Die Toten von Marnow
© NDR/Polyphon/Philipp Sichler Artwork: ©NDR/Nik Konietzny/Montage

Die Toten von Marnow

Inhalt / Kritik

Die Toten von Marnow
„Die Toten von Marnow“ // Deutschland-Start: 13. März 2021 (Das Erste) // 14. Mai 2021 (DVD)

Der Anblick ist ebenso bizarr wie erschreckend: Ein Mann wird mit durchgeschnittener Kehle kopfüber aufgehängt in seinem Bad aufgefunden, dazu ein Hinweis, es habe sich um einen Kinderschänder gehandelt. Doch dann taucht eine zweite Leiche auf, die auf denselben Täter hinzuweisen scheint, aber völlig ohne Bezug zu dem steht. Könnte da ein Serienmörder sein Unwesen treiben? Und wenn ja, warum hat er gerade diese beiden ausgesucht? Während Lona Mendt (Petra Schmidt-Schaller) und Frank Elling (Sascha Geršak) eine Spur zu einem Campingplatz führt, taucht bald eine Frau auf, die darauf drängt, die Ermittlungen wieder einzustellen. Und sie ist nicht die einzige: Immer mehr Leute werden in die Geschichte hineingezogen, die sehr viel größer ist, als sie ursprünglich den Anschein erweckte …

Kein gutes Omen

Zugegeben: So richtig viel Lust macht der Titel ja nicht. Nicht allein, dass Die Toten von Marnow nicht unbedingt den Gipfel kreativer Schreibkunst darstellt. Es gibt zudem im öffentlich-rechtlichen Fernsehen schon andere ähnlich lautende Krimireihen – Die Toten vom Bodensee und Die Toten von Salzburg –, was eine recht hohe Austauschbarkeit erwarten lässt. Hier wird das Ganze dann zwar als acht- bzw. vierteilige Serie umgesetzt und als sogenannter Event angekündigt, was zumindest impliziert, dass man hier nicht gleich auf Endlosfortsetzung schielt. Dennoch war es leicht und naheliegend, die im Vorfeld groß angekündigte ARD-Produktion zu ignorieren.

Tatsächlich handelt es sich aber um einen der interessantesten Beiträge in dem gnadenlos überlaufenen und oft kaum mehr zu unterscheidenden Segment des TV-Krimis. Der grundsätzliche Ablauf ist dabei natürlich ähnlich. Wie in den meisten Fällen gibt es ein klar begrenztes Team, hier hauptsächlich zwei Figuren, die gemeinsam den verschiedensten Spuren nachgehen, ihre Hypothesen entwickeln, mal die eine, mal die andere Person verdächtigen. Und natürlich kommt dann doch alles ganz anders, weil der Fall viel tiefer geht, als es am Anfang den Anschein hat. Rein formal gesehen macht Die Toten von Marnow also nichts wirklich anders als die zahlreiche Konkurrenz, die tagtäglich über deutsche Fernseher flimmert.

Figuren jenseits von Gut und Böse

Ein paar Punkte gibt es aber schon, welche diese Serie auszeichnet. Beispielsweise wird mehr Wert auf die Figuren gelegt, die hier zudem auch einige richtig hässliche Seiten haben dürfen. Das ist natürlich ebenfalls nicht ganz neu, in den letzten Jahren hat es doch recht viele Genrevertreter gegeben, die mit dem Bild des strahlenden Polizeihelden gebrochen haben. Autor Holger Karsten Schmidt (Martha & Tommy) verfolgt das aber noch eine Spur konsequenter als die meisten, wenn hier fast alle Figuren mindestens ambivalent sind. Wobei es auch ein paar tatsächliche Schurken gibt. Beispielsweise hat Jörg Schüttauf einen beeindruckend widerwärtigen Auftritt als LKA-Beamter, der das Konzept von Gut und Böse dann endgültig mit den Füßen tritt.

Allgemein sind die schauspielerischen Leistungen auf einem guten Niveau. Sascha Alexander Geršak (Wir können nicht anders) überzeugt als etwas heruntergekommener Kommissar, bei dem es weder daheim noch finanziell läuft. Petra Schmidt-Schaller (Leanders letzte Reise) wiederum darf eine Kollegin verkörpern, die recht eigene Vorstellungen von Moral hat und auf ihre Weise gerne mal Grenzen überschreitet. Die Toten von Marnow setzt also weniger auf Sympathieträger*innen, sondern wühlt so lange im Morast herum, bis man nicht mehr weiß, was genau man darin sieht. Ein Teil der Spannung besteht daher in der Frage, wie tief die alle noch sinken werden und ob da überhaupt alle wieder rauskommen – umso mehr, da die Serie nicht wirklich zimperlich ist mit den Figuren.

Viele Wege führen in den Tod

Aber auch der Fall an sich kann sich sehen lassen. Schon die beiden Anfangsopfer, die aus völlig unterschiedlichen Sphären kommen, machen neugierig. Hinzu kommt ein interessanter Hinweis, der zuerst überhaupt keinen Sinn ergibt. Vor allem aber läuft die Geschichte im Laufe der Serie völlig aus dem Ruder. Immer mehr Leute tauchen auf, jeweils mit einer anderen Agenda. Je mehr Puzzleteile entdeckt werden, umso seltsamer scheint das sich daraus ergebende Bild zu werden. Zusammen mit den diversen Wendungen erfolgt auch eine Schwerpunktverlagerung: Weg vom reinen Krimi hin zu einem Thriller, der mit sehr tragischen Elementen arbeitet. Wo solche Titel sonst oft mit einem Gefühl der Befriedigung enden, dass zumindest der Gerechtigkeit genüge getan wurde, da bleiben bei Die Toten von Marnow vor allem Trauer und Schmerz. Platz für Siegestaumel gibt es nicht, hinter dem generischen Titel wartet eine der bedrückendsten Mördersuchen der letzten Zeit.

Credits

OT: „Die Toten von Marnow“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Andreas Herzog
Drehbuch: Holger Karsten Schmidt
Musik: Martin Tingvall
Kamera: Philipp Sichler
Besetzung: Sascha Alexander Geršak, Petra Schmidt-Schaller, Anton Rubtsov, Jörg Schüttauf, Lutz Blochberger, Michael Mendl, Peter Kremer, Anne Schäfer, Christine Schorn, Judith Engel

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„Die Toten von Marnow“ beginnt mit zwei rätselhaften Morden und einer Spur, die zu einem Campingplatz führt. Doch das ist nur der Anfang für eine Mischung aus klassischem Krimi, Thriller und Drama. Das ist gut gespielt und geschrieben, voller Wendungen, die immer tiefer in den moralischen Morast führen, aus dem keiner mehr unbeschadet herauskommt.
8
von 10