Return to Seoul
© Aurora Films Vandertastic Frakas Productions
Return to Seoul
„Return to Seoul“ // Deutschland-Start: 26. Januar 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Für die 25-jährige Frédérique (Park Ja-min), kurz „Freddie“, ist Südkorea ein fremdes Land, als sie es zum ersten Mal besucht. Kurz nach ihrer Geburt wurde sie zur Adoption freigegeben und hatte nie Kontakt mit ihren leiblichen Eltern. Dank ihrer Bekanntschaft mit Tena (Guka Han), der Rezeptionistin in ihrem Hotel, gelingt der jungen Frau die Kontaktaufnahme mit der Agentur, die damals ihre Adoption nach Frankreich ermöglichte und die ihr nun helfen wollen, ihre leiblichen Eltern zu kontaktieren. Während von ihrer Mutter eine Antwort ausbleibt, dauert es nicht lange, bis sich ihr Vater (Oh Kwang-rok) und dessen Familie meldet. Der herzliche Empfang und die Hilfe Tenas befremden Freddie jedoch zunehmend, sodass sie sich von beiden distanziert. Parallel hört Freddie auch etwas von ihrer Mutter, die aber keinerlei Kontakt mit ihr wünscht.

Zwei Jahre nach ihrer ersten Reise nach Seoul lebt Freddie inzwischen in der Hauptstadt, hat die Sprache gelernt und zudem einen neuen Freundeskreis, der sich in erster Linie aus jungen Künstlern und Musikern zusammensetzt. Während ihre Nächte vor allem durch Partys bestimmt sind und sie mit einer ebenfalls aus Korea stammenden Frau Kontakt hat, die auf der Suche nach ihre Eltern ist, wartet Freddie immer noch auf eine Nachricht ihrer Mutter. Das anhaltende Schweigen irritiert und frustriert sie zunehmend und ist dabei, einen Keil zwischen sie und ihre Adoptiveltern in Frankreich zu treiben sowie ihren leiblichen Vater, dessen Nachrichten an sie immer verzweifelter werden.

Alles ablehnen

Fremdheit, Familie und Identität sind die Kernthemen des filmischen Schaffens von Regisseur Davy Chou (Diamond Island), dessen Eltern kurz nach seiner Geburt von Kambodscha nach Frankreich fliehen mussten. Das Stehen zwischen zwei Kulturen war einer der vielen Inspirationen für seinen Film Return to Seoul, der auf den Filmfestspielen in Cannes 2022 uraufgeführt wurde und dort für den Un Certain Regard-Preis nominiert war. Die eigentliche Idee für die Geschichte wie auch den Hauptcharakter hatte Chou, als er eine Freundin bei ihrer Suche nach ihren biologischen Eltern begleitete wie auch zu den ersten Treffen mit ihrem Vater, den sie schließlich ausfindig machen konnte.

Die Suche nach der Familie und damit der eigenen Identität ist ein Konzept, welches bereits viele Autoren und Filmemacher aufgegriffen haben und welches besonders in einer globalisierten Welt immer relevant sein wird. Während sich manche dieser Romane oder Filme oftmals in einem melodramatischen und bedauerlicherweise sehr oberflächlichen Geflecht verstricken, ist Return to Seoul bereits von der Anlage her anders, insbesondere in der Gestaltung der Hauptfigur. Tränen oder große Emotionen sieht man kaum bei der jungen Frau, die außerhalb einiger Brocken der Sprache, nichts von dem Koreanisch ihres Umfeldes verstehen kann und deswegen auf ihre Übersetzerin sowie Technologie angewiesen ist, was für beide Seiten zunehmend frustrierend ist. Es ist, wie der Regisseur in Interviews betont, keine jugendliche Rebellion, die Freddie antreibt, sondern eher etwas, dass man nicht definieren kann, sich aber in erster Linie in einer Form der Ablehnung, der neuen wie auch der alten Familie, der Menschen, der Dinge und der Werte, zeigt. Chou schafft eine sehr unabhängige Heldin, die durch ihre Handlungen zwar keine Sympathiepunkte bekommen wird, welche aber eben so wesentlich nachvollziehbarer und menschlicher wirkt.

„Ein sehr trauriger Mensch“

Wie an einer Stelle Tena es Freddie sagt, ist sie ein „trauriger Mensch“, was ein Statement ist, was zugleich auf die Form von Return to Seoul passt. Die Orte in Chous Film sind definiert von einer Mischung aus Unergründlichkeit und Dunkelheit, also so etwas wie ein Spiegelbild der emotionalen Verfassung der Heldin, wenn man so will. Interessant ist hierbei, dass, auch wenn der Zuschauer acht Jahre im Leben der Protagonistin begleitet, die Ästhetik den Prozess der Erfahrung und der Nähe zu dieser Kultur, zu dieser neuen Familie nachempfindet, was sich vor allem in den Bildern von Kameramann Thomas Favel niederschlägt. Die Vermeidung des großen Melodramas oder der einfachen Erklärungen ist ästhetisch wie auch erzählerisch solide umgesetzt und macht Return to Seoul zu einem nicht immer einfachen, aber auch sehr berührenden Film.

Einen großen Anteil an dem Erfolg des Films hat natürlich auch Hauptdarstellerin Park Ji-min, die zum ersten Mal vor der Kamera zu sehen ist. Ihr Spiel betont Freddie als eine emotionale Chiffre, bei der man die Innenwelt oder Reaktion auf ein Ereignis bisweilen nur erahnen kann. Dies changiert zwischen Wutausbrüchen bis hin zu Trotzreaktionen, die alle um sie herum vor den Kopf stoßen und eben jene Abwehrhaltung ausdrücken, welche Chou so wichtig war bei Return to Seoul.

Credits

OT: „Retour à Séoul“
Land: Frankreich, Belgien, Deutschland,  Kambodscha
Jahr: 2022
Regie: Davy Chou
Drehbuch: Davy Chou
Musik: Jérémie Arcache, Christophe Musset
Kamera: Thomas Favel
Besetzung: Ja-min Park, Kwang-rok Oh, Duka Han, Sun-young Kim, Yoann Zimmer, Louis-Do de Lencquesiang

Bilder

Trailer

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Return to Seoul
fazit
„Return to Seoul“ ist ein Drama über Familie, Heimat und Identität. In der Flut thematisch verwandter Geschichten sticht Davy Chous Werk zum einen wegen seiner überzeugenden Hauptdarstellerin hervor, doch ebenso aufgrund seines Ansatzes, der das Melodrama und die Simplifizierung meidet, und dadurch seinen Figuren, ihren Emotionen und den Themen näher kommt.
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