Playground

(OT: „Plac Zabaw“, Regie: Bartosz M. Kowalski, Polen, 2016)

Playground
„Playground“ läuft im Rahmen des 31. Fantasy Filmfests (6. September bis 1. Oktober 2017)

Der letzte Schultag ist gekommen, viele der Schüler werden sich im Anschluss nicht mehr wiedersehen. Für Gabrysia (Michalina Swistun) heißt es deshalb: jetzt oder nie! Schon länger hegt sie Gefühle für ihren gutaussehenden Mitschüler Szymek (Nicolas Przygoda). Heute will sie ihm diese dann endlich gestehen und mit ihm ausgehen. Der hat derzeit aber anderes im Kopf. Seinen behinderten Vater, um den er sich kümmern muss. Und auch sein bester Freund Czarek (Przemyslaw Balinski) hat Stress zu Hause: Er muss sich das Zimmer mit seinem Babybruder teilen. An Schlaf ist seither kaum noch zu denken, auf Verständnis vom Rest seiner Familie kann er jedoch lange warten.

Besucher des Fantasy Filmfests sind eigentlich harten Tobak gewohnt: Komödien mögen bitte richtig schwarz sein, Thriller sollte kaum einer lebend verlassen dürfen, bei Horrorfilmen gilt ohnehin die Devise, je blutiger, desto besser. Wenn in diesem Umfeld ein Film mit den Worten angekündigt wird, man wusste nicht so recht, wann er gezeigt werden sollte, um das Publikum nicht zu sehr mitzunehmen, dann darf man schon mal neugierig sein. Enttäuscht werden diese Erwartungen nicht: Playground hat schon auf anderen Filmfesten Publikum wie Kritiker gespalten. Das dürfte bei der 2017er Ausgabe von Deutschlands größtem Genrefestival nicht anders sein.

Nicht schön, aber normal
Dabei wiegt uns Regisseur und Co-Autor Bartosz M. Kowalski zunächst noch in trügerischer Sicherheit. Wenn er uns in den ersten drei Kapiteln seine Protagonisten näherbringt, dann erscheint das alles noch in normalen Bahnen zu verlaufen. Sicher, das Familienleben der drei könnte besser aussehen, Konflikte gibt es hier überall – manche ausgesprochen, andere eher implizit. Nur selten gibt der polnische Filmemacher bei seinem Spielfilmdebüt Vorwarnungen auf das, was noch kommen wird. Kurze Momente, in denen aufblitzt, dass keiner der drei dem Idealbild eines Jugendlichen entspricht. Und die Musik natürlich, die von vornherein einen düsteren Ton vorgibt. Die böse Vorahnungen weckt, obwohl kaum etwas passiert.

Auch deshalb wird so manch einer im Publikum nicht ganz glücklich sein über den Film: Playground will erst einmal gar nicht besonders sein. Die Situationen an der Schule sind bloßer Alltag, die in einem sehr naturalistischen, geradezu dokumentarischen Stil festgehalten werden. Wenn Kowalski die Intensität erhöht, dann nur langsam, fast quälend langsam. Auch Erkenntnisgewinnen stehen nicht auf dem Schulplan. Wo andere Filme eine sich zeitlich überschneidende Kapiteleinteilung nutzen, um Handlungsstränge zusammenzuführen, neue Perspektiven zu bieten, da ist hier der Blick nach innen gerichtet. Playground will erst einmal ausführlich zeigen, mit wem wir es zu tun haben, bevor es zur Sache geht; das „wer“ steht an erster Stelle, nicht das „was“.

Die Banalisierung des Grauens
Sehr gut gelingt dabei, das eine in das andere hinübergleiten zu lassen. Obwohl das Thrillerdrama über weite Strecken wahnsinnig ruhig ist, wirkt der Übergang zu den härteren späteren Passagen natürlich. Es überrascht nicht wirklich, was wir hier sehen, sehen müssen. Schockieren tut es dennoch. Kowalski zeichnet ein Bild von heutigen Jugendlichen, das uns angst und bange werden lässt, was morgen noch folgen könnte. Anders als die zeitgleichen Fantasy-Filmfest-Kollegen Es und Super Dark Times, in denen es um das Zusammenhalten von Jugendlichen geht, erleben wir hier Menschen, denen das Zwischenmenschliche völlig egal ist. Die jegliche Anknüpfungspunkte und Empathie verloren haben.

Wirkliche Erklärungen bietet Kowalski dabei nicht. Hier gibt es keine Küchenpsychologie, die uns wieder beruhigt die Augen schließen lässt. Der Pole interessiert sich auch nicht für große Gesellschaftsentwürfe. Stattdessen: Er nimmt uns mit in eine Altersgruppe, in der nichts mehr wirklich von Bedeutung ist. Es gibt nur noch Zerstreuung, den Versuch, die Banalität zu füllen. Die Leere. Die Langeweile. Schulterzucken. Eines der Kapitel führt uns in eine Ruine. Was hier einmal stand, wird nicht verraten, auch das spielt keine Rolle mehr. Schutt und Asche liegt herum, ein trostloser Anblick, der das Innenleben der Jungs widerspiegelt. Und doch werden wir uns später danach zurücksehnen, wenn Playground auf sein Finale zusteuert. Was passieren wird, das ahnen wir und können es doch nicht aufhalten. Wenn die Kamera teilnahmslos draufhält, viel zu lange eigentlich, etwas banalisiert, was nicht sein darf, dann wird daraus eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die man zuletzt im Kino hat machen dürfen und müssen.



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„Playground“ ist ein schwieriger Film, in mehrfacher Hinsicht. Lange verwehrt sich das Thrillerdrama einer richtigen Handlung, nutzt die Zeit lieber, um in den Mikrokosmos dreier polnischer Schüler einzutauchen. Dabei gelingt es sehr gut – und schmerzhaft – den banalen Alltag und das Grauen ineinander übergehen zu lassen, zu schockieren, obwohl sich alles ankündigt und auf schreckliche Weise natürlich anfühlt.
8
von 10