For the Time Being
© Across Nations Filmverleih

For The Time Being

„For The Time Being“ // Deutschland-Start: 18. April 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Das Thema Gerechtigkeit ist eines, das die Menschen sehr oft umtreibt, in allen möglichen Lebenslagen. Das kann das Individuum betreffen oder auch ganze Gesellschaften, wenn Teile davon systematisch benachteiligt werden. Ein besonderer Fall ist die Frage, wie mit Verbrechen umzugehen ist. Welche Strafe ist angemessen? Vor einigen Jahren erschien auf Amazon Prime Video der Dokumentarfilm Time. Darin kämpfte eine US-Amerikanerin darum, dass ihr Ehemann, der für einen Raubüberfall 60 Jahre hinter Gitter kommen soll, ein humaneres Schicksal erhält. Mit For The Time Being kommt nun ein weiterer Dokumentarfilm bei uns heraus, dieses Mal im Kino, der eine ähnliche Geschichte erzählt. Erneut geht es um eine US-Amerikanerin, deren Mann im Gefängnis sitzt und für den sie unbeirrt kämpft, trotz der geringen Aussichten auf Erfolg.

Der Kampf um Normalität

Einen großen Unterschied gibt es dabei: Während bei dem erstgenannten Film die Schuld des Mannes klar war, er diese auch nicht bestreitet, ist Michelle fest davon überzeugt, dass ihr Ehemann Jermaine unschuldig ist. Ob das nun stimmt oder nicht, ist in For The Time Being keine Frage, Es handelt sich hier nicht um eine True-Crime-Doku, bei der das Publikum irgendwelche spannenden Kriminalfälle bekommt. Vielmehr gibt das Werk, wie eben Time oben, Einblicke in ein marodes Justizsystem. Und eines, das ganz offensichtlich systematischen Rassismus pflegt. In beiden Fällen sind es schwarze Männer, die im Gefängnis sitzen und denen niemand in den entsprechenden Behörden helfen will. Es ist kein Geheimnis, dass überproportional viele junge Afroamerikaner aus schlechten ökonomischen Verhältnissen in den USA eingesperrt sind.

Regisseurin Nele Dehnenkamp ist dabei jedoch weniger darauf aus, diese gesellschaftliche Schieflage anzusprechen, auch wenn der Aspekt immer wieder durchschimmert. Vielmehr legt sie ihr Augenmerk auf die Ehefrau des Inhaftierten und beschreibt ihren Alltag. Wie ist das, wenn der Mann im Gefängnis sitzt und du dein Leben nicht mit ihm teilen kannst? Was macht diese Lücke mit einem? Immer wieder versucht die Protagonistin, das Beste aus der Situation zu machen. For The Time Being ist nicht nur der Kampf gegen juristische Windmühlen. Es ist auch der Kampf um ein Stück Normalität, welches sich Michelle für sich wünscht. Der Dokumentarfilm erzählt von der Sehnsucht nach einem Familienleben, wie man es aus den Filmen kennt. Eine heile Welt, in der alles seinen Platz hat.

Bewegendes Langzeitporträt

Stattdessen sind da die Leerstellen, wenn viele Erfahrungen nicht geteilt werden können oder es nur einen notdürftigen Ersatz hierfür gibt. Wenn die beiden beispielsweise miteinander telefonieren und nicht über die aktuelle Situation sprechen, so tun, als wäre das ein ganz normales Gespräch eines ganz normalen Paares, ist das gleichermaßen rührend wie schmerzhaft. Denn die Illusion ist immer eine temporäre, bevor sie in For The Time Being wieder auseinandergerissen wird. Man weiß beim Zuschauen dann auch nie wirklich, was man davon halten soll. Ist man beeindruckt von dieser Unnachgiebigkeit, mit der Michelle weitermacht, obwohl sie offenkundig nichts erreicht? Oder überwiegt das Mitleid dafür, wie sie selbst durch die Situation zu einer Gefangenen wurde?

Der Film wird dabei nie voyeuristisch. Dehnenkamp versucht nicht, beim Publikum Gefühle erzwingen zu wollen, wie man es auch bei Dokus immer wieder findet. Musikalische Manipulation? Gibt es hier nicht. Zu Herzen kann For The Time Being aber durchaus gehen. Das liegt auch daran, dass man sich für die Geschichte richtig viel Zeit nahm, über mehrere Jahre hinweg begleitete die Regisseurin ihre Protagonistin. Der Dokumentarfilm, der bei der DOK Leipzig 2023 lief, gewinnt als Langzeitporträt so eine beträchtliche Intimität. Man lernt Michelle näher kennen, hat den Eindruck, selbst Teil einer Familie zu werden, die keine wirkliche Familie sein darf.

Credits

OT: „For The Time Being“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Nele Dehnenkamp
Drehbuch: Nele Dehnenkamp
Musik: Martin Kohlstedt
Kamera: Nele Dehnenkamp, Florian Kroker

Bilder

Trailer

Filmfeste

DOK Leipzig 2023

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For The Time Being
fazit
„For The Time Being“ begleitet eine Frau, deren Mann viele Jahre hinter Gittern sitzt und für dessen Freilassung sie kämpft. Der Dokumentarfilm spricht dabei schon auch das marode Justizsystem in den USA an, ist primär jedoch das Porträt einer Frau, die unbeirrt an ihrem Traum festhält, so unrealistisch dieser auch sein mag.
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