Ich & Orson Welles

Ich & Orson Welles

(„Me & Orson Welles“ directed by Richard Linklater, 2010)

Der Name spricht Bände: Orson Welles! Nicht nur buchstäblich, sondern auch als Schauspieler und Filmemacher ein Schwergewicht. Als Schauspieler berühmt durch Meisterwerke wie Der dritte Mann von Carol Reed und als Regisseur eine Legende durch Meilensteine wie Citizen Kane. Um Niemand anderen dreht sich der neue Kinofilm von Richard Linklater. Der talentierte amerikanische Regisseur hat mit Ich & Orson Welles aber kein Biopic gedreht, was angesichts der barocken Karriere des „Wunderkinds“ Welles auch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre, zumal er dann dazu verdammt gewesen wäre, von einer Lebensstation zur nächsten zu hetzen, um jedes Detail aus Welles‘ Leben aufzunehmen.

Nein, in diese Falle tappt Linklater dankenswerterweise nicht. Vielmehr zeigt er anhand einer weichenstellenden Station aus dem Leben Welles‘ auf, wie sich die Zusammenarbeit mit dem Maestro ausgestaltet hat. Denn mit seiner wegweisenden Inszenierung von Julius Cesar, einer Tragödie von William Shakespeare von 1599, hat Welles einen wichtigen Grundstein für seinen späteren Erfolg gelegt. Denn auch als Filmemacher hat Welles Shakespeareadaptionen wie Othello inszeniert.

Manhattan in den 1930er Jahren: Der Theatre District zwischen der 40sten und 54sten Straße erlebt seine Hochzeit. Einer der schillerndsten Stars dieser Zeit ist Orson Welles (Christian McKay) – Schauspieler, Regisseur, Visionär und Gründer des legendären Mercury Theatre. Auch der junge Richard (Zac Efron) träumt von einer Karriere am Broadway und ergattert durch einen glücklichen Zufall eine kleine Rolle in dem Stück Julius Cesar, dessen Premiere Welles gerade vorbereitet. Doch die schillernde New Yorker Theaterwelt entpuppt sich als hartes Pflaster: Der geniale wie herrische Orson Welles führt ein hartes Regiment auf und hinter der Bühne und verfolgt seine künstlerischen Ziele gnadenlos. Neid, Missgunst und Konkurrenzkämpfe beherrschen den Probenalltag. Als sich Richard auch noch in die ehrgeizige Regieassistentin Sonja Jones (Claire Danes) verliebt, wird er unwissentlich zum Rivalen des genialen Multitalents. Ein ungleicher Kampf beginnt.

Ich & Orson Welles ist zugleich Komödie, Coming Of-Age, Historien- und Beziehungsfilm. Linklaters Werk zeichnet sich durch Vielseitigkeit und Tiefe aus. Während er in seinen animierten Realfilmen Waking Life und A Scanner Darkly – einer Adaption von Philip K. Dicks gleichnamigen SF-Roman – philosophische Themen in Angriff nahm, hat er sich mit seiner neuesten Arbeit dem Theater und seinem großen Vorbild gewidmet. Mit den Beziehungsfilm-Elementen greift er wieder romantische Aspekte aus seinen anderen Filmen wie Before Sunrise oder Before Sunset. Mit dem Coming Of Age-Genre hatte er sich in Confused and Dazed beschäftigt, mit der Geschichte hat er sich in The Newton Boys auseinandergesetzt und die Komödie hatte er in School Of Rock erprobt. In dieser Hinsicht stellt Ich & Orson Welles genrespezifisch eine Zusammenfassung einige seiner bisherigen Arbeiten dar.

Linklaters Film brilliert durch eine detailgetreue historische Authentizität, eine herrliche musikalische Untermalung, durch schlagfertige Dialoge und nicht zuletzt durch das Talent der Schauspieler, die nahezu alle überzeugen können. Um die Stimmung der 1930er authentisch wiederzugeben, hat Linklater größten Wert auf historische Detailtreue gelegt: die Farben, die Kostüme, die Atmosphäre auf den Straßen lassen die Zeit wiederaufleben. Auch die Musik von Marc Marot stammt aus der Zeit: der heitere Swing-Teppich begleitet angenehm die Handlung des Films. Auffallend war auch die grandiose Kamera: Vogelperspektiven und grandiose Bilder, die durch ihre Schlichtheit überzeugen sind der Verdienst von Dick Pope.

Bei den Schauspielern muss allen voran McKay (Abraha’s Point) herausgestellt werden, der für seine Rolle völlig verdient mit dem San Francisco Film Critics Award als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde. Er trifft die charakteristische Mimik und typische Gestik des Wunderkinds hervorragend, einzig die diabolischen Aspekte Welles‘ haben gefehlt. Daneben können auch Efron (17 Again), der in seiner Rolle übrigens denselben Vornamen trägt wie der Regisseur des Films, und Danes (Romeo und Julia) durch viel Einsatz überzeugen. Linklater ist ein herrlich amüsanter, beschwingter und höchst unterhaltsamer Film gelungen, dessen Humor durch seine pointierten Dialoge zwischen ironisch und bissig pendelt. Nicht nur Fans von Orson Welles oder Richard Linklater, sondern auch Theaterbesuchern und Cineasten sind die kurzweiligen 109 Minuten deswegen wärmsten zu empfehlen, auch weil Linklater sein Idol nie glorifiziert, sondern auch dessen Schattenseiten offenbart.



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