Der Alpinist
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Der Alpinist

Inhalt / Kritik

Der Alpinist
„Der Alpinist“ // Deutschland-Start: 17. Februar 2022 (Kino)

In einer Welt, in der die Präsenz auf Social-Media-Kanälen beinahe alles ist und die Vermarktung fast mehr zählt als das eigentliche Können, ist Marc-Andre Leclerc das erfrischende Gegenteil. Statt Ruhm, Geld oder Erfolge geht es dem kanadischen Alpinisten um die Erfahrung in der Natur, die sportliche Herausforderung und das Erleben des Glücksgefühls.

Die beiden Kletter-Dokumentationsfilm-Profis Peter Mortimer und Nick Rosen begleiten in Der Alpinist Leclerc und seine fast ebenso talentierte Freundin und Kletterpartnerin Brette Harrington über einen Zeitraum von zwei Jahren. Von den Rocky Mountains im Norden Amerikas geht es bis in das südlichste Patagonien. Als Zuschauer wird einem leicht schlecht, wenn Leclerc ohne Seil im Fels hängt und die Flugdrohne langsam rauszoomt, sodass ersichtlich wird, wie tief Leclerc fallen würde, wenn ihn jetzt seine Kräfte verließen oder er daneben griffe.

Kein Seil, kein Platz für Fehler, volles Risiko – und gerade deshalb so reizvoll. Man zittert mit, nicht nur ob des Wagemutes, sondern auch ob der eisigen Gebirgszüge, die er oft ohne Handschuhe erklettert.

Ein Leben fürs Klettern

Aber Leclerc ist Vollprofi. Der zu Beginn der Filmaufnahmen erst 23 Jahre alte Kanadier wächst in der Nähe von Chilliwack auf, einer Stadt in der Provinz British Columbia. In der Schule tut er sich schwer, das ADHS, das diagnostiziert wird, macht es nicht einfacher. Statt in das Klassenzimmer, zieht es Leclerc raus. In die Natur. Die alpinen Abenteuer, die er in den Büchern liest, will er selbst erleben. Mit ein paar Müsliriegeln bricht er zu seinen ersten eigenen Exkursionen auf. Und merkt: Der Fokus und die Konzentration, die ihm in der Schule so schwerfallen, stellen sich am Berg von selbst ein. Kaum hat er die High School beendet, wird er zum Fulltimekletterer. Er klettert, bis seine Fingerkuppen bluten.

Und doch fliegt er in einer Sportart, die sich immer größerer Beliebtheit erfreut und bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio erstmals zum Programm gehört, lange Zeit unter dem Radar. Für ihn geht es nicht darum, Rekorde zu brechen und in das Licht der Öffentlichkeit zu gelangen, sondern nur um die nächste Route. Er unternimmt die gewagtesten Solotouren der Geschichte, erklimmt abgelegene Steilwände und traut sich sowohl an Fels als auch an Eis. Doch er bleibt ein öffentlichkeitsscheuer Nomade. Er hat kein Handy, kein Auto, kein Luxus. Monatelang schläft er auf einem Treppenabsatz, bevor er in ein Zelt umzieht. Er sucht nicht das Rampenlicht, sondern die Stille der Natur. Nicht eine Fangemeinde aufzubauen ist sein Ziel, sondern die Erfüllung persönlicher Träume.

Abenteurer abseits der Kamera

Das stellt auch die Filmcrew vor Herausforderungen, denn mitten in den Dreharbeiten verschwindet Leclerc von der Bildfläche, ist nicht mehr zu greifen, meldet sich nicht mehr. Er klettert aber weiter. Ganz alleine. Als er nach Monaten wieder Kontakt aufnimmt, erklärt er, dass der Reiz des Solokletterns gerade darin besteht, diese Erfahrung alleine zu machen. Ein Filmteam dabeizuhaben würde das Erlebnis schmälern. „Weil es für mich kein Solo wäre, wenn jemand dabei wäre. Auch wenn er nicht dabei hilft, sondern nur filmt. Erst wenn ich selbst diese Wahnsinnserfahrung hatte bin ich bereit, sie zu teilen. Wenn ich im Alleingang klettere mag ich nicht das Gefühl, mich anzutreiben. Ich mache das, um ein lässiges Abenteuer zu erleben, Spaß zu haben und das Leben zu genießen“, sagt er.

Leclerc beeindruckt trotz seines jungen Alters mit seiner Erfahrung. Seiner Präzision. Und seinem Mut. Auch erfahrene Alpinisten haben ihn mittlerweile auf dem Schirm. Der sympathische Extremkletterer Alex Honnold kommt in der Dokumentation genauso zu Wort wie Bergsteiger-Legende Reinhold Messer, der in Filmen solcher Art nie fehlt und ob der immer riskanter werdenden Touren Leclercs den Reiz am Risiko erklärt: „Wenn der Tod keines der möglichen Resultate des Bergsteigens wäre, dann wäre es kein Abenteuer, keine Kunstform, sondern eine Art Kindergarten.“

Emotional berührend und inspirierend

Hat Leclerc keine Angst?, fragt man sich als Zuschauer unweigerlich beim Anblick der beeindruckenden Aufnahmen. Aber Extremsportler wie Leclerc wagen das hohe Risiko in den Bergen nicht, um zu sterben. Sondern um sich lebendig zu fühlen. Immer und immer wieder.

Mortimer und Rosen begleiten Leclerc bei dieser Reise und kreieren einen emotional berührenden und inspirierenden Film, der nicht nur unglaubliche Panorama-Aufnahmen mythenbehafteter Berge beinhaltet, sondern auch die Schattenseiten des Freikletterns nicht ausspart. Leclerc nimmt uns mit auf Routen, die andere nicht einmal mit Seil klettern. Er zeigt uns Touren, die unmöglich schienen. Und sein persönliches Highlight: Die Solobesteigung des Torre Eggers in Patagonien, eine mit Eispilzen bedeckte Felssäule. Ein langgehegter Traum des Kanadiers.

Heraus kommt ein Film, der einen sympathischen aber konsequenten Leclerc zeichnet, der bereit ist, vollstes Risiko zu gehen. Ohne Barrieren, Einschränkungen oder Zurückhalten. Trotz der Gefahr des Todes, die permanent lauert.

Credits

OT: „The Alpinist“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Peter Mortimer, Nick Rosen
Musik: Jon Cooper
Kamera: Jonathan Griffith, Brett Lowell, Austin Siadak

Bilder

Trailer

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"Der Alpinist" begleitet den kanadischen Kletterer Marc-Andre Leclerc während seiner Touren. Der Dokumentarfilm fesselt mit schwindelerregenden Aufnahmen, aber auch einem sympathischen Protagonisten, der sich nur in der Extremsituation frei und lebendig fühlt.
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