
Selena (Allison Pittell) hetzt nach ihrer Spätschicht als Barkeeperin zur letzten Staten Island Ferry – nicht nur, um rechtzeitig nach Hause zu kommen, sondern auch, um einer lärmenden Geburtstagsgesellschaft aus dem Weg zu gehen. Die fünf überdrehten jungen Damen sorgen bereits auf dem Anleger für Unruhe, und mit Hilfe des ruhigen Fährenmitarbeiters Pete (Jesse Posey) gelingt es Selena, den aufdringlichen Trubel zu umgehen. Neben ihnen sind natürlich weitere spätabendliche Fahrgäste an Bord: Pendler, Gestrandete und andere Nachteulen. Doch tief unter Deck ist – wie man in einer Szene vor dem Vorspann schon gesehen hat – etwas erwacht, das über 90 Jahre lang verborgen war: eine groteske Mausgestalt mit fiesem Grinsen und mörderischer Absicht (David Howard Thornton). Das Grauen beginnt, als sich die übergroße Maus auf zwei Beinen pfeifend durch Passagiere und Crew mordet.
Staten Island Ferry als Höllenschiff
Screamboat, inszeniert von Steven LaMorte, nimmt sich der berühmtesten Maus der Welt in ihrer ältesten Form an: Steamboat Willie, das Mickey-Maus-Debüt von 1928, das seit Anfang 2024 gemeinfrei ist. LaMorte nutzt die neue rechtliche Freiheit, um aus der pfeifenden Schwarz-Weiß-Maus eine mörderische Gestalt zu formen – gespielt von keinem Geringeren als David Howard Thornton, der in der Terrifier-Reihe als Art the Clown zu sehen war. Und überhaupt: Dass auch die Produzenten der Terrifier-Filme hinter Screamboat stehen, macht sich bemerkbar. Die Gewaltdarstellung ist drastisch, aber auch die Freude an Übertreibungen, das trotz heftigster Splatterszenen immer mitschwingende Augenzwinkern und die Geschmacklosigkeit erinnern an Damien Leones Trilogie. Im direkten Vergleich mit dem ähnlich gelagerten, aber blutleeren The Mouse Trap, der kürzlich fürs Heimkino erschienen ist, macht das LaMortes Beitrag zum deutlich stilbewussteren und unterhaltsameren Film.
Mit 102 Minuten Laufzeit nimmt sich der Film ungewöhnlich viel Zeit für das Setting und die Figuren – zumindest im Vergleich zu anderen B-Horror-Streifen. Die Staten Island Ferry, sonst ein Symbol alltäglicher Urbanität, wird hier zur schwankenden Bühne eines grotesken Kammerspiels. LaMorte inszeniert die Fähre als klaustrophobischen, von Neonlicht und Maschinenlärm geprägten Ort, an dem sich Surrealismus und Slasherhandwerk die Klinke in die Hand geben. Die Kameraarbeit ist funktional. Die Ausstattung überzeugt durch Detailfreude: rostige Gänge, düstere Ecken, plötzlich flackernde Leuchtstoffröhren. Die Geräuschkulisse – das Quietschen von Metall, die entfernten Geräusche der Stadt New York, das unheimliche Pfeifen Screamboat Willies – erzeugt eine wirksame Spannung, ohne sich in übertriebenem Sounddesign zu verlieren.
Zwischen Slapstick und Splatter
Screamboat macht keinen Hehl daraus, eine Horrorkomödie zu sein. Die Opfer sterben teilweise auf grotesk überzogene, fast slapstickartige Weise, während die Täterfigur mit ihren überzeichneten Gesten und dem übergroßen Grinsen wie eine zynische Parodie auf Disney-Freundlichkeit wirkt. Besonders charmant ist die Idee, die Geburtstagsgesellschaft optisch an Disney-Prinzessinnen anzulehnen – inklusive funkelnder Diademe, Ballkleider und naivem Optimismus, der sich im Lauf des Films in Panik verwandelt. Die Charakterzeichnung bleibt simpel, erfüllt aber ihren Zweck. Allison Pittell als Selena bringt ausreichend Präsenz mit, um als Final Girl durchzugehen, während Jesse Posey als Fährenmitarbeiter Pete glaubwürdig zwischen Alltagsmüdigkeit und Heldenrolle changiert.
Man kann Screamboat vieles vorwerfen: Er ist überdreht, nicht sonderlich tiefgründig und stilistisch stellenweise inkonsistent. Aber er weiß genau, was er ist – und das macht ihn sehenswert. Die Prämisse ist originell, das Timing meist gelungen, und Fans von blutigem Genrekino bekommen, was sie erwarten: einen irrwitzigen, bluttriefenden Trip durch eine der seltsamsten Ecken der Public-Domain-Verwertung – mit einem David Howard Thornton, der mal wieder eine herrlich fiese Performance abliefert. Und auch wenn der Film objektiv nie über Mittelmaß hinauskommt, ist er genau das Richtige für Horrorfans mit einem klein wenig Sinn für Filmgeschichte.
OT: „Screamboat“
Land: USA
Jahr: 2025
Regie: Steven LaMorte
Drehbuch: Matthew Garcia-Dunn, Steven LaMorte
Musik: Charles-Henri Avelange, Yael benamour
Kamera: Steven Della Salla
Besetzung: David Howard Thornton, Allison Pittel, Jesse Posey, Amy Schumacher, Jesse Kove, Kailey Hyman
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