Midnight Run

Midnight Run

 

(„Midnight Run“, directed by Martin Brest, 1988)

“Jack, nothing personal, but fuck off.”

Sie kennen den Namen Martin Brest als Liebhaber deutscher Kinofilme der 90er sicherlich. Sie werden ihn in diesem Fall aber wohl eher weniger zu den Regisseuren amerikanischer Blockbuster ordnen, sondern vielmehr sich daran erinnern, dass Til Schweigers Charakter in Bernd Eichingers Hit Knocking On Heaven’s Door diesen Namen trug. Ein kleiner Gag der Drehbuchautoren in Anspielung auf den Schöpfer des ersten Teils der Beverly Hills Cop-Reihe, die zu den erfolgreichsten Trilogien der Filmgeschichte gehört. Seit 2003 hat man vom Produzenten, Regisseur und Schauspieler Martin Brest allerdings nichts mehr gehört und das trotz Karrierehighlights wie Der Duft der Frauen mit Al Pacino oder Rendezvous mit Joe Black mit Brad Pitt.

Der Grund dafür ist ein recht simpler, wirft man einen flüchtigen Blick auf die Filmographie des Amerikaners Brest. Dieser war nämlich 2003 für Gigli verantwortlich, die Liebeskomödie mit Jennifer Lopez und Ben Affleck – ein Werk, welches zu seiner Zeit als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten zelebriert wurde und dieses Handicap bis heute nicht losgeworden ist. Gigli war ein Karrierekiller für fast jeden Beteiligten. Brest ist von der Bildfläche verschwunden, das Film- und Liebespaar „Bennifer“ gibt es nicht mehr, das Publikum war gesättigt. Eine wesentlich glücklichere Zeit waren die 80er Jahre, in denen Brest neben dem erwähnten Beverly Hills Cop einen weiteren großen Hit aufzuweisen hatte: Midnight Run, eine temporeiche Abenteuerkomödie mit Charles Grodin und Robert DeNiro, der nach Brian De Palmas Die Unbestechlichen Appetit auf einen leichteren Stoff hatte. Das Drehbuch gefiel dem viel gefragten Schauspieler und dieser willigte ein, die Hauptrolle zu übernehmen, ehe sich das Produktionsteam Gedanken über einige Änderungen machte.

Der Partner DeNiros in diesem Film sollte von einer Frau besetzt werden, man bevorzugte Cher, ehe man von diesem Gedanken wieder abwich und auf Robin Williams zu sprechen kam, der ebenfalls Gefallen an dem Drehbuch fand. Es sollte jedoch alles anders kommen, als Martin Brest Charles Grodin entdeckte, der zu dieser Zeit noch keinen Namen in Hollywood hatte, sich bei den Produzenten jedoch durchsetzen konnte. Es war eine glückliche Wahl von Brest, denn die Chemie zwischen DeNiro und Grodin stimmt – eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen funktionierenden Film. Und Midnight Run funktioniert prächtig. DeNiro spielt Jack Walsh, der sich seinen Lebensunterhalt nach einem Beruf als Polizist als Kopfgeldjäger verdient. Eines Tages erhält er den Auftrag Jonathan Mardukas (Grodin) in New York aufzuspüren und ihn nach Los Angeles zu bringen. Mardukas hatte vor einiger Zeit als Buchhalter 15 Millionen Dollars veruntreut; Geld, das eigentlich der Mafia gehörte.

Der „Duke“ betätigte sich als moderner Robin Hood und spendete nahezu den gesamten Betrag wohltätigen Stiftungen. Daher ist es nur verständlich, dass auch die Mafia an dem Kopf des Gesuchten interessiert ist, ebenso wie das FBI, das diesen Verbrecher hinter Schloss und Riegel sehen möchte, an ihn bisher jedoch nicht herangekommen ist. Für Jack Walsh ist es ein Kinderspiel, Mardukas ausfindig zu machen. Dieser entpuppt sich als ausgesprochene Nervensäge, ist jedoch das kleinere Übel, als Walsh entdeckt, dass die Mafia und das FBI auf einmal hinter ihnen her sind, um den „Duke“ für ihre jeweiligen Zwecke mitzunehmen. Der Auftraggeber von Walsh ist auch misstrauisch geworden und schickt den Beiden einen weiteren Kopfgeldjäger auf die Fersen, der Walsh den Veruntreuer abjagen soll. Es beginnt eine abenteuerliche Reise quer durch die Vereinigten Staaten von Amerika.

