Matt Ruskin Interview Boston Strangler

Matt Ruskin [Interview]

Matt Ruskin Interview Boston StranglerIn Boston hat jeder schon einmal die Geschichte des Boston Stranglers gehört: 13 Frauen hat dieser in den frühen 1960ern in der US-amerikanischen Metropole ermordet. Bis heute ist der Fall mit vielen Geheimnissen und offenen Fragen verbunden – und damit ideal für einen True Crime Film. Ab dem 17. März 2023 könnt ihr mehr über diese berühmte Mordserie erfahren. Dann nämlich startet Boston Strangler auf Disney+. Keira Knightley und Carrie Coon spielen darin die beiden Journalistinnen, durch die der Fall so berühmt wurde. Wir haben vorab Regisseur und Drehbuchautor Matt Ruskin sprechen können. Im Interview erzählt er uns mehr über seinen Film und welchen Bezug er zum Thema hat.

 

Könntest du uns ein wenig über die Entstehung deines Films verraten? Weshalb wolltest du die Geschichte des Boston Stranglers erzählen?

Ich bin in Boston aufgewachsen und habe immer wieder vom Boston Strangler gehört, ohne aber seine Geschichte wirklich zu kennen. Vor einigen Jahren habe ich dann angefangen, mich näher mit dem Fall zu beschäftigen. Ich habe mir alle Bücher besorgt, die ich finden konnte, und habe mir den wunderbaren Podcast namens Stranglers angehört. Die Geschichte hat mich sehr fasziniert, weil im Herzen ein spannender Krimi steckt. Ich habe außerdem ein kurzes Interview mit Loretta McLaughlin gesehen, die als erstes die verschiedenen Morde in Verbindung setzte und darüber berichtete. Sie war es auch, die im Laufe ihrer Arbeit dem Boston Strangler seinen Namen gab. Mich haben Geschichten über Journalismus schon immer interessiert, weshalb ich mehr über Loretta erfahren wollte. Es gab aber nur wenig Material über sie. Als ich nachgeforscht habe, habe ich festgestellt, dass eine Freundin von mir die Enkelin von Jean Cole ist, mit der Loretta an der Geschichte arbeitete. Durch sie habe ich die beiden Familien kennengelernt und konnte so mehr über sie erfahren. Je mehr ich nachgeforscht habe, umso mehr war ich davon überzeugt, daraus einen Film machen zu können.

Das klingt nach einer Menge Arbeit. Wie lange hast du an der Recherche gesessen?

Ich habe etwa ein Jahr lang recherchiert, bevor ich mit dem Schreiben angefangen habe. Wobei die Recherchen damit nicht abgeschlossen waren. Der Prozess des Schreibens bringt es immer mit sich, dass man zurückgeht und noch mehr recherchiert, um die Lücken zu schließen. Insgesamt habe ich mehrere Jahre damit verbracht.

Als Zuschauer, der die Geschichte des Boston Stranglers nicht kannte, war ich beim Anschauen deines Films immer wieder überrascht. Als du tiefer in die Geschichte eingestiegen bist, was hat dich selbst am meisten überrascht?

Für mich ist es eine Geschichte um das Thema Identität. Nicht nur die Identität des Mörders, die gesucht wird, sondern auch die der Stadt. In Boston war es damals noch üblich, dass du deine Wohnungen nicht abgeschlossen hast. Das hat sich erst durch diese Morde geändert. Der Strangler hat die komplette Stadt geändert. Aber es ist auch die Geschichte von zwei Journalistinnen, die zu den wenigen Frauen gehörten, die in diesem Bereich arbeiteten. Sie versuchten eine Balance zu finden aus ihrer Arbeit, der sie eine Bedeutung geben wollten, und ihrem Familienleben. Sie mussten sich auch mit Sexismus auseinandersetzen und dem Status Quo der frühen 1960er.

Seither sind 60 Jahre vergangen. Wären die Ermittlungen heute anders, wenn der Boston Strangler heute erst zugeschlagen hätte?

