Ladies only
© Milann Tress John

Ladies only

Ladies only
„Ladies only“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Rush Hour in Mumbai. Unvorstellbare Menschenmassen quetschen sich in einen Vorortzug. Es wird gedrückt und gedrängelt, im Geiste meint man schon, die ersten Ohnmächtigen zu sehen und die Sirenen der Sanitäter zu hören. Trotz des in westlichen Ländern unvorstellbaren Gequetsches müssen genauso viele draußen bleiben, wie es in den Zug geschafft haben. Ganz klar: Das war vor der Pandemie. Im heißen Sommer 2019 drehte die aus Mumbai stammende, heute in Köln lebende Filmemacherin Rebana Liz John ihre Dokumentation über die Lage der indischen Frauen. Mit einem kleinen Team (Regie, Kamera, Ton) fuhr sie in den Zugwaggons mit, die ausschließlich Frauen vorbehalten sind, selbstverständlich auch in weniger überfüllten Tageszeiten. Manchmal beobachtet die Kamera von Milann Tress John nur, manchmal kommt die aus dem Off zu hörende Regisseurin mit den Passagieren in einen Dialog. Die Gespräche drehen sich um Alltagprobleme und um das große Ganze, konsequent aus weiblicher Sicht. Ladies only gibt den Frauen eine Stimme, egal ob jung oder alt, reich oder arm, gläubig oder atheistisch. In der Berlinale-Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ gab es dafür den Kompass-Perspektive-Preis als bester Film.

Schutz vor Übergriffen

Das Langfilmdebüt von Rebana Liz John steht unter einer Prämisse, die nicht eigens erläutert, sondern stumm vorausgesetzt wird: Die Frauen sollen nicht als Opfer, sondern in der Würde selbstbestimmten Handels gezeigt werden, trotz der hohen Hürden einer patriarchalischen Gesellschaft. Daher bleibt unerklärt, was einem westlichen Publikum zunächst merkwürdig vorkommt. Wie kann es sein, dass Frauen wie in einer Art Apartheid in eigene Waggons gezwungen werden? Antwort: Was uns als Skandal erscheint, ist in Wirklichkeit eine feministische Errungenschaft. Durch die Trennung von den Männern sollen Frauen und Mädchen vor sexuellen Übergriffen geschützt werden. Das sehen die Betroffenen offenbar genauso. Sie empfinden „ihre“ Abteile als geschützten Raum. Wenn Regisseurin Rebana Liz John die Frage „was macht dich wütend“ stellt, kommt nie der Hinweis auf die Geschlechtertrennung.

Insgesamt 34 Frauen wurden interviewt, 13 von ihnen tauchen in der endgültigen Schnittfassung auf. In den meisten Fällen handelt es sich um Zufallsbekanntschaften, nur wenige Treffen waren vorher abgesprochen. Entsprechend bunt fallen die Antworten aus, die mal an der Oberfläche bleiben und mal tiefer gehen. Eine Frau erzählt zum Beispiel, dass ihr Mann Alkoholiker sei. Aber trennen will sie sich trotzdem nicht. Was Männer betrifft, hat sie resigniert. Sie versucht, einfach das Beste aus ihrer Lebenslage zu machen. Andere wiederum geben sich kämpferisch und wollen sich nicht länger den patriarchalischen Regeln unterordnen. Auch auf ein feministisch inspiriertes Gedicht, das die Regisseurin mitgebracht hat und von den Frauen lesen lässt, reagieren die Betroffenen unterschiedlich. Eine meint, man solle sich schämen, so etwas zu schreiben. Andere dagegen zeigen Sympathie für den Protest gegen die Männerherrschaft. Ein roter Faden allerdings lässt sich aus den Äußerungen nicht weben. Vieles wirkt zufällig, was irgendwann zu einer gewissen Langeweile führt.

Meditativer Rhythmus

Seine Qualitäten hat die knapp 80minütige Dokumentation weniger im Inhalt als in der Machart. Leuchtende Schwarz-Weiß-Bilder fangen die Stimmung des Reisens ein: neugierige Gesichter, vorbeifliegende Straßen, Müdigkeit, Stress, aber auch das Treiben fliegender Händler, die ihre Accessoires auf mobilen Hängevorrichtungen feilbieten. Oft sagen die Einstellungen mehr als Worte. Der meditative Rhythmus der Montage bietet Raum für eigene Assoziationen des Publikums und öffnet die indischen Besonderheiten für universellere Anknüpfungspunkte. Immer wieder äußern die Frauen etwa, wie anstrengend das Leben durch den hyperkapitalistischen Leistungsdruck geworden sei – wie schädlich sich die Herrschaft des Geldes auf Privatleben, Beziehungen und mentale Gesundheit auswirke.

Credits

OT: „Ladies only“
Land: Deutschland, Indien
Jahr: 2022
Regie: Rebana Liz John
Drehbuch: Rebana Liz John
Musik: Jin Jim, Lucas Pizzini, Daniel Smith, Nico Stallman, Johann May
Kamera: Milann Tress John, Rebana Liz John

Trailer

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Berlinale 2022

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Ladies only
Rebana Liz John gibt in ihrem Langfilmdebüt den indischen Frauen eine Stimme. Sie steigt mit einem kleinen Team in die Vorortzüge von Mumbai und destilliert aus Zufallsbegegnungen ein Mosaik von Lebenshaltungen, Gefühlen und spontanen Reaktionen. Die Stärken der Dokumentation liegen dabei vor allem in seiner faszinierenden Schwarz-Weiß-Ästhetik und seinem meditativen Rhythmus.
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