Animatrix

(OT: „Animatrix“, Regie: Andy Jones/Mahiro Maeda/Shinichirō Watanabe/Yoshiaki Kawajiri/Takeshi Koike/Kōji Morimoto/Peter Chung, Japan/USA, 2003)

AnimatrixMehr als 18 Jahre hat Matrix inzwischen auf dem Buckel. Doch so sehr der Film damals eingeschlagen hat, so sehr die Popkultur beeinflusst und unseren Blick auf die Zukunft geprägt, heute wird nur noch selten über den Science-Fiction-Blockbuster gesprochen. Das mag daran liegen, dass futuristische Welten nun mal schneller veralten: Was gestern noch aufregend und bahnbrechend erscheint, kann heute schon veraltet sein. Vielleicht war es aber auch das Unvermögen von Lara und Lilly Wachowski – wie die beiden Wachowski-Brüder sich heute nennen –, dem Knaller würdiges nachfolgen zu lassen. Die beiden Fortsetzungen waren schon damals umstritten, auch Begleiterscheinungen wie die Videospiele sorgten nicht gerade für Begeisterungsstürme. In Folge ist auch Animatrix in Vergessenheit geraten, der Versuch, das Matrix-Universum mit japanischen Künstlern zu erweitern.

Dabei waren die durchaus prominent, sehr sogar. Shinichirō Watanabe (Cowboy Bebop, Space Dandy) genießt bis heute einen Ausnahmeruf, da er wie kaum einer die japanische Animationskunst auch im Westen salonfähig machte. Er steuert gleich zwei der insgesamt neun Kurzfilme bei, welche Animatrix bilden. Unterschiedlicher könnten die zwei kaum aussehen – kein Wunder, arbeitete er hier jeweils mit dem notorisch experimentierwütigen Studio 4°C (Mind Game, Tekkonkinkreet) zusammen. A Detective Story ist im Noir-Stil gehalten und erzählt in einer Art Vorgeschichte von Matrix die Geschichte eines Privatdetektivs, der mithilfe von Elementen aus Alice im Wunderland eine Hackergruppe jagt. Das stilisiert-realistische A Kid’s Story, das auf einer Geschichte der Wachowskis basiert, widmet sich einem Jugendlichen, der sich in einem falschen Leben gefangen fühlt. Zu recht, wie sich herausstellt.

Ich renne, also bin ich?
Auch Program, das von Yoshiaki Kawajiri (Vampire Hunter D: Bloodlust, Wicked City) bzw. dem Studio Madhouse stammt, spielt in einer virtuellen Realität. Genauer sehen wir zu, wie ein Mann und eine Frau sich im alten Japan duellieren – der Auftakt eines wendungsreichen Kampfes über den Verbleib innerhalb der Matrix. Kawajiri tritt noch ein zweites Mal als Autor in Erscheinung, überließ bei World Record jedoch Takeshi Koike den Regiestuhl. Eine überaus passende Wahl, da dieser einige Jahre später mit Redline eines der aufregendsten – und bestaussehendsten – Zeichentrickrennen aller Zeiten ablieferte. Hier ist es jedoch ein Rennen zu Fuß, um das sich alles dreht. Theoretisch zumindest, denn mal wieder handelt es sich dabei um ein virtuelles innerhalb der Matrix.

Sehr viel weltbezogener wird es bei den beiden Filmen, die Mahiro Maeda (Gankutsuou: The Count of Monte Cristo, Blue Submarine No. 6) inszeniert hat. Genauer stammen von ihm die zwei Teile von The Second Renaissance, der von einem verheerenden Konflikt zwischen den Menschen und von ihnen erschaffenen Robotern berichtet. Aber auch in Final Flight of the Osiris von Andy Jones und Square Pictures (Final Fantasy: Die Mächte in dir) darf kräftig gekämpft werden, erst erneut in einer virtuellen Simulation, anschließend an Bord der Osiris, wenn es gegen eine ganze Armee geht.

Gefährlich friedfertig
Sehr viel friedfertiger sind die verbleibenden beiden Beiträge. Kōji Morimoto, dank Robot Carnival und Memories bestens im Anime-Anthologie-Segment zu Hause, zeigt uns in Beyond ein Haus, das aufgrund verschiedener Glitches in der Matrix ein Ort der seltsamsten Erfahrungen wird. Peter Chung (Aeon Flux) wiederum wird in Matriculated von dem Versuch berichten, Maschinen Einfühlungsvermögen beizubringen – mit desaströsen Folgen.

Alle neun (bzw. acht) Kurzfilme drehen sich also wie erwartet um das Thema Technik, speziell das trügerische Leben der Matrix. Unbedingt gesehen haben muss man die dazugehörigen Realfilme nicht, das grundsätzliche Konzept wird auch so deutlich. Zumindest so deutlich es das Franchise zulässt, das sich gern in philosophischen Meta-Überlegungen ertränkte. Manches hier ist unnötig verkompliziert, anderes dafür ziemlich geradlinig. Richtig viel Denkanstöße hält Animatrix so oder so nicht bereit. Am Ende bleibt die Anthologie eben doch ein Begleitwerk, das einige Punkte und Figuren ein wenig mehr vertieft, ohne sich dabei zu sehr aus dem Fenster zu lehnen. Und doch ist der Anime deutlich sehenswerter, als man es erwarten durfte. Das Budget spielte hier offensichtlich keine große Rolle, weshalb vieles tatsächlich beeindruckend ist – selbst der in der Hinsicht anfälligste CGI-Beitrag Final Flight of the Osiris lässt sich 14 Jahre später sehen. Gerade der Variantenreichtum innerhalb der meist realistischen Zeichnungen machen aus der Sammlung ein Vorzeigewerk, das man auch als Nicht-Fan von Matrix bewundern kann. Dass sich die Geschichten teilweise ziemlich wiederholen, wiegt da nicht so schwer, die futuristische Atmosphäre gleicht das zum Großteil wieder aus. Hier geht es stärker um die Welt an sich, weniger darum, was in dieser passiert.



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„Animatrix“ war seinerzeit ein reines Begleitwerk zu „Matrix“, mit dem Fans zur Kasse gebeten werden sollten. Und doch ist die Anime-Anthologie besser, als man erwarten könnte. Die Geschichten um die Tücken der Technik wiederholen sich zum Teil, liefern auch keine wirklichen Denkanstöße. Die futuristische Atmosphäre und die hochkarätige, abwechslungsreiche Optik machen die Sammlung aber auch für Nicht-Fans sehenswert.
7
von 10