Odotus Mittsommerlust DVD Kritik
Drehbuchautorin und Schauspielerin Inka Kallén in "Mittsommerlust" (© Atlas Film)

Inka Kallén [Interview]

In Mittsommerlust portraitiert der finnische Regisseur Aku Louhimies das Leben der leidenschaftlichen Elli, die sich in einer harmonischen Ehe befindet und von einem Besucher in eine plötzliche Affäre gerissen wird. Zur DVD- und VoD-Veröffentlichung am 26. August 2022 haben wir uns mit Inka Kallén, der finnischen Drehbuchautorin und Schauspielerin der Elli, über die Arbeit am Film und die Botschaft des Beziehungsdramas unterhalten.

Hat sich Ihnen als Schauspielerin und als Drehbuchautorin die Idee hinter der Figur von Elli schnell erschlossen oder war das eher ein Prozess über mehrere Monate, vielleicht sogar bis zum Ende der Dreharbeiten?

Das Drehbuch ist inspiriert von Juhani Aho, der die Novelle The Vicar’s Life 1893 geschrieben hat und beachtliche zwölf mal für seine Werke für den Nobelpreis nominiert wurde. Da ich das Drehbuch zusammen mit dem Regisseur Aku Louhimies geschrieben habe, bin ich einfach stärker in die Geschichte involviert gewesen und hatte unterbewusst schon beim Schreiben eine recht gute Vorstellung über den Charakter von Elli. Fragt man mich aber als Schauspielerin, so würde ich sagen, dass es ein langwieriger Prozess war, der sich über eine lange Zeit erstreckt hat und sogar noch nach den Dreharbeiten anhielt. Persönlich war mir wichtig, mich von der Rolle, die ich als Drehbuchautorin im Kopf hatte, loszulösen. Stattdessen wollte ich mich jeder Szene mit einem offenen Geist hingeben, sodass die Geschichte atmen konnte und irgendwann selbst lebendig wurde. Wenn du von der Vorstellung loslässt, wie Dinge ablaufen sollten, passiert unter Umständen schon etwas Magisches.

Wenn wir Elli am Anfang und am Ende vergleichen, ist sie schon eine sehr unterschiedliche Person. Was hat sich in ihr am meisten geändert?

Ihr genereller Blick auf das Leben. Persönlich würde ich sagen, sie wird wagemutiger, um ganz sie selbst sein zu können. Die Veränderung schlägt sich nicht in den Lebensumständen nieder, vielmehr ist es ein innerer Wachstums- oder Reifeprozess. Die Botschaft, um die es mir ging lautet dabei: Wir haben immer die Wahl, unsere eigene Einstellung zu wählen und somit auch unser Wohlbefinden, welches damit verknüpft ist.

Angenommen manche Kinogänger würden sagen, dass man nichts Tiefgreifendes über Elli erfährt z.B. ihre Entwicklung gegen Ende hin. Können sie das verstehen? Und wäre es vielleicht besser, wenn es mehrere innere Monologen gäbe?

Ich verstehe es so, dass dieser Film und Ellis Charakter jedem Zuschauer seine eigenen Überzeugungen über das Leben vorhält, besonders bei Themen wie Liebe, Ehrlichkeit, Sexualität und Untreue. Es ist nicht wirklich wichtig, was wir über Ellis Gefühle lernen. Entscheidend ist, was wir über uns selbst und unsere eigenen Reaktionen herausfinden. Wagen wir es, uns den Spiegel selbst vorzuhalten?

Angenommen der Film wäre von dem amerikanischen Regisseur Terrence Malick (The Tree of Life) und es gäbe massenhaft an Voice-Over, womit man jedes kleine Gefühl von Elli kommentieren würde. Was denken Sie über so eine Variante des Filmes?

Ich würde wahnsinnig gerne eine Version von Terrence Malick sehen und sogar ein Teil davon sein. Nichtsdestotrotz muss ich aber fragen, warum müssen wir jedes einzelne Gefühl in Elli beschreiben? Warum lässt man ihr nicht Platz und einen gewissen Interpretationsspielraum für das Publikum, die somit ihre eigenen Emotionen hinterfragen können?

Denken Sie dass jede Frau sich mit dem Film identifizieren kann? Wenn ja, welche Art von Frau fühlt sich wohl am meisten mit Elli verbunden?

Basierend auf den Gesprächen, die ich im Rahmen der ersten Vorführung hatte und den hunderten von Nachrichten, die ich bekommen habe, kann ich wohl sagen, dass sich jeder mehr oder weniger mit dem Film identifizieren kann. Die Mehrheit der Leute findet den Film ehrlich und schön. Manche Menschen sind verwirrt, sogar etwas verstört, sagen aber, dass ihnen der Film in Erinnerung bleibt. Einige jüngere Frauen beschrieben den Film als umwerfend und befreiend in Hinblick auf die eigene Sexualität. Ein Lob, welches ich öfter gehört habe: Der Film ermutigt, so zu leben, wie es sich richtig anfühlt. Ein bewegender Kommentar, der mir sehr im Kopf blieb, kam jedoch von einer älteren Frau, um die 80. Sie sagte zu mir: Dieser Film berührte meine Seele. Ich kenne Elli, ich habe das gleiche erlebt!

Und bei den Männern, können die auch etwas mit dem Film anfangen?

Diese Frage gebe ich gern an Sie zurück. Was haben Sie als Mann von dem Film gelernt? Ich würde beim Publikum grundsätzlich aber gar nicht so sehr auf die Geschlechter schauen. Auch kann ich kaum sagen, was die Menschen aus dem Film mitnehmen sollten. Als Filmemacherin möchte ich nur eines: Reflexion.

Ich habe einfach eine Geschichte über eine Frau geschrieben, weil ich selbst eine bin und es für mich einfacher ist, mich mit weiblichen Verlangen und Bedürfnissen zu identifizieren. Aber dieser Film ist für alle. Die Geschlechter der Charaktere sind bis zum Ende irrelevant und sie hätten beliebig vertauscht werden können. Ich glaube die grundlegenden Lebensfragen, die uns berühren, sind nicht abhängig von Geschlecht, Nationalität und Zeit.

Erinnert Sie der Film an andere tolle Filme in dem Genre?

Ich würde sagen, dass ich mich generell sehr dem französischen Kino hingezogen fühle. Vielleicht könnte man an der Stelle Das Piano von Jane Campion nennen, einer meiner Lieblingsfilme aller Zeiten.

Zu guter Letzt: Welche Fragen möchten Sie in Interviews gern öfters hören, wenn Sie über ihre Filme sprechen?

Ich genieße präzise und direkte Fragen. Jede Frage, die persönlich und tiefgreifend ist, ist toll.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Inka Kallén (geb. 30. September 1981 in Tuusula, Finland) ist finnische Drehbuchautorin und Schauspielerin und vordergründig bekannt durch TV-Produktionen wie beispielsweise Arctic Circle.



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