Die Theorie von allem
Szenenbild aus Timm Krögers "Die Theorie von Allem" (© Neue Visionen Filmverleih)

Timm Kröger [Interview]

1962: Physiker Johannes arbeitet an seiner Doktorarbeit, die sich, zum Leidwesen seines Doktorvaters, mit der Mehrweltentheorie befasst. Bei einem Kongress in den Schweizer Alpen soll Johannes sein Thema doch nochmal überdenken. In den Bergen angekommen, beginnen sich die merkwürdigen Ereignisse aber zu häufen und Johannes findet sich schnell in einem Potpourri aus Mysterien wieder, sodass er die Realität immer mehr zu hinterfragen beginnt.

Timm Kröger vermengt in seiner zweiten Regiearbeit Die Theorie von Allem (Kinostart: 26. Oktober 2023) die Grenzen von Wissenschaft und Wirklichkeit. Stilsicher inszeniert erinnert der Film an viele Vorbilder aus dem Film Noir und greift dadurch auch viele (kultur-)geschichtliche Elemente der Nachkriegszeit auf. Eine Zeit, die sich durch eine Diskrepanz im Zeitgeist, zwischen aufklärerischem Wissenschaftsoptimismus und dem Vergessenwollen der Vergangenheit, steht, wie kaum eine andere.

Im Interview erzählt der Regisseur von ästhetischen Entscheidungen, Film als Medium der Erinnerung und vielem mehr.

Der folgende Text ist dabei zusammengefügt aus zwei verschiedenen Interviews, die zur Weltpremiere bei den Internationalen Filmfestspielen Venedig 2023 und zur Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg 2023 geführt wurden.

Du hast zuletzt ja vor allem als Kameramann gearbeitet. Inwiefern hat das deine Regiearbeit und auch die Arbeit mit deinem Kameramann Roland Stuprich beeinflusst?

Also grundsätzlich glaube ich, ich hätte auch selbst die Kamera machen können, dann wäre aber alles furchtbar geworden. Für mich und den Film. Und damit meine ich nicht nur die Bilder, sondern wirklich alles. In der Regie bin ich schon genug damit herausgefordert, mich aufs Schauspiel zu konzentrieren. Da brauche ich einfach jemanden, der die Bildideen, die man gemeinsam hat, umsetzt, ohne dass man darüber nachdenken muss. Und Roland ist, was das angeht, fast wie ein Automat. Der beißt sich rein und dann funktioniert das. Aber es ist natürlich so, dass wir gemeinsam auflösen – also bestimmen, wann die Kamera wo steht und was genau sie macht. Bei manchen Ideen von mir fragt er mich dann auch „Wie soll ich das denn machen?“. Fünf Minuten später hat er es aber gelöst. Es ist eine fantastische Zusammenarbeit.

Heißt das, ihr habt euch vorher nicht genau abgesprochen, wie ihr bestimmte Sachen umsetzen wollt?

Wir haben uns wahrscheinlich für filmstudentische Verhältnisse, so wie man das immer beigebracht bekommt, extrem wenig vorbereitet. Wir haben 2, 3 Tage über Einflüsse geredet, gerade mit vielen Lichtbeispielen für Schwarz-Weiß. Ich wollte nicht, dass man einfach nur die Farbe rauszieht und so leuchtet wie heute, sondern wie in den Dreißigern und Vierzigern, die UFA-Schule oder Golden Hollywood. Die haben teilweise recht plump und bescheuert geleuchtet, aber auch extrem elegant. Vor allem immer ein helles Gesicht, also Licht von vorne, was man heute, außer in der Komödie, kaum noch machen würde. Unser Film macht das zwar viel weniger, als man das früher gemacht hat, aber er macht es genug, um daran zu erinnern.

Das fällt auf jeden Fall auch auf. In Venedig liefen ja viele Filme in Schwarz-Weiß, aber ihr seid mit eurem nostalgischen Look nochmal herausgestochen.

