Heidi Die Legende vom Luchs
Szenenbild aus Heidi: Die Legende vom Luchs von Regisseur Tobias Schwarz (© Leonine)

Tobias Schwarz [Interview]

Zehn Jahre nach der computergenerierten Animationsserie Heidi gibt es jetzt ein Wiedersehen mit dem aufgeweckten Mädchen, das in den Schweizer Alpen mit dem Großvater lebt. Heidi: Die Legende vom Luchs knüpft an die Ereignisse der Serie an und erzählt, wie die Titelheldin ein verletztes Luchsbaby entdeckt und mit nach Hause nimmt. Gleichzeitig gilt es, sich gegen den windigen Geschäftsmann Schnaittinger zu wehren, der ein neues Sägewerk errichten will, koste es, was es wolle. Anlässlich des Kinostarts am 26. Juni 2025 haben wir uns mit Regisseur Tobias Schwarz zum Interview getroffen und mit ihm über den Film und seine berühmte Protagonistin gesprochen.

Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von Heidi: Die Legende vom Luchs erzählen? Wie bist du dazu gekommen?

Ich habe schon früher mit Studio 100 zusammengearbeitet, zuletzt an Die Biene Maja – Das geheime Königreich. Ich wurde dann zu einem Meeting mitgenommen, wo über einen neuen Heidi Film gesprochen wurde. Dabei ging es aber erst einmal darum festzustellen, ob das passt und wir eine ähnliche Vision haben, da ich den Film ja nicht alleine mache. Das ist schon viele Jahre her. Tatsächlich hat Studio 100 schon vor über zehn Jahren damit angefangen, den Film zu entwickeln. Es hat gedauert, bis wir eine Geschichte und ein Thema gefunden hatten, bei dem wir das Gefühl hatten, dass das funktioniert. Denn es war klar, dass es nicht wieder die Original-Geschichte sein sollte. Es sollte eine neue Geschichte sein, basierend auf den alten Designs der 70er Jahre Serie.

Und warum hast du dich dafür interessiert, diesen Film dann auch zu machen?

Ich bin gebürtiger Münchner. Wir sind danach zwar viel herumgezogen, aber wir haben jeden Sommer in der Schweiz verbracht, weil mein Vater dort in jungen Jahren studiert hatte. Für mich ist die Schweiz ein kleines Zuhause. Als die „Heidi“ Serie herauskam, war ich glaube ich acht. Heidi war für mich immer die Fortsetzung des Sommerurlaubs, ein bisschen wie Heimat.

Nun sind die 1970er schon eine Weile her. Die Bücher von Johanna Spyri sind sogar aus den 1880ern. Was macht den Stoff so zeitlos, dass noch immer Geschichten damit erzählt werden?

Die Geschichten arbeiten viel mit dem Motiv der Heimat, aber auch der Natur und einer Naturverbundenheit. Damit hat Spyri schon einen Nerv getroffen. Aber auch das Thema Naturschutz kam damals auf und ist heute natürlich wichtiger denn je. Wir mussten deshalb diese Welt gar nicht modernisieren oder in die Gegenwart verlegen. Unser Film spielt in der Zeit der Bücher, fühlt sich aber nicht so alt an.

Für die Kinder von heute ist das aber eine Lebenswelt, die sie so gar nicht kennen. Wir haben hier eine Welt ganz ohne Technik, ohne Handys, ohne Internet. Wie schafft man dennoch eine Identifikationsfläche für Kinder, die ja die Zielgruppe eures Films sind?

Die Natur hat eine Faszination, unabhängig von der Zeit, in der wir leben. Natürlich hoffe ich, dass der Film die Liebe zu den Bergen weckt und die Kinder sagen: Da will ich einmal hin. Ich glaube auch nicht, dass die Kinder die Technik vermissen, wenn sie einmal in den Bergen sind. Ich bin selbst viel in den Bergen unterwegs und sehe dort kaum Kinder, die auf ihren Handys spielen. Du hast in den Bergen so viel zu sehen, da brauchst du keine Ablenkung. Das wollten wir auch in dem Film aufgreifen und verzichten daher oft auf die Musik, arbeiten lieber mit Naturtönen und wollen die Natur für sich wirken lassen.

Heidi liebt diese Natur und prescht dann schon mal voraus, ohne sich viel Gedanken zu machen. Ist das dann noch ein Vorbild? Ganz ungefährlich ist es ja nicht, was sie da macht.

Das stimmt. Heidi ist jemand, der sehr eng mit der Natur verbunden ist. Es ist fast so, als könnte sie mit den Tieren reden. Auf jeden Fall kann sie der Natur gut zuhören und hat deshalb keine Angst. Sie denkt nicht daran, dass das alles gefährlich sein könnte. Das erinnert mich an meine eigene Kindheit: Ich habe mit zwei Jahren meine ersten Wanderschuhe bekommen und bin damals über alle Felsen gesprungen. Meine Mutter hat dabei fast einen Herzinfarkt bekommen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich jemals Angst hatte. Selbst wenn große Herden mit Ziegen oder Kühnen kamen, war das kein Problem für mich. Das gehörte einfach zu den Bergen dazu.

