Die Theorie von allem
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Die Theorie von allem
„Die Theorie von Allem“ // Deutschland-Start: 26. Oktober 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Als Johannes Leinert (Jan Bülow) sein Buch „Die Theorie von Allem“ in einer Fernsehsendung vorstellen will, kommt es zum Eklat. Offenbar ist der Moderator (Dirk Böhling) der Meinung, es handle sich bei dem Roman um Science-Fiction. Johannes Leinert sieht das etwas anders. Für ihn ist das alles echt, was er da aufgeschrieben hat. Empört stürmt er aus der Sendung, spricht vorher aber noch eine geheimnisvolle Botschaft in die Kamera an eine gewisse Karin (Olivia Ross). Rückblende: Ein jüngerer Johannes Leinert packt gerade seine Klamotten. Der Doktorand tritt zusammen mit seinem Doktorvater (Hanns Zischler) eine Reise zu einem Physikerkongress an. Im Zug in die Schweizer Alpen ahnt er noch nicht, dass sich bereits mitten in einer mysteriösen Geschichte befindet.

Erinnerungen in Schwarz-Weiß

Mit Die Theorie von Allem serviert uns Regisseur Timm Kröger keine allzu leichte Kost. Der Großteil des Films ist in Schwarz-Weiß gehalten, wodurch die Alpenpanoramen besonders beeindruckend hervortreten. Im Kontrast zur Weite der schneebedeckten Landschaft gibt es die kammerspielartige Enge des Berghotels, in dem auch so manches Mysterium zu entdecken ist. Die Kamera findet atmosphärische Momente, aus denen das Publikum Hinweise, Motive und Referenzen herauslesen kann, während über der Geschichte ein schweres Tuch aus orchestraler Musik ausgebreitet wird.

Auf der Grundierung dieser Wucht aus Musik und Landschaft malt Timm Kröger eine Geschichte, die von der Ästhetik und den Genreversatzstücken an alte Sherlock Holmes-Verfilmungen oder an Edgar Wallace-Krimis denken lassen könnte. Da gibt es den Brief, der unter der Türe durchgeschoben wird, eine verschwundene Pianistin, ein deformierter Toter und verschwörerische Treffen auf der Skipiste. Doch es ist auch ein Science-Fiction-Drama, wenn Johannes eine Entdeckung macht, die das Verständnis der Raum-Zeit auf den Kopf stellt. Durch eingewobene Referenzen auf die Geschichte, etwa auf den Nationalsozialismus, den Bau der Atombombe – in einer Szene wird Oppenheimer zitiert – und auf Spionage, ist der Film zu einem gewissen Teil auch Historiendrama. Besonders durch den Prolog und den Epilog, der die Handlung von Johannes‘ Buch einschließt, erzählt Timm Kröger hier unter anderem eine fiktive Künstlerbiografie, die in die Psyche seiner Hauptfigur hinabsteigt.

Biografische Tiefen

Die Figuren sind gut aufeinander abgestimmt. Mit Dr. Strathen und Prof. Blumberg (Gottfried Breitfuss), zwischen denen alte Streitigkeiten Klüfte geschlagen haben, und mit der Pianistin Karin, in die sich Johannes verliebt, hat die Hauptfigur interessante erzählerische Reibungsflächen. Man hat immer wieder den Eindruck, dass viele der Nebenfiguren mehr biografische Tiefe besitzen, als tatsächlich auserzählt wird. Alles, was ungesagt, rätselhaft bleibt, verleiht dem Ensemble einen ebenso starken Kontrast wie das Schwarz-Weiß.

Verbeugung vor der Kunst

Die Theorie von Allem ist einer dieser Filme, bei dem man nach dem Schauen viel Gesprächsstoff finden kann. Was hatte dies, was hatte jenes zu bedeuten? Man wird mit offenen Fragen entlassen. Das heißt aber nicht, dass diese Unklarheiten frustrieren müssen – nicht allzu viel jedenfalls. Vielmehr können sie die Rätsellaune eine Weile ankurbeln. Es sind die wohlgesetzten Lücken in einem verschlüsselten Noir-Mosaik.

Im letzten Drittel des Thrillers findet sich ein Kommentar auf das Kino und die Kunst. An dieser Stelle also ein kleiner Spoiler: Nach der Handlung in den Schweizer Alpen sitzt Johannes in einem Kino in Italien und schaut sich eine Verfilmung seines Buches an. Sitzt man währenddessen selbst im Kino, stellt sich fast eine optische Täuschung ein, als wären wir von Spiegeln umgeben und würden gerade auf uns selbst blicken, wie wir auf den Film einer vergangenen Zeit schauen. Schon der Roman war Johannes‘ Versuch die Vergangenheit zu verarbeiten, etwas oder jemanden wiederzufinden. Doch seine Suche scheitert an der Kinoleinwand, denn er findet nur „Varianten“ der Realität, die er sucht. Ihm geht es damit ähnlich wie den Zeit-Agenten in der neuen Loki-Serie. Dieser Vergleich bietet sich auch deswegen an, da die Multiversen-Theorie derzeit vor allem im MCU ziemlich präsent ist.  Wobei die Art und Weise, wie die Vielfalt der Welten uns hier präsentiert wird, nochmal anders ist als im MCU. Es gibt eben auch in der Kunst viele verschiedene Welten.

Credits

OT: „Die Theorie von Allem“
Jahr: 2023
Land: Deutschland, Österreich, Schweiz
Regie: Timm Kröger
Drehbuch: Roderick Warich, Timm Kröger
Musik: Diego Romas Rodriguez, David Schweighart
Kamera: Roland Stuprich
Besetzung: Jan Bülow, Olivia Ross, Hanns Zischler, Gottfried Breitfuss, David Bennent, Philippe Graber, Imogen Kogge, Emanuel Waldburg-Zeil

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseur und Co-Autor Timm Kröger zu unterhalten. Im Interview zu Die Theorie von Allem sprechen wir über die Arbeit am Film, künstlerische Einflüsse und was wir aus der Vergangenheit lernen können.

Timm Kröger [Interview]

Filmfeste

Venedig 2023
Filmfest Hamburg 2023
Film Festival Cologne 2023
Sitges 2023

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Die Theorie von Allem
fazit
„Die Theorie von Allem“ ist ein Krimi mit einem Hauch Science-Fiction in Schwarz-Weiß und spielt hauptsächlich in den Schweizer Alpen und in einem dort gelegenen Berghotel. Die Kamera findet teilweise tolle Bilder, atmosphärische Momente. Der Film ist interessant aufgebaut, aber auch nicht unbedingt so einfach zugänglich. Er entlässt das Publikum mit einigen offenen Fragen, die aber weniger frustrierend sind als vielmehr nachhallen, als hätte Regisseur Timm Kröger die Geschichte einfach ins Alpengebirge gerufen.
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8
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