The Ordinaries
© Bandenfilm

The Ordinaries

The Ordinaries
„The Ordinaries“ // Deutschland-Start: 30. März 2023 (Kino) // 14. September 2023 (DVD)

Inhalt / Kritik

Paula (Fine Sendel) kann es kaum erwarten. Nicht mehr lang bis zu ihrer Prüfung, danach darf sie endlich einmal eine Hauptfigur sein! Sie hat schon in vielerlei Hinsicht ihr Talent gezeigt. Beispielsweise kann sie sehr gut schreien. Aber dieses Talent war ihr auch in die Wiege gelegt, schon ihr Vater war eine ganz besondere Hauptfigur, wie ihre Mutter (Jule Böwe) immer wieder betont, die selbst nie über ihren Status als Nebenfigur hinauskam. Zwar kann sich Paula kaum an ihn erinnern, ist er doch vor vielen Jahren bei dem Aufstand der Outtakes gestorben. Aber sie ist fest entschlossen ihm nachzueifern und lernt und probt und schreibt ständig. Zu ihrem Entsetzen will das mit der emotionalen Musik aber nicht funktionieren, weswegen sie sich auf die Suche nach Antworten macht, was mit ihr nicht stimmt …

Füllhorn an Ideen

Ein gern geäußerter Vorwurf gegenüber dem deutschen Film ist, dass er immer wieder dieselben Geschichten erzählt. Das mag zwar übertrieben sein. Angesichts der unzähligen TV-Krimis, Herzkinos oder mäßig komischer Komödien kann man diesen Vorwurf aber zumindest verstehen. Wer einen Gegenbeweis sehen möchte, für den ist The Ordinaries ein absolutes Muss. Die Tragikomödie um eine angehende Hauptfigur gewann beim Filmfest München 2022, wo sie Premiere feierte, nicht nur mehrere Preise. Sie wird seither auch munter zu anderen Festivals weitergereicht. So eröffnet sie das diesjährige Filmfestival Oldenburg. Und wer das auf Indieproduktionen spezialisierte Fest kennt, der ahnt schon, dass einen hier etwas ganz Besonderes erwartet.

Manche werden das schon vorher geahnt haben. In ihren Kurzfilmen wie Das Mensch bewies Regisseurin und Co-Autorin Sophie Linnenbaum schließlich, dass sie gesellschaftliche Beobachtungen in originellen und unterhaltsamen Kontexten unterbringen kann. Aber selbst mit diesem Vorwissen dürfte kaum jemand darauf vorbereitet sein, welches Füllhorn an Ideen sie bei ihrem Spielfilmdebüt mit dem Publikum teilen würde. Schon das Grundszenario ist sehr einfallsreich. Natürlich gibt es Filme, die sich in der einen oder anderen Form mit dem Filmemachen beschäftigen. Meistens geschieht das aber, indem wir hinter die Kulissen blicken und etwa am Filmset herumtummeln. Einen tatsächlichen Filmdreh sehen wir in The Ordinaries aber nicht. Stattdessen lässt Linnenbaum hier Konzepte lebendig werden wie eben Outtakes.

Das Herz hinter den Meta-Kommentaren

Zu viel sollte in der Hinsicht vorab nicht verraten werden, da ein Teil des Spaßes darin besteht, wie der Film immer mehr dieser Konzepte einbaut. Manche davon werden offensiv angesprochen, andere sind eher versteckt. Auch bei der Tonalität gibt es Unterschiede. Während einige beispielsweise letztendlich nur der Erheiterung dienen, vielleicht auch ein bisschen Spott beinhalten – siehe etwa den Punkt mit der emotionalen Musik oder das beschränkte Vokabular der Nebenfiguren –, sind andere von einer ernsten Natur. Die Sehnsucht nach Anerkennung, die in dieser Welt nur Hauptfiguren erhalten, ist beispielsweise etwas, das vielen aus dem Herzen sprechen wird. Überhaupt wird The Ordinaries gerade zum Ende hin selbst überraschend emotional, wenn wir darin eine Liebeserklärung sehen, die zu den schönsten zählt, die man dieses Jahr in einem Film sehen durfte.

Überhaupt ist der Film, so Meta und filmbezogen er über weite Strecken ist, erstaunlich nah an unserer Welt dran. Die Mehrklassengesellschaft und die Ablehnung alles Andersartigen kommt einem ebenso bekannt vor wie der oberflächliche Zwang zur Perfektion, wie man ihn nicht erst seit der Instagram-Gesellschaft kennt. Die daraus sich ableitende Aussage, dass uns die Fehler menschlich machen, mag nicht neu sein. Selten wurde sie aber derart frisch und zugleich schön eingebaut wie hier. Obwohl The Ordinaries bei Filmfans natürlich noch mehr Begeisterung entfachen dürfte, die mit den diversen Anspielungen und Cameos etwas anfangen können und die Genrewechsel genießen: Linnenbaum zeigt mit ihrem Debüt, was selbst mit geringen Mitteln möglich ist, wenn Fantasie und Einfallsreichtum vorhanden sind. Und von dem gibt es hier so viel, dass man schon gespannt sein darf, was die Nachwuchsfilmemacherin als nächstes anpacken wird.

Credits

OT: „The Ordinaries“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Sophie Linnenbaum
Drehbuch: Sophie Linnenbaum, Michael Fetter Nathansky
Musik: Fabian Zeidler
Kamera: Valentin Selmke
Besetzung: Fine Sendel, Jule Böwe, Henning Peker, Sira Faal, Noah Tinwa, Denise M’Baye, Pasquale Aleardi

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Deutscher Filmpreis 2023 Bestes Szenenbild Josefine Lindner, Max-Josef Schönborn Nominiert
Beste visuelle Effekte Johannes Blech Nominiert

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseurin und Drehbuchautorin Sophie Linnenbaum zu unterhalten. In unserem Interview zu The Ordinaries sprechen wir über Hauptfiguren, Geschlechterunterschiede und den Einsatz für Außenstehende.

Sophie Linnenbaum [Interview]

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

The Ordinaries
Fazit
„The Ordinaries“ begeistert durch ein originelles Szenario, wenn wir hier einer jungen Frau folgen, die innerhalb einer Filmwelt, bei der Konzepte zu Personen wurden, einmal eine Hauptfigur sein möchte. Neben zahlreichen witzigen Anspielungen und Kommentaren auf das Filmemachen an sich gibt es hier aber auch sehr Universelles, von Mehrklassengesellschaften bis zu einer Liebeserklärung an das Fehlerhafte, welche die Meta-Tragikomödie zu einem echten Geheimtipp machen.
Leserwertung84 Bewertungen
5.1
8
von 10