Wir haben natürlich auch noch alle möglichen Filmkorneffekte hinzugefügt. Das macht mir immer besonders Spaß, weil ich finde, dass in der Textur von Filmen auch Erinnerungen begraben sind. Ich habe neulich noch mal das Rohmaterial in Farbe und ganz scharf angesehen, ohne all die Imperfektion, die wir da in wochenlanger Arbeit drüber geschliffen haben. Und das ergibt einfach keinen Sinn.

Wieso habt ihr euch überhaupt dazu entschieden, digital zu drehen?

Einfach aus Kostengründen. Und weil es natürlich auch digitale Elemente im Film gibt, bei denen es vom Workflow her Sinn ergibt. Ich hätte sehr gerne auf 35-mm gedreht, aber die Vorteile lagen einfach im Digitalen. Wir konnten, weil wir in Farbe gedreht haben, auch bestimmte Farben im Kostüm betonen und wieder einzeln anfassen, was man in Schwarz-Weiß und auf Film so nicht mehr könnte. Es hätte natürlich einen extrem eigenen Charme gehabt, aber wir mussten so schon so viele Risiken eingehen. In dem Fall wollte ich Flexibilität haben.

Habt ihr diese Flexibilität auch genutzt? Es kam mir bei ein paar Szenen der Gedanke, dass das so wahrscheinlich nicht im Storyboard stand. Zum Beispiel recht zu Beginn Johannes’ Weg zur Kapelle.

Da ist uns einfach die besondere Form der Wolken aufgefallen. Das haben wir tagsüber gedreht, an einem ganz langweiligen, verregneten Nachmittag, der eigentlich nur so ein Kleckerdrehtag war. Und davon hatten wir einige. Wir mussten irgendwie alles in die Lücken stopfen bei diesem Film, um den in 30 Tagen so drehen zu können. Man sieht in der Szene, die du angesprochen hast, Johannes ja auch nochmal in der Supertotalen, das ist aus Zeitgründen aber gar nicht Jan Bülow. Das Vorbild für diese Szene war Oliver Twist von David Lean. Der beginnt mit einer ganz fantastischen Sequenz, in der eine Frau bei Sturm in der Nacht läuft und dabei ist der Himmel auch ganz auffällig. Schwarze Wolken, aber mit weißen Stellen dahinter, sodass es gar nicht wirklich nach Nacht aussieht. Das ist auch so ein Beispiel, wo ich mir sicher war, dass der Film sich da visuell am richtigen Ort befindet. Natürlich kann das auch schnell zur Pastiche verkommen, die nicht zu hundert Prozent überzeugt. Und ich würde auch nicht sagen, dass wir immer hundert Prozent überzeugen können. Aber ich glaube, weil der Film das so durchhält, glaubt man irgendwann an diese Welt. Eine echte eigene Welt und nicht nur eine Sammlung aus Zitaten und Abziehbildern.

Ich finde, das gelingt euch auch ganz gut. Alles wirkt sehr unwirklich, sehr überzeichnet, was ja den Berg als besonderen Ort auch nochmal betont.

Ich musste manchmal an meine Teenager-Zeit und an die grauenhaften, aber heimlich kunstvollen Star Wars Prequels denken. Durch die habe ich sehr viel gelernt, wie man in albernen, fast trashy Comicbildern denkt und dass man sich das auch trauen darf. Und auch sonst, die Filme von George Lucas: fast alles waren Sachen aus seiner Kindheit, die er sozusagen für die jeweilige Gegenwart neu auf- und umsetzt.

Wie George Lucas hast du ja auch viel mit Wischschnitten gearbeitet.

Na klar. Natürlich hat die nicht George Lucas erfunden, aber das ist eben ein Kanal in diese Welt des alten Kinos, die begraben ist unter manchen populären Sachen von Lucas oder Spielberg. Und dafür kann man den Herren, finde ich, schon dankbar sein. Ich finde es nicht nur charmant, sondern wichtig, dass diese Brückenbildung zu alten Filmen weiter passiert.

War das auch ein Grund, den Film so zu machen, wie er ist, fast schon eine Hommage irgendwo?