Demnach wäre es gut, wenn man Kinder möglichst früh mit der Natur in Verbindung bringt?

Absolut. Kinder sollten lernen, dass die Natur nichts Abstraktes ist. Sie ist echt und kein Spielzeug. Deswegen wollten wir da nichts verniedlichen. Klar, das Luchsbaby ist schon sehr niedlich. Aber das sind die in der Realität ja auch, da mussten wir nichts verändern. In der Storyentwicklung gab es noch niedlichere Versionen. Aber das war mir zu viel, ich wollte lieber die Tiere so zeigen, wie sie wirklich sind.

Die Naturliebe von Heidi führt dazu, dass sie das verletzte Baby mit zu sich nach Hause nimmt. Das ist schon auch ein Eingriff in die Natur und spricht damit ein grundsätzliches Thema an: Wie stark sollte man, um die Natur zu schützen, in diese eingreifen? Oder sollte man sie einfach nur in Ruhe lassen?

Absolut. Der Großvater sagt ihr auch, dass er das nie erlaubt hätte. Aber das ist etwas sehr Instinktives, was sie da tut. Kinder wollen instinktiv helfen, gerade auch bei einem verletzten Tier. Meine Tochter hat einmal einen verletzten Falken aus der Münchner Innenstadt mit nach Hause gebracht und wir waren dann erst einmal überfragt, was wir damit machen sollen. Das ist also schon etwas sehr Natürliches, helfen zu wollen. Das ist nichts Schlechtes in dem Sinn, auch wenn es in dem Moment vielleicht nicht das Richtige ist.

Eine andere Ambivalenz betrifft die Leute, die in dem Dorf wohnen. Eigentlich ist das Leben dort sehr idyllisch. Der Großvater hat aber mit den Menschen seine Probleme und es gibt welche, die sich nicht gerade vorbildhaft verhalten. Siehst du das Landleben dennoch positiv oder eher gemischt?

Der Großvater verkörpert natürlich ein Stück weit auch die Unwirtlichkeit der Alpen. Er ist ein Charakter, wie man ihn treffen könnte in den Bergen. Es gibt da viele knorrige Menschen, die nicht mit einem reden wollen. Wobei der Großvater in der Vorlage noch viel unfreundlicher ist, als wie wir ihn zeigen. Er schmeißt da Heidi raus und redet mit niemandem. Aber wir erzählen nun einmal auch die Fortsetzung und zeigen, wie er und Heidi zusammengewachsen sind. Sie sind bei uns bereits eine Familie, was sich auch auf das allgemeine Verhalten vom Großvater auswirkt. Er versöhnt sich dann ja auch mit den anderen Menschen, was vor Heidi undenkbar gewesen wäre.

Du hast schon die Zeichentrickserie aus den 1970ern erwähnt, in den 2010ern gab es die CGI-Serie. Wie sehr hast du dich an diesen Vorbildern orientiert? Wie sehr wolltest du etwas Eigenes daraus machen?

Ich habe mich ganz stark an der Serie orientiert und der darin gezeigten Welt und Stimmung. Heidi darf darin kleine Abenteuer erleben, die nicht die Welt verändern müssen. Das wollten wir bei uns auch, ohne deshalb einfach nur das Alte zu wiederholen. Wir wollten eine Hommage und haben deshalb viele kleine Referenzen eingebaut. Gleichzeitig war es uns wichtig, nicht steckenzubleiben.

Hattest du Ehrfurcht vor der Aufgabe, diesen Klassiker fortzusetzen?

Absolut. Die Zeichentrickserie ist eine einzigartige Interpretation des Buches. Sie stammt ja auch von Hayao Miyazaki und Isao Takahata, die später Studio Ghibli gegründet haben. In deren Fußstapfen treten zu wollen, da musst du Ehrfurcht haben. Außerdem hat jeder sein eigenes Bild davon, wie Heidi aussehen soll, wie der Großvater aussehen soll. All dem gerecht zu werden, damit jeder sich wiederfindet, das ist schon eine große Aufgabe.

Und wie geht es im Anschluss weiter? Sind weitere Heidi-Filme geplant?

Natürlich bietet sich diese Welt an für ein serielles Erzählen. Da ist noch sehr viel Potenzial für weitere Geschichten. Wir haben beispielsweise noch gar nichts zum Winter gebracht, das könnte sehr spannend sein. Aber natürlich müssen wir erst einmal schauen, wie dieser Film angenommen wird.

Vielen Dank für das Interview!



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