Born to be wild – Eine Band namens Steppenwolf
© Dustin Rabin / Lunabeach TV und Media & Rezolution Pictures / Didi Zill

Born to be Wild – Eine Band namens Steppenwolf

Born to be wild – Eine Band namens Steppenwolf
„Born to be Wild – Eine Band namens Steppenwolf“ // Deutschland-Start: 4. Kino 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Die Biker-Hymne Born to be Wild machte sie unsterblich. Doch jenseits dieses Mega-Hits kennen nur Eingeweihte die Geschichte der „Band namens Steppenwolf“, wie sie der Filmtitel eher zögerlich umschreibt. Das hat seine Gründe, denn die Musiker, die den Hard-Rock begründeten, wechselten häufig. Eine Zeitlang gab es sogar verschiedene Nachfolgeprojekte, die sich Steppenwolf nannten. Was es damit auf sich hat, und vor allem: welche aus Deutschland stammenden Persönlichkeiten eigentlich hinter der ur-amerikanischen Band stehen – darüber klärt der deutsche Dokumentarfilmer Oliver Schwehm auf, in einer gut gelaunten Rock-Oper, in der sich das Tragische mit dem Irrwitzigen mischt, das Authentische mit dem Überhöhten, das Zufällige mit dem scheinbar Schicksalhaften. Sein Musikfilm handelt von bösen Jungs und gut gealterten Opas, die auch mit 80 noch auf die Bühne steigen.

Freiheit und Abenteuer

So hat man den Song noch nicht gehört: In der ersten, lange verschollenen Demoaufnahme klingt Born to be Wild noch rauer und härter als in der bekannten Fassung. Es ist, als würden sich die harten Gitarrenriffs an den Wänden einer Garage brechen. Das Schlagzeug klingt trocken, fast blechern. Die ganze Energie strömt noch ursprünglicher und direkter aus den Lautsprechern als später in der Studioaufnahme. Der Regisseur stellt sein Fundstück genau in die Mitte des Films, als einen akustischen und optischen Höhepunkt. Die Kamera fliegt über die amerikanische Wüste, im Hintergrund zeigen sich schneebedeckte Berge. Und irgendwann steht Dennis Edmonton alias „Mars Bonfire“ auf einem Hügel und breitet zum Refrain die Arme aus. Das Gefühl von Freiheit und Abenteuer ist kaum geringer als in Easy Rider (1969) von Dennis Hopper, der zum Kultfilm einer Generation wurde. Dennis Edmonton hat den Song geschrieben, obwohl er gar nicht zu Steppenwolf gehörte, sondern nur zur Vorgängerband The Sparrows. Jahrzehntelang galt der Musiker als verschollen, aber Regisseur Oliver Schwehm machte ihn in der Wüste Nevadas ausfindig. So wie das Demoband zählt das Interview mit ihm zu den Perlen des Films.

Nicht weniger informativ ist der Weg „zurück zu den Wurzeln“. Der Film begleitet Steppenwolf-Sänger und Frontmann John Kay ins deutsche Arnstadt, wo er ein Konzert in der dortigen Bachkirche gibt. Die thüringische Kleinstadt war eine der Stationen des 1944 in den Kriegswirren als Joachim Krautelat geborenen Musikers, der mit seiner Mutter aus dem ostpreußischen Tilsit vertrieben wurde und später auch in Hannover aufwuchs, von wo die Familie 1958 nach Kanada auswanderte. Wenn John Kay heute darüber spricht, tut er es sogar über weite Strecken auf Deutsch, das er immer noch beherrscht. Er erzählt von seiner Sehbehinderung, die zu der dunklen Brille führte, die später sein Markenzeichen wurde. Er schildert sein Außenseitertum aufgrund dieser angeborenen Augenkrankheit und wie ihm die Musik eine Art Heimat bot. Tutti Frutti in der Version von Little Richard wurde zu einem Schlüsselmoment, der früh den Wunsch prägte, ein Rockstar zu werden.

Produktive Reibung

Sehr zum Vorteil seiner Musikdoku räumt Oliver Schwehm (Milli Vanilli: From Fame to Shame, 2016) auch einem anderen Bandmitglied eine zentrale Rolle ein. Bassist Nick St. Nicholas stammt ebenfalls aus Deutschland, aus einem wohlhabenden Elternhaus. Der Vater des 1943 Geborenen war in der Nazi-Zeit Flottenkommandant. Fotos zeigen ihn direkt neben Adolf Hitler. Sohn Klaus Karl Kassbaum, wie der Musiker ursprünglich hieß, wanderte mit der Familie bereits nach dem Zweiten Weltkrieg nach Kanada aus. Dort entdeckte er, sehr zum Unwillen des Vaters, seine musikalischen Neigungen und stieß 1965 zur Blues-Rock-Formation The Sparrows. Einmal sagt Johns Ehefrau Jutta über die beiden gegensätzlichen Charaktere: „Nick war fluid und John konzentriert“. Aber wie bei den Beatles und den Rolling Stones hatte der Erfolg von Steppenwolf wohl genau mit der Reibung zu tun, die aus Widersprüchen produktive Funken schlägt.

In ähnlicher Weise verschmilzt der Film unterschiedliche Materialien zu einem spannungsreichen, aber nicht unharmonischen Ganzen. Ein glückliches Händchen hatte Oliver Schwehm dabei unter anderem bei der Auswahl seiner Interviewpartner. Johns Tochter Shawn zum Beispiel gibt ungeschminkte Kommentare zum Chaos des Bandlebens ab und stellt ihren Vater keineswegs auf einen Sockel. Auch der Film betreibt keinerlei Heldenverehrung, sondern setzt die Biografien der Musiker in Bezug zu manchen Songtexten, im Bemühen, ein realistisches Bild von Zeitgeist und Showgeschäft zu zeichnen. Außerdem offenbart der Film ein Faible für das Außergewöhnliche und noch nie Gesehene. John singt zum Beispiel hier zum ersten Mal auf Deutsch. Dabei wählt er den größtmöglichen Gegensatz zwischen seinem Rocker-Image und dem Lied, das er sich dafür ausgesucht hat. Auch der Wolf heult manchmal leise.

Credits

OT: „Born to be Wild – Eine Band namens Steppenwolf“
Land: Deutschland, Kanada
Jahr: 2024
Regie: Oliver Schwehm
Drehbuch: Oliver Schwehm
Musik: Benoit Charest
Kamera: Gabi Kislat

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseur Oliver Schwehm und Leadsänger John Kay zu treffen. Im Interview zu Born to be Wild – Eine Band namens Steppenwolf sprechen wir über die Arbeit an dem Dokumentarfilm und die Geschichte der Musikgruppe.

Oliver Schwehm / John Kay [Interview]



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Born to be Wild – Eine Band namens Steppenwolf
fazit
„Born to be wild – Eine Band namens Steppenwolf“ blickt hinter den Mythos. Regisseur Oliver Schwehm lenkt den Blick auf zwei Charakterköpfe, die aus Deutschland ausgewandert waren und sich im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ als diejenigen erfanden, die sie immer sein wollten.
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