Es
© Warner Bros

Es (2017)

(OT: „It“, Regie: Andy Muschietti, USA, 2017)

Es
„Es“ läuft im Rahmen des 31. Fantasy Filmfests (6. September bis 1. Oktober 2017) und ab 28. September 2017 im Kino

Das Leben ist einfach nicht mehr dasselbe für Bill Denbrough (Jaeden Lieberher), seitdem sein kleiner Bruder Georgie verschwunden ist. Während seine Eltern sich langsam damit abgefunden haben, dass er nie wiederkommen wird, sucht der 13-Jährige unaufhörlich weiter. Doch Georgie ist nicht das einzige Opfer: Vor allem Kinder sind in der letzten Zeit regelmäßig verschwunden. Wie Bill und der Rest des Loser’s Club – Richie Tozier (Finn Wolfhard), Eddie Kaspbrak (Jack Dylan Grazer), Beverly Marsh (Sophia Lillis), Ben Hanscom (Jeremy Ray Taylor), Stanley Uris (Wyatt Oleff) und Mike Hanlon (Chosen Jacobs) – bald feststellen müssen, ist dies kein Zufall. Vielmehr ist es der blutrünstige Clown Pennywise (Bill Skarsgård), der es auf die Menschen dieser Stadt abgesehen hat.

Es sah bislang so aus, als würde 2017 kein gutes Jahr für Fans von Stephen King werden, zumindest nicht, was die Adaptionen seiner Werke angeht. Ob es nun Direct-to-Video Produktionen waren (Puls, Big Driver), Serien (Der Nebel) oder der lang erwartete Kinofilm Der dunkle Turm – mehr als Durchschnitt war da irgendwie nie drin. Nachdem auch noch bekannt war, dass Cary Fukunaga (True Detective) mitten während der Produktion das Handtuch warf, wegen unterschiedlicher künstlerischer Visionen, dann war durchaus Skepsis angesagt, dass es bei Es besser würde.

Das kann ja nix werden … oder?
Und es sprach ja noch einiges mehr, gegen die Verfilmung von Kings Buch aus dem Jahr 1986. Dieses zeichnete sich damals auch dadurch aus, dass die Handlung parallel in den 50ern und 80ern spielte – mit der obigen Kinderclique wie auch den erwachsenen Versionen. Davon ist hier nur der erste Teil geblieben, die Geschichte wurde deutlich begradigt. Zu guter Letzt hatte Es auch mit einem schweren Erbe zu kämpfen. Es dürfte zwar nur wenige Leute geben, welche die TV-Miniserie von 1990 wirklich als gut bezeichnen wollten. Tim Currys Performance als Killerclown genießt aber bis heute bei vielen Kultstatus.

Gründe für Vorbehalte gab es also genügend. Aber eben doch auch Neugierde, als begeisterte Vorabstimmen aus den USA hierher schwappten. Tatsächlich: Es ist besser als erwartet, besser als die 1990er Version, besser als die meisten Versuche, den Horrorkönig auch in Filmform zu verewigen. Das muss aber nicht viel heißen, am Ende ist der Film doch nur gut, nicht die von manchen versprochene Genreoffenbarung. Dabei fängt der Streifen beeindruckend an: Die berühmte Szene, in der Georgie von Pennywise in den Abwasserkanal der Stadt gelockt wird, ist sehr atmosphärisch umgesetzt. Und überraschend brutal. Ansonsten hält sich der Gore-Faktor aber in Grenzen, trotz des prestigeträchtigen R-Ratings in den USA soll der Film ja eine möglichst große Zielgruppe ansprechen. Gewalt gegen Kinder? Keine gute Idee, wer Geld verdienen mag.

Konventioneller Horror, kompetent umgesetzt
Das ist dann auch sicher das größte Problem von Es: Es meidet jedes Risiko. Fukunaga gab an, er habe einen unkonventionelleren Horrorfilm drehen wollen, sei aber am Studio gescheitert. Und zumindest manchmal würde man sich wünschen, Regisseur Andy Muschietti (Mama) hätte sich noch etwas mehr ausgetobt, das Ergebnis wäre etwas freier geworden, wilder. Furchteinflößende Szenen gibt es schon einige, gerade auch weil sich Bill Skarsgård als würdiger Erbe von Curry erweist. Aber es ist nur wenig dabei, was einen überrascht. Es ist nicht die Begegnung mit dem Unbekannten, man weiß nicht nur der berühmten Vorlage wegen immer ziemlich genau, was als nächstes passiert. Und auch das Design der Schauplätze wagt sich nicht über das hinaus, was sich bereits vielfach bewährt hat. Für das große Publikum wird das reichen: Es ist wie Conjuring – Die Heimsuchung ein sehr kompetenter, aber auch sehr konventioneller Genrevertreter für Menschen, die nur alle paar Monate mal einen Horrorfilm sehen wollen. Wirklich verstörend, etwas, das durch Mark und Bein geht? Dafür ist das hier weniger geeignet.

Was Es jedoch auszeichnet, ist die Verknüpfung mit Coming-of-Age-Elementen. Ähnlich zu Super Dark Times, das zeitgleich auf dem Fantasy Filmfest 2017 seine Deutschlandpremiere feiert, wird der Schrecken der Bedrohung mit dem alltäglichen Schrecken eines Jugendlichen verbunden. Wer bin ich? Was will ich von dieser Welt? Wo ist mein Platz? Das wird hier mit dem Überwinden von Ängsten und vergangener Traumata verbunden: Der Kampf gegen Pennywise ist gleichzeitig der Kampf gegen das eigene Innere. Das erreicht zwar nicht die wunderbare Leichtigkeit des obigen Kollegen, funktioniert aber gerade aufgrund der Gruppendynamik sehr gut. Man sieht der Horde von Nachwuchsdarstellern einfach gern zu, wie sie gemeinsam durch die Gegend streifen, Momente des Glücks sich mit solchen des Terrors abwechseln. Erinnerungen an Die Goonies oder Stand by Me werden wachen, die großen Klassiker eine sommerlich-abenteuerlichen Teenie-Clique. Das ist an manchen Stellen etwas lang, andere Nebenhandlungen wie die um Henry kommen dafür zu kurz. Insgesamt ist Es aber eine sehr runde Sache. Und so neugierig der erste Teil auf den bereits geplanten zweiten Teil macht, ein bisschen traurig darf man schon sein, dass es dort dann heißt, Abschied von den Kindern zu nehmen.



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„Es“ wird den zuletzt extrem hohen Erwartungen zwar nicht so ganz gerecht, ist aber doch eine unterhaltsame und kompetente Umsetzung von Stephen Kings Kultroman. Der Horrorpart geht zu sehr auf Nummer sicher, richtet sich eindeutig an ein Massenpublikum. Der Mangel an Überraschungen und echtem Grauem wird durch die sehr charmanten Coming-of-Age-Elemente aber mehr als wett gemacht: Man ist gern mit den Kids unterwegs, wie sie gegen äußere und innere Dämonen kämpfen, dabei sich und die Welt kennenlernen.
7
von 10