Aeon Flux
© MTV Networks

(„Aeon Flux“ directed by Peter Chung, 1991-1995)

Aeon FluxNachdem wir zuletzt mit Coraline und The Devil Is A Part-Timer! zwei relativ aktuelle Beispiele hatten, sind dieses Mal die Nostalgiker unter euch gefragt: In Teil 55 unseres fortlaufenden Animationsspecials reisen wir mehr als 20 Jahre zurück in die Vergangenheit, um dort eine Zukunft zu entdecken, die damals wie heute einzigartig war.

Schön ist sie, ungemein flink und wendig, mysteriös, vor allem aber sehr sehr tödlich – wenn sich Aeon Flux etwas in den Kopf gesetzt hat, dann sollte man sich der Geheimagentin aus Monica besser nicht in den Weg stellen. Vor allem Trevor Goodchild, der Führer des benachbarten Polizeistaates Bregna, kann ein Lied davon singen, denn die beiden verbindet eine Hassliebe, die durch Aeons Anschläge und Raubüberfälle immer wieder auf eine harte Probe gestellt wird.

Früher war alles besser? Meistens ist das eine recht bequeme Aussage, um sich mit der Kultur der Jetztzeit nicht weiter auseinandersetzen zu müssen. Doch zumindest in einem Fall dürften nur wenige widersprechen: der Niedergang von MTV hat eine große Lücke hinterlassen. Nicht nur dass man dort später vergaß, wofür das eigene Akronym eigentlich stand und sein Glück in Realityshows suchte, auch Zeichentrickfreunde denken mit Wehmut an die frühen 90er mit, als der Musiksender eine Reihe sehr experimenteller Serien in sein Programm aufnahm. Ob es nun die MTV Oddities mit The Head und die Comicverfilmung The Maxx waren, die Rüpelfreunde Beavis & Butthead oder eben auch Aeon Flux, vergleichbar seltsam ging es seither im deutschen Fernsehen nicht mehr zu.

„That which does not kill us, makes us stranger“, heißt es hier zu Beginn. Was zunächst wie ein Schreibfehler klingt, ist tatsächlich Programm, denn nach der satirisch übertriebenen Pilotfolge wird es hier von Mal zu Mal abwegiger, unwirklicher, bizarrer. Dass die 1991 gestarteten Abenteuer der mysteriösen Agentin so wenig greifbar sind, liegt zum einen daran, dass keine durchgängige Geschichte erzählt wird. Jede der zehn Folgen steht hier für sich, muss keinen Bezug haben, kann sogar durchaus im Widerspruch stehen. Gemeinsam ist den Episoden lediglich, dass Trevor ein neues Experiment gestartet hat oder in den Besitz einer seltenen Kreatur gelangt ist und Aeon ihm das Handwerk legen will.

Aber auch innerhalb der Geschichten zeigte Serienschöpfer Peter Chung eine bemerkenswerte Kreativität bei dem Umgang mit Naturgesetzen oder dramaturgischen Erwartungen. Da werden Apparaturen in die Wirbelsäule operiert, von denen man nicht weiß, was sie bewirken, kleine Tiere dürfen die Erinnerungen manipulieren, eine Doppel-Dreifach-Agentin hat Hände statt Füße, Aeon knutscht mit dem eigenen Klon herum – die Serie zerfällt häufig in rein assoziative Bilder, angereichert mit philosophischen Überlegungen zu einer düsteren Zukunftsvision. Das ist faszinierend, oft sogar sehr, gleichzeitig jedoch auf Dauer auch ein klein wenig ermüdend, eben weil es hier keinen roten Faden gibt und manche Elemente, wie der Hang zum Fetisch, sich mit der Zeit etwas abnutzen.

Während man dies jedoch angesichts der recht kurzen Laufzeit leicht verschmerzen kann – die Folgen haben etwa 20 Minuten Länge, innerhalb von vier Stunden hat man demnach alles gesehen –, gibt es beim Drumherum größere Mängel. Der Soundtrack ist dabei zweifelsfrei der gelungenere Teil, gefällt mit einer sphärisch-coolen Synthesizermusik. Auch die recht leeren, detailarmen Hintergründe passen sich gut ein, geben der dystopischen Serie ein sehr stilisiertes Aussehen. Die seltsamen Proportionen der meist hässlichen Figuren sowie die verzerrten Perspektiven sind da schon weniger schön. Ganz schlimm wird es jedoch bei den Animationen, die selbst für eine so experimentelle und avantgardistische Serie einfach zu schlecht sind. So ärgerlich und überflüssig Neuauflagen auch sind, Aeon Flux hätte definitiv eine in einem modernen Gewand verdient.

Versucht hat man das 2005 mit dem gleichnamigen Realfilm. Aber trotz einer mit Charlize Theron prominent besetzten Hauptfigur fiel der Sci-Fi-Streifen komplett durch, dürfte auf nur wenigen Empfehlungslisten zu finden sein, wurde auch von Chung selbst heftig kritisiert. Die Zeichentrickvorlage jedoch, die hat es trotz kleinerer Mängel definitiv verdient, auf solchen aufgenommen zu werden. Und da Aeon Flux im Gegensatz zu vielen MTV-Kollegen von damals auch problemlos auf DVD erhältlich ist, haben Liebhaber bizarrer Zukunftsvisionen allen Grund dazu, einmal selbst ins Grenzgebiet zwischen Monica und Bregna zu reisen.



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Verständlich ist an „Aeon Flux“ nur wenig, die assoziative Zeichentrickserie hat keinen roten Faden, ist zudem optisch teils fürchterlich. Dafür wird die dystopische Zukunftsvision von einem wunderbaren Synthiesoundtrack untermalt und schrieb durch ihre kreativen, oft sehr bizarren Einfälle und Szenarios Fernsehgeschichte.
7
von 10