The Song of Names
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The Song of Names

Kritik

The Song of Names
„The Song of Names“ // Deutschland-Start: 6. August 2020 (Kino)

Als Musiklehrer ist es Martin Simmonds (Tim Roth) gewohnt, junge Menschen zu formen und ihnen den Weg zu zeigen. Doch als er eines Tages bei einem Vorspielen einen Jungen sieht, der den Bogen seiner Geige auf eine sonderbare Weise verwendet, muss er an jemanden denken, der das vor vielen Jahren auf eine ähnliche Weise getan hatte. Dovidl Rapoport (Luke Doyle) hieß er und kam als Kind zu den Simmonds in London, um den polnischen Juden vor den Nationalsozialisten zu schützen. Dovidl und Martin (Misha Handley) wurden enge Freunde, die viele Jahre miteinander verbrachten. Doch eines Tages, als Dovidl ein Konzert geben sollte, das Martins Vater und Förderer des Jungen, organisiert hatte, verschwand er plötzlich. Bis heute ist Martin über diesen Vorfall nicht hinweggekommen und beschließt deshalb herauszufinden, was damals wirklich geschehen ist …

Die Zeit heilt alle Wunden, wird gerne immer mal wieder gesagt, wenn es darum geht, jemandem Trost zu spenden. Ganz so einfach ist das dann aber doch nicht. Während manche Verletzung irgendwann vergessen werden kann, sind andere hartnäckiger, prägen uns, bleiben mit uns, sind vielleicht auch so stark, dass es andere Mechanismen braucht, um mit ihnen umgehen zu können, anstatt einfach nur darauf zu warten, dass sie abklingen. The Song of Names erzählt von solchen Schmerzen und zwei Menschen, die nach Wegen suchen, um damit fertig zu werden. Wege, die – und das ist einer der tragischsten Aspekte des Films – nicht immer zu vereinen sind.

Doppelte Vergangenheit
Das wird allein schon dadurch deutlich, dass die Adaption von Norman Lebrechts gleichnamigen Roman zwei parallel erzählte Handlungsstränge aufweist. Die eine betrifft Martin, der in der Gegenwart seinen Freund aus Kindheitstagen sucht, Jahrzehnte später, weil er es nie überwunden hat, dass dieser aus seinem Leben verschwunden war, ohne Abschied, ohne erklärende Worte. Dieser Teil von The Song of Names funktioniert wie ein Krimi, wenn sich der Musiklehrer auf eine Spurensuche begibt, die ihn an die verschiedensten Orte führt. Ähnlich zu Amerikanisches Idyll dient dieser Part aber dazu, dass der Protagonist die Hintergründe einer ihm nahestehenden zu verstehen versucht. Es geht dabei nicht allein darum herauszufinden, wo die Person ist. Vielmehr ist die Frage: Wer ist dieser Mensch eigentlich? Was war da in ihm, das ich nicht gesehen hatte? Die Verletzung besteht eben auch darin, nicht so viel wie gedacht über jemanden gewusst zu haben, der einem sehr wichtig war.

Der andere Strang befasst sich mit dem Verhältnis zwischen Martin und Dovidl, von der ersten eher holprigen Begegnung als Jungen bis zu der Freundschaft, die sie im Laufe der Jahre entwickeln. Diese Freundschaft ist durchaus komplexer, auch weil The Song of Names darauf verzichtet, den Figuren zu eindeutige Rollen zuzuweisen. So ist Dovidl sehr begabt, neigt aber zur Arroganz, ist gleichzeitig verletzlich, was immer mal wieder durchscheint. Martin wiederum blickt einerseits fasziniert zu dem Genie auf, ist jedoch nicht glücklich darüber, dass sein Vater ihm so viel Aufmerksamkeit schenkt. Eifersucht und Zuneigung wechseln sich ab, vieles spielt sich dabei unbewusst ab, weil dafür nie wirklich die Zeit ist. Schließlich herrscht da auch Krieg da draußen, selbst wenn man diesen als Kind nicht begreift.

Über ein Leben im Leid
Verbunden wird dies zusätzlich mit einem Holocaust-Drama, das von fernen Schrecken erzählt. Schrecken, die näher sein können, als man glauben mag, und die wiederum Dovidl zu einer Auseinandersetzung zwingen, zu der er nicht bereit ist. Zu der er gar nicht bereit sein kann, was zu eben jener Schmerzerfahrung führt. Als Thema ist das durchaus interessant. Wie geht man damit um, ein privilegiertes Leben zu führen und gleichzeitig zu wissen, dass andere ein ganz anderes Schicksal erleiden müssen? Während es nicht wenige gibt, denen das völlig gleich ist, haben andere mehr damit zu kämpfen. Auch in der Hinsicht zeigt sich Dovidl widersprüchlich, ist im einen Moment zynisch, nur um im nächsten von allem überwältigt zu sein.

An Themen mangelt es in The Song of Names also nicht. Es fällt dem Drama, das auf dem Toronto International Film Festival 2019 Weltpremiere hatte, jedoch schwer, diese vielen Elemente miteinander zu verbinden und eine durchgängige Linie zu finden. Ist der Film an der einen Stelle zurückhaltend, wird an anderen richtig dick aufgetragen. Regisseur François Girard (Der Chor – Stimmen des Herzens) erzählt von dem Horror des Holocaust, ohne sich aber wirklich an ihn heranzutrauen, macht viel lieber gefällig-gediegenes Arthouse-Kino, anstatt tief in die Abgründe einzutauchen. Einiges ist auch nicht so wirklich ausgearbeitet, geht in der kunstvollen Betroffenheit unter. Das ist trotz allem alles noch sehenswert, aber zu sehr mit sich selbst beschäftigt als dem, was gesagt werden sollte.

Credits

OT: „The Song of Names“
Land: Kanada, Ungarn
Jahr: 2019
Regie: François Girard
Drehbuch: Jeffrey Caine
Vorlage: Norman Lebrecht
Musik: Howard Shore
Kamera: David Franco
Besetzung: Tim Roth, Gerran Howell, Misha Handley, Clive Owen, Jonah Hauer-King, Luke Doyle, Catherine McCormack

Bilder

Trailer

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Ein Mann versucht 35 Jahre später herauszufinden, was mit seinem Freund aus Kindheitstagen geschehen ist, der eines Tages spurlos verschwand. Die in zwei Parallelstrengen erzählte Geschichte mischt dabei komplexe Figurenbeziehungen mit betroffenem Holocaust-Drama und leichten Krimianleihen. „The Song of Names“ enthält dabei viele interessante Bestandteile, hat jedoch mit der Verbindung so seine Schwierigkeiten.
6
von 10