Rosy – Aufgeben gilt nicht
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Rosy – Aufgeben gilt nicht

Rosy – Aufgeben gilt nicht
„Rosy – Aufgeben gilt nicht“ // Deutschland-Start: 23. Februar 2023 (Kino) // 26. Mai 2023 (DVD)

Inhalt / Kritik

Wie reagiert man, wenn man mit einer lebensbedrohlichen Diagnose konfrontiert wird? Das lässt sich im Vorhinein kaum sagen und ist wohl bei jedem Menschen anders. Einen höchst ungewöhnlichen Weg ging die junge Französin Marine Barnérias. Sie machte sich auf zu einer riskanten neunmonatigen Reise. Erst im Nachhinein und nachdem sie ein filmreifes Buch über ihre Einsichten geschrieben hatte, entschloss sie sich, aus 28 Stunden Handy-Videos eine Doku zu machen. Es ist ein ebenso berührender wie unterhaltsamer Trip geworden.

Schockdiagnose mit 21

Die Mutter weint. Sie hält die Hand vors Gesicht. Obwohl alles gut gegangen ist, sind auch Jahre nach dem großen Abenteuer ihrer Tochter die Emotionen überwältigend. Was hätte nicht alles passieren können, als Marine Barnérias beschloss, der Krankheit Multiple Sklerose (MS) auf absolut unkonventionelle Weise zu begegnen. Die damals 21-Jährige hatte das Gefühl, dass sie nur zu sich selbst finden und mit der Diagnose klarkommen könnte, wenn sie neun Monate die entlegensten Ecken der Erde bereisen würde, darunter Neuseeland und die Mongolei. Medizinische Hilfe war meilenweit entfernt, wenn sie allein in der Wildnis mit ihrem Zelt unterwegs war, nur mit einem Handy als alleinigem Draht zum Rest der Welt. Daheim zurück blieben Mutter, Vater und Schwester, die nun für den Film noch einmal Auskunft geben sollen, was sie in jener Zeit durchgemacht haben.

Auch die Schwester ist überfordert: „Ich kann nicht darüber reden“. Aber alle haben es geschafft, ihre Ängste zu überwinden, in erster Linie natürlich Marine selbst. Dass sie über ihren äußeren und vor allem inneren Weg ein Buch und nun diesen Film gemacht hat, die beide nicht von vornherein geplant waren, ist nicht als Rezept für andere MS-Kranke zu verstehen. Es ist Ergebnis einer bemerkenswerten Erfahrung: zu lernen, sich auf seine innere Stimme zu verlassen. Und zu spüren, was für einen selbst gut ist.

Obwohl MS keine seltene oder unbekannte Krankheit ist, sollte man trotzdem ein paar Worte darüber verlieren, um Marines Reise und den daraus entstanden Film angemessen zu würdigen. Die Sklerose ist eine entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems und Rückenmarks, die sich in Schüben bemerkbar macht. Von einen auf den anderen Moment treten Lähmungen oder Sehstörungen auf. Manche Symptome verschwinden wieder, andere bleiben. Wann der nächste Schub auftritt, lässt sich ebenso wenig voraussagen wie die Frage, wie bösartig MS bei einem selbst sein wird. Es gibt schwere und weniger schwere Verläufe. Sicher ist, und das wusste Marine vor Reisebeginn sehr genau, dass jederzeit alles passieren kann, egal wie gut man sich gerade fühlt.

Zwölf Tage kein Wort sprechen

So verwirrend Marines Entscheidung sich anfühlt, so klar sind das Denken, das Selbstgefühl und dadurch auch der faszinierende Film der lebenslustigen, spontanen und vor Energie übersprudelnden jungen Frau. Drei Ziele formuliert sie für ihre Reise, für jedes Land eines. Erstens, den Körper spüren – was wäre wohl mehr geeignet als ein zehrender Fußmarsch durch die Einsamkeit Neuseelands? Zweitens, den Geist zur Ruhe bringen – in einem myanmarischen Therapiezentrum zwölf Tage nur meditieren und kein einziges Wort sprechen. Und drittens, Körper und Geist in Einklang mit der Seele zu bringen in einem Ritt durch die unendlichen Weiten der Mongolei – in einer nicht mehr quälenden und auch nicht erzwungenen, sondern erwünschten Stille, die MS zu einem akzeptierten Begleiter innerhalb des eigenen Körpers werden lässt. Eine Art Erleuchtung unterwegs: Als Marine auf der Fahrt nach Myanmar einen Kosenamen für die Sklerose erfindet. Rosy ist abgeleitet von den letzten beiden Silben „rose“ und lässt etwas von der Akzeptanz ahnen, die Marine im Film ausstrahlt. Obwohl neue Schübe bislang ausblieben, weiß sie: „Wenn es passiert, wirst du stark sein und dich verwandeln“.

Auch wenn man über Marine Barnérias nicht anders als über eine Heldin schreiben kann, liegt das Faszinosum ihrer oft verwackelten Handybilder und des klug montierten Materials (Schnitt: Anne-Sophie Bion) in etwas anderem als einer weiteren Abenteuer-Doku. Nämlich in der unverstellten Begegnung mit einer jungen Frau, die konsequent bei sich bleibt und damit einen Horizont öffnet für den Umgang mit den Problemen des Lebens im Allgemeinen, nicht nur im Fall einer schweren Krankheit. Marine hat gelernt – und das nimmt man ihr auch ohne Worte und Erklärungen ab –, auf ihren Körper zu hören und sich von ihren Gedanken nicht beherrschen zu lassen. Vergänglichkeit ist das Zauberwort ihrer Meditationspraxis: zu begreifen, dass Ängste, Schmerzen und lähmende Denkspiralen nicht vorbeigehen, wenn man gegen sie ankämpft. Von dieser Weisheit, die die junge Frau in jeder Sekunde ausstrahlt, kann man sich in nahezu jeder Lebenssituation eine Scheibe abschneiden, ob in Neuseeland, Paris oder Berlin.

Credits

OT: „Rosy“
Land: Frankreich
Jahr: 2021
Regie: Marine Barnérias
Drehbuch: Marine Barnérias & Anne-Sophie Bion
Musik: Matthieu Chedid
Kamera: Marine Barnérias, Guillaume Boutindi, Ronan De Suin, Timothée Hilst

Bilder

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Rosy – Aufgeben gilt nicht
fazit
„Rosy – Aufgeben gilt nicht“ nimmt den Zuschauer mit auf eine aufregende Reise. Nicht nur atemberaubende Landschaften hat Regisseurin Marine Barnérias, die hier ihr eigenes Erleben beschreibt, zu bieten. Sondern vor allem einen faszinierend ehrlichen Blick ins eigene Innere.
Leserwertung8 Bewertungen
6.1