Josep
© Les Films d’Ici Méditerranée

Kritik

Josep
„Josep“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Nein, Lust hat Valentin so gar nicht, zu seinem Großvater zu fahren, der ziemlich senil ist und schon im Sterben liegt. Und noch weniger Lust hat er, dass er auf ihn aufpassen soll, während seine Mutter unterwegs ist. Doch während er so da sitzt, fällt sein Blick auf eine alte Zeichnung, die ihn sofort fesselt. Als die beiden daraufhin ins Gespräch kommen, erzählt der alte Mann von seiner Zeit 1939, erzählt von Frankreich und den Menschen, die auf der Flucht vor den Schergen Francos waren und in Konzentrationslagern untergebracht werden mussten. Die Zeit dort war hart, immer wieder mussten die eingesperrten Spanier schreckliche Demütigungen über sich ergehen lassen, während langsam der Krieg näher rückte …

Es dauert eine Weile, bis Josep zu seinem Thema findet. Dabei ist es nicht so, dass der Animationsfilm nichts zu erzählen hätte. Er führt einen aber schon ein wenig in die Irre, wenn der längere Einstieg rund um die Familie, um den an Alzheimer erkrankten Großvater und den Enkel, der eigentlich mit nichts zu tun haben will, an ein entsprechendes Familiendrama glauben lässt. Zum Teil ist es das auch: Ausgehend von einem alten Bild, welches die Mutter am liebsten gleich entsorgen würde, aufgrund des irgendwie morbiden Charakters, gibt es hier eine Annäherung zwischen dem alten Mann und dem Jugendlichen, dessen Welt selbst nur aus Bildern besteht.

Eine Reise durch die Erinnerung
Aber so rührend dieser Part auch ist, es ist nur der Auftakt für eine Reise, auf der vieles erfahren und sehen dürfen. Es ist eine Reise zurück in eine Epoche des Grauens, als die spanischen Republikaner, die an der Demokratie festhielten, von den Männern des Putschisten Franco überrannt, verfolgt, ermordet wurden. Wobei es gar nicht der Bürgerkrieg an sich ist, der hier gezeigt wird, sondern die schockierenden Zustände in einem Konzentrationslager, in denen die Spanier von den Franzosen misshandelt wurden, Beschimpfungen und Rassismus an der Tagesordnung standen.

Gleichzeitig ist Josep aber auch eine sehr persönliche Geschichte, sowohl eines Mannes, der inmitten des Albtraums in seinen Gedanken an seiner großen Liebe festhält, aber auch die einer Freundschaft, die sich zwischen dem Gefangenen und einem Wärter entwickelt. Die Querverbindungen zur Rahmengeschichte und dem alten Mann stellen sich dabei erst mit der Zeit her. Der Film spielt da eine ganze Weile mit dem Publikum. Es wird auch erst recht spät verraten, dass es sich hierbei um eine Biografie des spanischen Zeichners Josep Bartolí handelt, der seinerzeit Kriegsgefangener wurde und später nach Mexiko und anschließend in die USA floh, wo er sich einen Namen machte.

Zwischen Hommage und Freundschaft
Aber dieser biografische Teil ist auch gar nicht so relevant. Hier geht es eben nicht darum, einen Künstler zu feiern. Zumindest nicht nur. Josep ist Zeitporträt und Personenporträt, Familiendrama und Geschichte einer Freundschaft. Und es ist ein Film über das Erinnern, über Bilder, die wir in uns aufnehmen, die uns bleiben, ein Leben lang und uns prägen, selbst wenn wir vergessen haben, woher sie kommen. All das wird sehr ruhig erzählt, in kleineren, nicht immer chronologischen Episoden, die sich selbst zu einem Gesamtkunstwerk zusammenfügen. Ein Mosaik, das doch auch immer brüchig bleibt, wie das Leben, wie das Gedächtnis des alten Mannes, der in seinem Bett liegt und sich seinem Ende nähert.

Umgesetzt wurde dies von Regisseur Aurel, der selbst Zeichner ist und hiermit sein Spielfilmdebüt abgibt, als ein Film, der überwiegend starr ist. Basierend auf den Zeichnungen Bartolís, der seine Erfahrungen im Konzentrationslager festhielt, gleicht das hier selbst mehr einem Buch. Sparsam animiert und anfangs überwiegend mit Brauntönen ausgemalt wird der Beitrag der Hofer Filmtage 2020 zu einer rudimentären und doch fesselnden und ausdrucksstarken Beschäftigung mit der Vergangenheit und Träumen inmitten eines Alptraums, ist Hommage an einen Künstler, an eine verbindende Kunst, aber auch an das Leben und eine Freundschaft, die im Schmerz begann und mit Tränen des Glücks endet.

Credits

OT: „Josep“
Land: Frankreich, Spanien, Belgien
Jahr: 2020
Regie: Aurel
Drehbuch: Jean-Louis Milesi
Musik: Sílvia Pérez Cruz

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
César 2021 Bester Animationsfilm Sieg
Europäischer Filmpreis 2020 Bester Animationsfilm Sieg
Prix Lumières 2021 Bestes Drehbuch Jean-Louis Milesi Nominierung
Beste Musik Silvia Pérez Cruz Sieg
Bester Animationsfilm   Sieg

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„Josep“ ist ein ungewöhnlicher Animationsfilm über einen spanischen Künstler, der seine Erlebnisse in einem französischen Konzentrationslager in Zeichnungen unsterblich macht. Das Drama ist dabei Zeit- wie Personenporträt, aber auch ein Film über das Erinnern, die Zeitlosigkeit von Kunst und eine Freundschaft.
8
von 10