Das ist ein bisschen komplexer. Ich habe mich früher, nichts gegen Nico Hofmann, aber ich habe mich immer über diese Nico-Hofmann-Produktionen über deutsche Geschichte aufgeregt. (Nico Hofmann ist langjähriger Regisseur und Produzent sowie aktueller Geschäftsführer der UFA GmbH. Zu seinen bekannteren Produktionen gehören Unsere Mütter, unsere Väter, Deutschland 83 /86 / 89 und die Ku’damm-Trilogie) Ich rede von Dresden und dieser Generation von Fernsehfilmen über den Zweiten Weltkrieg usw. Die Art, wie mir das hier erzählt wird, passt nicht zu dem, was ich aus meiner Familie kenne, aus Büchern und Fotos kenne usw. Nicht nur sahen die Leute anders aus, sondern eben anders gedacht und gefühlt. Spielfilme sind vieles, aber ganz bestimmt sind sie nicht dokumentarische Abbildung ihrer Zeit, bzw. nur auf eine indirekte Art. Weil sie natürlich die Lügen der Gegenwart enthalten, auch die Manierismen und die Fetische der jeweiligen Gegenwart. Und ich sehe das dann irgendwie synästhetisch, dass wenn man in der Psychologie von Figuren aus der Vergangenheit eintauchen will man auch die teilweise fast überholte, alberne Formsprache von früher annehmen muss – das ist für mich ein irreduzibler Teil der Psychologie dieser Zeit.

Wobei genau das ja auch Teil des Zeitgeists nach dem Zweiten Weltkrieg war. Wirtschaftsaufschwung, Heimatfilm, aber im Hinterkopf steckt noch das nicht Aufgearbeitete von früher.

Ja, das stimmt. Begriffe wie Traumata waren ja einfach nicht vorhanden in der deutschen Bevölkerung. Oder all die Erinnerungen und dunklen Dinge, die man verdrängt hat und die vielleicht nur kurz in irgendwelchen alkoholischen Ausbrüchen zu sehen waren. Es war eben viel komplexer. Es war mehr David Lynch als Nico Hofmann. Diese deutsche Traumabewältigung, also Bergfilm vor dem Zweiten Weltkrieg, Heimatfilme nach dem Zweiten Weltkrieg, erzählt auf so eine komische, perverse Art frivole Lügen über die Realität. Und das hat eine tragische Reibung an sich, finde ich. Ich habe das nicht fertig durchintellektualisiert, aber es hat mich immer gereizt, auf so eine oberflächlich affirmative Art in die Zeit zurückzuschauen und ich glaube, das spürt man auch. Das resultiert dann auch in dieser komischen Diskrepanz zwischen der eigentlich ernsten, und ernstgemeinten Materie und einer Inszenierung, die sich auf gewisse Weise nicht allzu ernst nimmt.

Ich habe zumindest recht oft gelesen, dass Leute den Film sehr erfrischend finden, ungewöhnlich für einen deutschen Film, sehr von Genrefilmen geprägt. Würdest du dem zustimmen?

Also ich finde den Begriff Genrekino oder auch Fantastik immer etwas schwierig. Neulich war ich in Frankreich auf einem Fantasy-Filmfestival und wurde gefragt, wie ich die Zukunft des Fantastischen sehe. Ich habe mich dann erstmal gefragt, warum ich überhaupt auf diesem Festival bin. Nicht, weil ich mich für Filme mit tollen Spezialeffekten besonders interessiere, sondern weil alle Filme, die ich gut finde, und zwar durch die Bank weg von Star Wars bis zu David Lynch, sich mit Metaphysik beschäftigen. Mit fantastischen Themen, die in unserer Welt nicht genug Raum einnehmen, sozusagen. Also all die Fragen wie: Wie nehmen wir Realität wahr? Was ist Erinnerung? Gibt es Schicksal? Gibt es ein Leben nach dem Tod? All diese Dinge werden im Kino so magisch und komplex verhandelt wie nirgends sonst. Filme sind klüger als die Leute, die sie machen. Filme können Widersprüche aushalten, sie können mit den Abgründen widersprüchlicher Emotionen umgehen. Mehr als Sprache das kann, besonders heute. Und das gilt fürs Genrekino und fürs Autorenkino. 

