
Sieben Frauen, ein Seminar und eine Woche Zeit, um mal rauszukommen – das klingt zunächst einmal nach einer entspannten Auszeit. In Überall gibt es ein Hausen treffen sich sieben Frauen in einem idyllischen Haus, um dem Alltagstrott zu entfliehen. Dabei sind sie nicht nur altersmäßig ziemlich unterschiedlich, sondern auch, was ihre Erwartungen an das Seminar angeht. Marion (Ute Meisenheimer), die 58-jährige Postbotin, will einfach mal wieder etwas Schönes erleben. Bankerin Julia (Antje Nikola Mönning) sucht Selbstverwirklichung. Marie (Helene Sattler) ist die Jüngste im Bunde und möchte vor ihrer Hochzeit nochmal was anderes machen. Influencerin Luisa (Amelie Köder) braucht dringend eine Pause von Familie und Schwiegermutter. Valentina (Lenka Arnold) ist die selbsternannte Seminarleiterin, die Freiheit über alles stellt. Gastgeberin Franzi (Mira Gittner) ist nur dabei, weil das Ganze in ihrem Haus stattfindet, und Antonia (Agnes Thi-Mai) ist dabei, ohne dass jemand genau weiß, warum. Ein bunter Mix also und tatsächlich starten sie erst mal ganz harmonisch in die Woche – bis plötzlich merkwürdige Dinge im Haus passieren und die Stimmung kippt.
Kollektive Regie und ein Hauch von Roland Reber
Überall gibt es ein Hausen ist der erste Film der wtp-Filmproduktion nach dem Tod von Kultregisseur Roland Reber, der für die sechs Filme zuvor verantwortlich war. Dieses Mal wurde der Film vom gesamten Ensemble inszeniert – ein Konzept, das im Theater zwar durchaus üblich, beim Filmdreh jedoch ungewöhnlich ist. Doch auch zu Rebers Zeiten war die Arbeitsweise bei wtp oft kollaborativ, weshalb der Film trotz neuem Ansatz immer noch eine typische Handschrift trägt. Kein Wunder, denn seine langjährige Ehefrau Mira Gittner und Antje Nikola Mönning, die beide eng mit Reber zusammengearbeitet haben, schrieben das Drehbuch. Wer also mit den bisherigen wtp-Filmen, wie Der Geschmack von Leben oder Roland Rebers Todesrevue, etwas anfangen konnte, dürfte sich auch hier wiederfinden. Wer sich bislang noch nicht mit dem Stil anfreunden konnte, wird auch jetzt nicht glücklich damit werden.
Ein markanter Unterschied zu früheren wtp-Werken: Der Film wurde komplett von Frauen inszeniert. Dadurch fehlt der Male Gaze – stattdessen stehen verschiedene weibliche Lebensentwürfe im Mittelpunkt. Die Figuren haben unterschiedliche Ansichten und verteidigen diese, doch immer wieder wird hinterfragt, ob ihre Sichtweise wirklich die richtige ist. Das sorgt für interessante Gespräche – oder besser gesagt Monologe, denn wirkliche Dialoge gibt es kaum. Stattdessen hält jede Figur kleine Reden, um ihre Position zu verdeutlichen. Das funktioniert mal besser, mal weniger gut.
Mysteriöse Ereignisse ohne wirklichen Payoff
Während der Film anfangs wie ein Kammerspiel mit feministischen Diskursen wirkt, mischen sich nach und nach unerklärliche Elemente hinein. Eine skurrile Hausordnung des Bruders von Franzi (Thomas Bastkowski) und sein Auftauchen bringen dann doch einmal so etwas wie eine männliche Perspektive ins Spiel. Das ist noch einigermaßen verständlich, aber wer hat eigentlich den Alleinunterhalter (Martin Bayer) bestellt? Und wer hat Luisa heimlich gefilmt? Auch die Darstellung von Träumen, die die Frauen seit ihrer Ankunft im Haus haben, sorgt eher für Verwirrung als für Spannung. Alle Rätsel werden nicht befriedigend aufgelöst, was manchen im Publikum vielleicht frustrieren dürfte. Was auch nicht jedem gefallen wird, ist, dass der Film viel mit Liedern arbeitet. Dabei werden sowohl bekannte Kinderlieder als auch eigens von Antje Nikola Mönning komponierte Stücke eingesetzt. Diese musikalischen Elemente verstärken jedoch das skurrile und experimentelle Flair des Films.
Am Ende ist Überall gibt es ein Hausen ein Film, an dem sich die Geister scheiden werden. Fans von Rebers Independent-Filmen werden sich freuen, dass sein Stil weiterlebt. Doch wer auf eine klare Handlung oder eine stringente Erzählung hofft, wird sich schwer tun. Die Figuren sind nicht immer glaubwürdig gespielt, es fehlt ein echtes Zusammenspiel zwischen den Figuren, und insgesamt wirkt der Film eher wie eine Nummernrevue als ein durchdachtes Ganzes. Dennoch: Wer Lust auf ungewöhnliche Filmkunst hat und sich gerne auf experimentelle Erlebnisse einlässt, könnte hier etwas für sich finden. Jedoch etwas, das weit davon entfernt ist, perfekt zu sein.
OT: „Überall gibt es ein Hausen“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: wtp-kollektiv
Drehbuch: Mira Gittner, Antje Nikola Mönning
Musik: Antje Nikola Mönning
Kamera: Mira Gittner
Besetzung: Antje Nikola Mönning, Amelie Köder, Helena Sattler, Lenka Arnold, Ute Meisenheimer, Agnes Thi-Mai, Mira Gittner, Claire Plaut, Martin Bayer, Thomas Bastkowski, Herbert Fischer
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