Auf jeden Fall! Die Morde fanden statt, zehn Jahre bevor überhaupt der Begriff Serienmörder entstanden ist. Kriminologie und psychologisches Profiling waren damals noch neue Konzepte, die nicht weit verbreitet waren. Was ich auch spannend fand: Die Informationen, die Loretta und Jean zusammengetragen haben, wurden von der Polizei aufgegriffen und verwendet, weil damals kaum zwischen den einzelnen Stationen kommuniziert wurde. Sie waren in vielerlei Hinsicht Pionierinnen, wenn sie sich mit Psychologen und Psychiatern ausgetauscht haben, um auch eine medizinische Perspektive zu gewinnen.

Zu Beginn deines Films wird gesagt, dass sich niemand groß mit den Morden befasst hat, weil es unbedeutende Leute getroffen hat. Denkst du, dass das heute auch noch eine Rolle spielen würde?

Die Umstände waren damals einfach ganz andere. Wir reden über eine Zeit, in der es noch keine Nachrichtensender gab, die 24 Stunden am Tag die News verbreiteten. Damals gab es auch nur sieben Zeitungen in ganz Boston. Dadurch kam es immer wieder vor, dass manche Geschichten einfach untergegangen sind. Du musstest damals noch wirklich danach suchen, um diese Verbindungen zwischen den Morden zu finden. Loretta dürfte auch deshalb eine der ersten gewesen sein, die diese Verbindungen entdeckt hat, weil sie alles gelesen hat und immer auf der Suche nach einer Geschichte war. Die Medienlandschaft war damals einfach eine ganz andere.

Also hätte man ohne Loretta nicht gemerkt, dass es ein Serienmörder war?

Wahrscheinlich hätten es auch andere gemerkt, nachdem der Strangler noch ein paar weitere Morde begangen hat. Sie war einfach die erste.

Dem Täter auf der Spur: Jean Cole (Carrie Coon) und Loretta McLaughlin (Keira Knightley) jagen in Boston Strangler den gleichnamigen Serienmörder, der in den frühen 1960ern 13 Frauen tötete. (© 2022 20th Century Studios)

In den letzten Jahren sind True Crime Geschichten enorm populär geworden. Wenn du den Strangler mit anderen bekannten Serienmördern vergleichst, was macht ihn für dich besonders?

Ich muss gestehen, dass ich mich zu wenig in diesem Gebiet auskenne, um die Frage beantworten zu können. Ich bin da kein Experte. Was mich aber angesprochen hat, war dieses persönliche Element. Nicht nur, dass es die Stadt ist, in der ich aufgewachsen bin. Durch Loretta bekam die Geschichte für mich etwas Menschliches. Sie ist jemand, den ich sehr bewundere und von dem ich denke, dass sich viele mit ihr identifizieren können. Das kommt zu der spannenden Geschichte noch hinzu.

Woran liegt es deiner Meinung nach, dass True Crime so beliebt ist?

Keine Ahnung. Aber lass es mich wissen, wenn du die Antwort hast. (lacht) Ich denke, da kommt zusammen, dass die Geschichten sowohl sehr schrecklich sind, gleichzeitig aber auch alltäglich. Sie sind so nah an uns dran, dass es uns alle irgendwo betrifft.

Letzte Frage betrifft das Casting: Was war dir wichtig bei der Besetzung der beiden Hauptfiguren?

Keira Knightley war für mich immer die Wunschbesetzung für Loretta. Sie bringt die Stärke mit, die du für eine solche Rolle brauchst, kann gleichzeitig aber auch sehr verwundbar sein und eine große Innerlichkeit verdeutlichen. Das waren die beiden Punkte, die wir brauchten, um Loretta zum Leben zu erwecken. Ich konnte mir niemanden vorstellen, der das besser als sie gekonnt hätte. Carrie Coon, die Jean spielt, ist messerscharf und lustig und energisch. Es war ein Traum, mit den beiden arbeiten zu können.

Vielen Dank für das Gespräch!



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