Spannend. Sehr besonders ist ja auch die Musik. Wie bist du da herangegangen?

Ich kenne mich nicht besonders gut mit zeitgenössischer Musik aus, weiß aber, dass sie im 20. Jahrhundert die Entwicklung gemacht hat, die die Filmmusik irgendwann nicht mehr mitgemacht hat. Die ist in so einem spätromantischen Modus steckengeblieben. Also wenn wir an John Williams denken, dann ist alles zitiert, von Mahler, Wagner bis Strawinsky. Im Grunde ist die Art von Filmmusik bis zu den Neunzigern irgendwie hinter der Zeit geblieben. Und das hat mich als Kind so stark umgeben, diese Fantasiewelten, diese riesigen, unablässigen, unbedingten Emotionen und teilweise auch filigranen, komplexen Wellen von Emotionen. Das hat mich immer fasziniert und war für mich auch der Hauptantrieb, überhaupt Filme machen zu wollen. Und ich finde es unfassbar spannend, wie man Geschichte in der Musik und Bildern gegeneinander ausspielen kann, auf eine Art, die konstruktiv ist.

Wie genau ist die Musik zu Die Theorie von Allem dann entstanden?

Der Komponist ist ein Freund von mir, Diego Ramos Rodriguez. Der macht eigentlich zeitgenössische Musik und hat vorher noch keine Filmmusik geschrieben. Wir haben uns immer wieder darüber unterhalten, aber nie etwas Konkretes entworfen. Und irgendwann, Diego musste seine Doktorarbeit schreiben und kam nicht so richtig voran, war der Film schon gedreht, die Musik aber natürlich noch nicht fertig. Also haben wir innerhalb von sechs Wochen einen Rohschnitt zusammengeklatscht, mit Musik aus der gesamten Filmgeschichte. Viel Paul Misraki, viel Bernard Herrmann, Georges Delerue und Trevor Duncan. Und das Erstaunliche war, obwohl die Musik von verschiedenen Leuten war und sich über 3 Jahrzehnte erstreckte, ergab das einen Film, der wunderbar funktionierte und fast integer war. So konnte Diego quasi dadurch, wie ich die Musik einsetzte, spüren, was ich eigentlich wollte – viel mehr als durch jahrelange Kommunikation über Musik. Da hat Sprache einfach ihr Ende. Er hatte dann sechs Wochen Zeit, um für 80 Instrumente Partituren zu schreiben, über 60 Minuten Orchestermusik. Und er hat es geschafft. Das war völlig bekloppt.

Hat sich der Stress denn deiner Meinung nach gelohnt?

Der Film hat dadurch eine Seele bekommen und eine musikalische Integrität, die ich selber mit vorher existierender Musik nicht hätte herstellen können. Und das will ich unbedingt wiederholen beim nächsten Mal. Es ist eine Riesenkunst und es ist eine enorme Freude, mit solchen Künstlern zusammenarbeiten zu können. Auch wenn man vielleicht den Film auf ein Publikum loslässt, das nicht alle Feinheiten hört. Aber der Soundtrack ist ja auch nicht nur fein, der ist teilweise sehr in your face. Immer wenn man Karin sieht, hört man die gleiche Melodie usw. Ich wollte immer Musik, die sich emotional ein bisschen unterscheidet von dem, was wir heute gewohnt sind, sodass sich fast schon die Frage auftut: Was will der Film denn jetzt von mir? Meint er das ernst? Wie meint er das? Warum ist die Musik so pathetisch und so merkwürdig? Ich glaube, das muss so merkwürdig sein, das macht, auch wenn ich es selber kaum beschreiben kann, eine gewisse Faszination aus.

Du hast gesagt, du würdest es gerne noch mal machen, hast du denn schon Pläne, was du als Nächstes machst? In beiden deiner Filme ging es ja um unterschiedliche Generationen der Leinerts.