Midnight Run“ist eine erstaunlich ausbalancierte Mischung aus Abenteuer, Komödie, Action, Thriller und zwischenmenschlichen Gesprächen zwischen einem großartig aufspielenden Charles Grodin und einem amüsant mürrischen Robert DeNiro. Woran viele Actionkomödien scheitern, gelingt Martin Brest hier scheinbar spielend, indem er seinen Charakteren menschliche Wärme verleiht, ähnlich wie John Hughes in dessen klassischer Abenteuerkomödie Ein Ticket für zwei. Durch die tragikomischen Dialoge der beiden Reisenden gewinnen die Figuren an Kontur, entwickeln Tiefe und werden dem Zuschauer auf diese Weise vertraut. Es ist angenehm, festzustellen, dass Charles Grodin keine derart aufdringliche Nervensäge ist, wie es einst Eddie Murphy als Beverly Hills Cop war, stattdessen legte der Schauspieler Wert auf mehr Zurückhaltung, um so dem sympathischen Grenzgänger Jack Walsh durch Gesundheitspredigten auf die Nerven zu gehen oder ihn an seine Vergangenheit zu erinnern, ihn darauf zu stoßen, dass dessen Leben trauriger und einsamer ist, als es sich Walsh je eingestehen würde.

Die dramatischen Momente – seien sie auch rar gesät – sind hervorragend inszeniert, wenn niemand der Beteiligten auch nur ein Wort herausbringen kann, nachdem DeNiro seiner Tochter gegenübersteht, die er seit neun Jahren nicht gesehen hat. Die Atmosphäre ist für den Zuschauer familiär, ein jeder hat ein derartiges peinliches Schweigen erlebt – in dieser Actionkomödie wirkt es real, überraschend wenig konstruiert, da Brest es nicht versäumt hat, seinen Charakteren zuvor genügend Raum zu geben, sie zu runden Figuren zu formen, die von einseitigen Personen in zahlreichen Actionfilmen weit entfernt sind. Aus dieser Konstellation ergibt sich ein sehr angenehmes Zusammenspiel von DeNiro und Grodin, die hier nicht als stereotypes, klischeehaftes Paar von Gegenspielern auftreten, die den anderen am liebsten tot sehen würden.

Es ist ein glaubwürdiges Balancieren zwischen wachsender Freundschaft und dem Bedürfnis nach mehr Freiraum, sodass man durchaus den Eindruck einer bereits Jahre andauernden Ehe zwischen den Protagonisten hat. Protagonisten, die dem Zuschauer eine Philosophie über Prinzipen und Idealen präsentieren, ohne, dass der Film jemals an Tempo verlieren würde. Stattdessen hält er den hohen Unterhaltungswert von der ersten bis zur letzten Minute bei, serviert – wie es sich in einem guten Abenteuerfilm gehört – Fluchten und Verfolgungen zu Land, zu Wasser, zu Luft.

Es ist ein schwieriger Balanceakt, Spannung zu halten, gleichzeitig aber den tiefen Gesprächen zwischen den Protagonisten genügend Raum zu geben. Martin Brest hat die richtige Mischung gefunden. Die Dialoge sind nicht erleuchtend, man befindet sich nicht in einem Ingmar Bergman-Film, doch sie erfüllen ihren Zweck und bringen dem Zuschauer die Charaktere näher. Midnight Run ist ein Feuerwerk mit pointierten Dialogen, dem richtigen Timing, motivierten Schauspielern und genügend Handlung, um einen Abend unterhaltsam zu füllen. Eine der angenehmsten, sympathischsten Actionkomödien seiner Zeit.



(Anzeige)

9
von 10