Weise seine gefährliche Ideologie, die er zwar deutlich, aber auch deutlich geschönt der Kamera präsentiert. Da kaum Widerrede erfolgt – falls doch, wird diese seitens „Mister Raw“ direkt delegitimiert – könnte Soldaten des Lichts stellenweise Gefahr laufen, zur ungewollten Propaganda zu werden, falls diese auf Gleichgesinnte trifft. Was für eine Person schockierend ist, wird für die andere zur Bestätigung.
Eine gefährliche Parallelwelt
Nichtsdestotrotz gelingt es dem Dokumentarfilm, authentische Bilder aus dem Leben dieser Szene wiederzugeben; jedenfalls so authentisch, wie ein Ekwe Ebobisse es zulässt. Es kann jedoch geglaubt werden, dass der Influencer seine Welt weitestgehend so zeigt, wie sie ist, da kein Anflug von Scham oder eines Hinterfragens eigener Ideale auffindbar ist. „Mister Raw“ gibt selbst zu, seit fünf Jahren kein Buch mehr ganz gelesen zu haben, da sein Weltbild seitdem gefestigt ist. Weitere „Bildung“ kommt nur noch innerhalb Telegram-Chatgruppen und E-Books zustande, der Inhalt dürfte klar sein. Zugute kommt der Präsentation, dass hier nichts ästhetisiert wird und der Lebensstil durch etwaige Schicksalsschläge an Reiz verliert. Es kommt ebenso die Frage auf, ob ein Kommentar überhaupt nützlich gewesen wäre, oder solch ein Wahnsinn gar nicht kommentiert, sondern ausschließlich gezeigt werden kann. Am Ende zeigt Soldaten des Lichts eine von verschiedenen Ideologien durchsetzte Randgruppe, die leider durch perfektioniertes Marketing und einen tiefgreifenden Vertrauensverlust in die Politik längst in der „Mitte“ der Gesellschaft angekommen ist, schlussendlich aber funktioniert wie vorhergehende Sekten auch: Der Guru profitiert, die Anhänger*innen leiden.
OT: „Soldaten des Lichts“
Land: Deutschland
Jahr: 2025
Regie: Julian Vogel, Johannes Büttner
Drehbuch: Julian Vogel, Johannes Büttner
Musik: Jens Mahla
Kamera: Julian Vogel
DOK.fest München 2025
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