Ja, es gibt eine Familienverbindung. Im nächsten Film wird Johannes Tochter, das junge Kind, was wir am Ende sehen, die Hauptfigur sein. Aber das muss ich ja erst mal machen und darüber kann man dann sinnvoll reden, wenn es dann den dritten Film gibt. Die Theorie von Allem, der Vorgängerfilm und der nächste spielen zwar alle im selben Universum, aber Die Theorie von Allem ist ein völlig eigenständiger Film, den man auch für sich alleine gucken kann und soll.

Ist es dann nur eine kleine Spielerei, dass alles im selben Universum spielt oder versuchst du gewissen Dinge zu erzählen, die sich in allen Filmen wiederfinden?

Die Trilogie war die Idee von Roderick Warich, meinem Drehbuchautor. Und es ist schon der Plan, seitdem wir das erste Mal über Zerrumpelt Herz geredet haben. Er meinte, wir könnten ja so in der Art von Edgar Reitz eine Chronik des 20. Jahrhunderts machen, nur mit drei Filmen und sechs Stunden, anstatt 60 Stunden. Und da bin ich bis heute dran. Der nächste Film wird dann ’97 spielen und weniger von deutschen Sentimenten handeln, sondern ist internationaler gedacht. Ich glaube auch, dass die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr so nationalspezifisch gedacht werden kann, wenn man so was wie Zeitgeist untersucht.

Wird der Aspekt Kulturgeschichte dabei auch wieder eine Rolle spielen?

Ja. [Pause] Weiß ich nicht. Ich bin ein völliger Banause, unbelesen, unakademisch, was das angeht. Ich finde aber, wenn Filme sehr gut sind, dann beschreiben sie nicht nur den Zeitgeist, sondern sind Teil davon bzw. treiben ihn sogar voran. Kino ist zumindest meine Art, die Vergangenheit zu verstehen, um die Gegenwart zu verstehen. Ich habe das Gefühl, das 20. Jahrhundert war so lang, so komplex und wir haben gewisse Sachen schon vergessen, die eigentlich noch mal aufgearbeitet gehören. Und das meine ich gar nicht unbedingt mit einer bestimmten Agenda, sondern ich muss die Vergangenheit selber nochmal verstehen, um in der Gegenwart überhaupt anzukommen. Ich glaube, dass das zumindest im Westen ein legitimes Problem einer ganzen Generation ist, dass wir auf eine Zukunftsutopie warten, die sich noch nicht gebildet hat. Und ich weiß nicht, wo wir hingucken müssen, um diese Utopie zu finden. Meine Antwort wäre, ich schaue zurück und versuche, die Puzzlestücke neu zusammenzulegen und zu verstehen, wie wir hier hingekommen sind. Was gab es alles schon mal? Was war daran gut? Was war unbedingt schlecht? Klingt total albern und so funktioniert Geschichte natürlich nicht. Aber jemand hat mal gesagt, die Vergangenheit ist wie ein fremdes Land, da macht man die Dinge anders (Erster Satz des Romans The Go-Between von L. P. Hartley) – und dadurch alleine lernt man etwas, so ambivalent und unanwendbar auf die Gegenwart es sein mag. Und da ist Geschichte natürlich die habhafteste Zeitmaschine. Wir können nicht in die Zukunft schauen und sehen, wie sich die Leute in 100 Jahren in Kalifornien im Spätkapitalismus organisiert haben oder was auch immer dann für Systeme herrschen. Aber wir können in die Vergangenheit schauen – das wäre jedenfalls meine Antwort auf die Apathie der Jetztzeit, dass man zurückschaut, in der Hoffnung, etwas Neues zu finden, dass sich etwas formt, was nach vorne zeigt. Und ich glaube, 16 Jahre Merkel war nicht das einzige Symptom für eine ganze Generation, die hofft, dass es möglichst lange noch irgendwie so weitergeht, wie wir das gewohnt sind. Wir wissen genau, das ist nicht möglich, war niemals möglich. Wir wissen bloß noch nicht, was danach kommen soll.



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