Paris-Brest Rückkehr in die Bretagne
© Philippe Lioret

Rückkehr in die Bretagne

Inhalt / Kritik

Paris-Brest Rückkehr in die Bretagne
„Rückkehr in die Bretagne“ // Deutschland-Start: 20. März 2020 (arte)

Für den 18-jährigen Colin (Anthony Bajon) steht bereits fest, wie sein weiteres Leben aussehen wird: Zusammen mit seiner großen Liebe Elise (Daphné Patakia) will er nach Paris gehen, um dort an der Sorbonne Literatur zu studieren. Denn er möchte später einmal Schriftsteller werden und große, wichtige Romane verfassen. Leider hält der Rest seiner Familie wenig davon diesem Plan. Seine geliebte Großmutter Manou (Catherine Arditi) will ihn ebenso wenig unterstützen wie seine Eltern, mit denen er im Dauerstreit lebt. Aber da ist ja noch Kevin (Kévin Azaïs), der Sohn der Putzfrau, der ihm bei seinen Plänen zur Seite stehen will – aus nicht ganz uneigennützigen Motiven …

Der Traum vom Schreiben

Wozu wärest du bereit, um deinen Traum zu erfüllen? Diese Frage stellt sich gerade im künstlerischen Bereich oft, wenn die Sehnsucht nach persönlicher Selbstverwirklichung mit Entbehrungen einhergeht, teilweise auch mit großen Opfern. Filme wie Whiplash oder Prélude haben vorgeführt, dass das mit der Musikkarriere nicht so traumhaft schön ist, wie man sich das vielleicht vorstellen mag. Privatleben? Ist nicht. Auch bei Rückkehr in die Bretagne darf sich ein junger ambitionierter Künstler mit dieser Frage auseinandersetzen. Dieses Mal verschlägt es uns jedoch in den Bereich der Literatur, wo die Regeln noch einmal ein bisschen anders sind. Außerdem liegt der Schwerpunkt des französischen Films ganz woanders.

Wo die obigen Kollegen der Chronologie folgend den Weg der Protagonisten begleiten, von den idealistischen Anfängen über die einsetzende Ernüchterung bis zu der existenziellen Sinnfrage, da setzt Rückkehr in die Bretagne auf zahlreiche Zeitsprünge. Wenn wir Colin kennenlernen, lebt er bereits seit einigen Jahren in Paris, kehrt dann aber zu seiner Familie zurück. Während seiner Zeit in der Metropole war er nicht untätig, sondern hat zahlreiche Bücher geschrieben, so zumindest denken alle. Sein kommendes Buch, so schimmert irgendwann durch, basiert auf den Erfahrungen, die er in der Heimat gesammelt hat. Das wiederum stößt bei seiner Familie und dem übrigen Umfeld auf wenig Begeisterung. Niemand will seine Geschichte in Buchform niedergeschrieben sehen.

Zwischen Spurensuche und Familienporträt

Regisseur und Co-Autor Philippe Lioret (Die kanadische Reise) nutzt diesen Aufhänger, um immer wieder zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu wechseln. Dass bei der Familie richtig viel kaputt ist, das wird zwar früh klar. Trotzdem sind da zunächst viele Fragen offen, die erst nach und nach eine Antwort finden. Rückkehr in die Bretagne baut da schon auf die Neugierde des Publikums, das gern wissen möchte, was das alles soll. Der arte-Film ist dabei zu gleichen Teilen Spurensuche wie auch Porträt einer dysfunktionalen Familie. Schon früher scheint da einiges nicht gestimmt zu haben, mit dem Abstand wurde die Sache nicht besser. Denn da ist noch zu viel, was nicht aufgearbeitet wurde. Da gibt es Lügen oder zumindest nicht offen angesprochene Wahrheiten.

Im Mittelpunkt von dem Ganzen steht mit Colin eine nicht ganz einfach zu greifende Figur, die wie die oben genannten Musiker die Frage stellt: Wozu bin ich bereit, um meinen Traum des Schreibens zu verwirklichen? Zwischendurch ist das mit einer ganz allgemeinen Überlegung verbunden, ob man das Leben seines Umfeldes ohne dessen Einwilligung schriftlich festhalten. Let Them All Talk thematisierte das beispielsweise sehr schön, als es um eine hässliche Scheidung geht, die eventuell als Vorlage für den Bestseller der Freundin diente. Dieser eher universelle Part wird später durch einen sehr konkreten ersetzt, wenn wir erfahren, was seinerzeit wirklich vorgefallen ist. Das ist sehenswert, auch weil Hauptdarsteller Anthony Bajon (Das Land meines Vaters) diese Ambivalenz gut verkörpert. Er spielt jemanden, der Grenzen überschreitet, davon selbst aber auch verfolgt wird – im Gegensatz zu anderen, die ihre Hände in Unschuld waschen. Das Ergebnis ist ein durchaus bitteres Drama, welches gerade dadurch zu Herzen geht, dass so viele hier keins zu besitzen scheinen.

Credits

OT: „Paris-Brest“
Land: Frankreich
Jahr: 2020
Regie: Philippe Lioret
Drehbuch: Philippe Lioret, Zoé Galeron
Vorlage: Tanguy Viel
Musik: Flemming Nordkrog
Kamera: Gilles Henry
Besetzung: Anthony Bajon, Catherine Arditi, Valérie Karsenti, Gilles Cohen, Kévin Azaïs, Daphné Patakia, Charlotte Deniel, Alexia Chardard

Bilder

Trailer

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In „Rückkehr in die Bretagne“ fährt ein angehender junger Autor in seine alte Heimat, was für ihn zu einer Aufarbeitung der Vergangenheit wird. Der Film ist dabei in gleichem Maße Spurensuche, wenn das Publikum nach und nach erfährt, was vorgefallen ist, und das Porträt einer dysfunktionalen Familie, bei der kaum jemand an andere denkt.
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