153 Meter
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153 Meter

„153 Meter“ // Deutschland-Start: 11. Mai 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Sonderlich aufregend ist das Leben von Lana (Michaela Caspar) nicht. Wenn sie nicht gerade ihrer Tätigkeit als Hausmeisterin nachgeht, muss sich die Frau mittleren Alters um ihre pflegebedürftige Mutter (Maria Luise Preuß) kümmern. So lebt sie tagein tagaus in ihrer kleinen Wohnung eines Berliner Plattenbaus. Diese Tristesse wird erst durchbrochen, als ihr Vivi (Emilia von Heiseler) ins Auge fällt, eine junge Frau, die in dem gegenüberliegenden Gebäudekomplex wohnt. Immer wieder beobachtet sie diese von ihrem Fenster aus, hält sie zudem auf ihrer Kamera fest. Als eines Tages jedoch ein Mann in Vivis Wohnung auftaucht, ist für Lana klar, dass sie nicht länger einfach nur beobachten kann …

Es lebe der Voyeurismus

Eine gewisse Neigung zum Voyeurismus scheint den Menschen angeboren oder zumindest weit verbreitet zu sein. Ob es nun Unfälle sind, bei denen sich regelmäßig Gaffer finden, oder True Crime Dokus, die das Leid der porträtierten Figuren ausschlachten und ein großes Fanpublikum haben: Beispiele hierfür gibt es ohne Ende. Doch wann ist die Grenze zwischen einem natürlichen Voyeurismus und einem kranken erreicht? Und was sind das für Menschen, deren Leben darin einen Sinn findet, das der anderen zu beobachten, zu belauschen, zu belauern? In Filmen geschieht dies oft in Gestalt eines Thrillers, bei denen ein wahnsinniger Mann eine Frau stalkt. Aber es geht auch anders, wie der deutsche Beitrag 153 Meter demonstriert.

Hier ist es eine Frau, die eine andere Frau von ihrer Wohnung aus genau verfolgt. Wobei das Interesse nicht zwangsläufig sexueller Natur ist. Vielmehr scheint Lana durch das Leben der Anderen selbst ein Leben zu entwickeln. Ein bisschen erinnert das an The Voyeurs vor anderthalb Jahren. Dort war es ein Paar, das rege Anteilnahme an dem eines anderen Paares zeigte und sich schnell in den Beobachtungen verlor. Obwohl die zwei vom Haus gegenüber nur ein Objekt für sie waren, das zum Schauen und Spekulieren einlud, wurden die zwei Hauptfiguren schnell durch die Anderen dominiert. Bei 153 Meter ist das ähnlich. Wo sich bei dem US-amerikanischen Film das voyeuristische Doppel aber gegenseitig anstachelt, da ist Lana auf sich selbst gestellt. Es fehlt ihr an einem Austausch mit anderen. Andere Menschen, die sie davon abbringen könnten, immer tiefer in ihrer Obsession zu versinken.

Experimentelles Drama um eine Einsame

Das bietet sich wie gesagt eigentlich für einen Thriller an. Doch auch wenn Regisseur und Co-Autor Anton von Heiseler immer mal wieder mit Genreanleihen spielt, es im späteren Verlauf auch genussvoll eskalieren lässt, so ganz passt diese Einteilung nicht. Vielmehr ist 153 Meter über weite Strecken ein Drama über einen einsamen Menschen, der nichts mehr wirklich in seinem Leben hat. Die Beobachtungen und die damit verbundenen Fantasien bedeuten für Lana eine Möglichkeit, aus ihrer Tristesse auszubrechen. Sie will Vivi damit nicht schaden. Sie möchte nur etwas Anderes haben, etwas Aufregendes. Mehr haben, als sich um die Wohnungen und ihre Mutter zu kümmern, zu der sie offensichtlich ein schwieriges Verhältnis hat.

So richtig ins Detail geht von Heiseler dabei nicht, er lässt vieles bewusst im Vagen und Spekulativen. Dafür experimentiert er bei der Optik. Immer wieder bringt das Drama, welches bei den Hofer Filmtagen 2022 Premiere hatte, ungewöhnliche Bilder hervor. Das kann verfremdet sein, kaum zu erkennen, die Wackelkamera weckt zudem Erinnerungen an die Found-Footage-Welle vor einigen Jahren. Für ein Publikum, das großen Wert auf die Handlung legt, ist das weniger geeignet. Obwohl der Film mit einer Laufzeit von nur 71 Minuten ziemlich kurz ist, geschieht nicht so wahnsinnig viel. Aber es ist ein interessantes Werk, welches der Nachwuchs-Regisseur da vorgelegt hat. Dabei erhielt er viel Unterstützung von seiner Familie: Vivi wird von seiner Zwillingsschwester Emilia von Heiseler gespielt, Michaela Caspar ist die Mutter der beiden, Maria Luise Preuß wiederum die Großmutter. Auch wenn 153 Meter nicht viel mit gewöhnlichen Familienvideos zu tun hat, bei diesem lohnt sich das Reinschauen.

Credits

OT: „153 Meter“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Anton von Heiseler
Drehbuch: Maximilian Rummel, Andreas Koch, Anton von Heiseler
Musik: Lukas Zepf, Justin Robinsion
Kamera: Lucas Heinze
Besetzung: Michaela Caspar, Maria Luise Preuß, Emilia von Heiseler

Bilder

Trailer



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153 Meter
fazit
In „153 Meter“ beobachtet eine Frau eine andere im gegenüberliegenden Gebäude und entwickelt dabei eine Obsession. Der Film ist ungewöhnlich inszeniert, spielt immer mal wieder mit dem Thrillergenre, ist letztendlich aber das Porträt einer einsamen Frau, die auf diese Weise ihrer Tristesse entkommt.
Leserwertung11 Bewertungen
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von 10